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       # taz.de -- Einschränkungen für Geflüchtete: Pro Asyl rügt Leistungskürzungen
       
       > Die Ampel will das „Sicherheitspaket“ zur Fluchtmigration schnell in den
       > Bundestag einbringen. Verschlechterungen für Dublin-Flüchtlinge geplant.
       
   IMG Bild: Verschärfungen treffen immer auch Kinder. Asylbewerberheim in Thüringen
       
       Berlin taz | Vor weiteren Migrationsberatungen von Regierung, Opposition
       und Ländern zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz Kompromissbereitschaft. „An uns
       wird es nicht liegen, wenn es nicht klappt“, betonte er am Samstag bei
       einem Bürgergespräch im brandenburgischen Teltow. Die Ampelkoalition legte
       vor der für Dienstag anvisierten neuen Gesprächsrunde bereits einen
       Gesetzentwurf zur Umsetzung ihres Sicherheitspaketes vor.
       
       Die Ampel will unter anderem die Leistungen für Asylbewerber:innen
       [1][streichen], für deren Verfahren ein anderer europäischer Staat nach der
       Dublin-Regelung zuständig ist und der einer Rücknahme der Betroffenen
       zugestimmt hat. Sie will Flüchtlinge, die eine Straftat mit einer Waffe
       oder einem anderen gefährlichen Werkzeug begangen haben, einfacher
       ausweisen. Migrant:innen, die Straftaten begehen, sollen leichter vom
       Schutz in Deutschland ausgeschlossen werden können. Seinen Schutzstatus
       soll auch verlieren, wer ohne einen triftigen Grund in sein Heimatland
       zurückkehrt, etwa für einen Urlaub. Zur Erhöhung der Sicherheit ist
       vorgesehen, den Umgang mit Messern im öffentlichen Raum weiter
       einzuschränken.
       
       „Wir haben geliefert“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am
       Wochenende in Berlin mit Blick auf den Gesetzentwurf, der nur gut eine
       Woche nach der Ankündigung des Sicherheitspakets fertig wurde. Die
       [2][Ampelkoalition] will das Gesetz schnell durch den Bundestag bringen und
       damit noch vor der Landtagswahl am 22. September in Brandenburg
       Handlungsfähigkeit signalisieren.
       
       Die Art des Verfahrens beschleunigt die Neuregelungen: Der Gesetzentwurf
       aus dem Innenministerium ging als Formulierungshilfe an die drei
       Ampelfraktionen. Diese übernehmen solche Formulierungshilfen üblicherweise
       und bringen sie dann als eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag. Nach dem
       Grundgesetz müssen Vorlagen der Bundesregierung zunächst dem Bundesrat
       zugeleitet werden. Dieser Schritt entfällt aber bei Vorlagen von
       Fraktionen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hält eine erste
       Beratung der Neuregelungen im Bundestag schon in dieser Woche für möglich.
       
       ## „Perfide Abschreckungspolitik“
       
       Die Lobbyorganisation für Geflüchtete, Pro Asyl, zeigte sich unterdessen
       „entsetzt“ über die rasche Konkretisierung des Sicherheitspakets. Pro Asyl
       ging in einer Erklärung vor allem auf die geplanten Leistungskürzungen für
       Asylbewerber:innen ein, die über einen anderen EU-Staat eingereist
       sind und deren Rücknahme dieser Staat zugestimmt hat.
       
       Eine Leistungskürzung auf null für diese Gruppe sei „der Versuch einer
       perfiden Abschreckungspolitik“, kommentierte Wiebke Judith von Pro Asyl.
       „Landen Asylsuchende nach der Dublin-Ablehnung nun auf der Straße?“ Mit
       einem kompletten Leistungsausschluss für Dublin-Fälle verstoße die
       Bundesregierung sehenden Auges gegen das Grundgesetz, hieß es in dem
       Pro-Asyl-Papier. Zudem scheiterten die meisten Dublin-Überstellungen an den
       anderen Mitgliedstaaten oder den deutschen Behörden, auch nach der
       Zustimmung des entsprechenden Mitgliedstaates, erklärte Pro Asyl.
       
       Die Organisation verwies auf Zahlen aus einer kleinen Anfrage der Linken,
       nach der es im Jahre 2022 rund 69.000 Übernahmeersuchen Deutschlands gab
       und rund 36.000 Zustimmungen anderer Staaten zur Rücknahme dieser
       Geflüchteten. Aber nur rund 4.160 Geflüchtete wurden tatsächlich in das
       EU-Land, in das sie eingereist waren, wieder zurückgebracht. Mehrfach
       verhinderten Gerichte die Überstellungen wegen erheblicher Mängel in Asyl-
       oder Aufnahmesystemen anderer Länder oder individueller Gründe.
       
       ## Die Union will es noch härter
       
       Die CDU/CSU-Opposition hat indessen bereits bei der Präsentation des
       Sicherheitspaketes Ende August deutlich gemacht, dass sie die darin
       vorgeschlagenen Maßnahmen für nicht ausreichend hält. CDU-Chef Friedrich
       Merz verlangt als Voraussetzung für eine Teilnahme der Union an einem
       weiteren Migrationsgespräch, dass die Ampel der Zurückweisung von
       Flüchtlingen an der Grenze zustimmt (siehe Text rechte Seite).
       
       Für Unmut sorgte eine Mitteilung des niedersächsischen Innenministeriums in
       der Welt am Sonntag, nach der einige Nicht-EU-Länder, darunter Äthiopien,
       Somalia, Iran, Jordanien und China, Geflüchtete nur dann zurücknehmen
       wollen, wenn diese unterschrieben haben, dass sie freiwillig zurückkehren.
       Damit bürdeten diese Staaten ihre Probleme den europäischen Staaten auf,
       kritisierte CDU-Innenpolitiker Detlef Seif.
       
       In der Debatte über Abschiebungen zeigt sich der Sonderbevollmächtigte der
       Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), unterdessen
       offen für Gespräche mit den in Afghanistan herrschenden Taliban.
       „Unverbindliche Sondierungsgespräche könnten eine Option sein“, sagte Stamp
       der Welt am Sonntag. Der FDP-Politiker mahnte zwar, die Möglichkeit eines
       direkten Austauschs „sorgsam abzuwägen“. Deutschland habe aber „ein
       ernsthaftes Rückführungsinteresse“. (mit dpa, epd)
       
       8 Sep 2024
       
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