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       # taz.de -- 1,5 Grad-Ziel: Der Welt läuft die Zeit davon
       
       > Die taz-Klimauhr ist umgesprungen, nun sind nur noch knapp drei Jahre
       > Zeit, die Welt auf 1,5-Grad-Kurs zu halten. Wir müssen handeln, um das
       > Klima zu retten.
       
   IMG Bild: Die Zeit läuft: am 8.9.2024 ist die Jahreszahl der Öko-Uhr von 3 auf 2 gesprungen
       
       Berlin taz | Am frühen Sonntagmorgen war es so weit: Die erste Ziffer der
       taz-CO2-Uhr sprang um. Sie zählt [1][auf der Website der taz] die
       abnehmenden Jahre, Monate, Tage, Stunden, Minuten und Sekunden, bis das
       globale CO2-Budget ausgeschöpft ist. Waren bis zum Sonntag noch drei Jahre
       Zeit, die Welt auf 1,5-Grad-Kurs zu trimmen, so steht jetzt eine zwei am
       Anfang.
       
       Ausgangspunkt der taz-CO2-Uhr ist das Pariser Weltklimaabkommen: 2015
       hatten sich darin die Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention
       verpflichtet, „Anstrengungen“ zu unternehmen, den Anstieg der globalen
       Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad zu begrenzen. Mittlerweile hat die
       Welt längst temporäre Ausflüge in Sphären jenseits dieser Marke gemacht:
       Die vergangenen zwölf Monate waren die heißesten, die jeweils gemessen
       wurden, und lagen im weltweiten Durchschnitt bereits 1,64 Grad über dem
       Niveau zum Ende des 19. Jahrhunderts, [2][wie der europäische
       Klimabeobachtungsdienst Copernicus am Freitag meldete].
       
       Die taz-CO2-Uhr bezieht sich auf die ganze Welt. Würde man sie für
       Deutschland stellen, wäre sie längst abgelaufen. Davon geht zumindest der
       Sachverständigenrat für Umweltfragen aus: „Konkret hat Deutschland seinen
       fairen Anteil an einem globalen CO2-Budget, mit dem die 1,5-Grad-Grenze
       eingehalten werden kann, seit Kurzem überschritten“, [3][schrieben die
       Regierungsberater*innen im März].
       
       Fair heißt in der Rechnung vor allem: wenn man jedem Bewohner der Erde
       dieselbe Menge CO2 zugesteht – also das globale Budget nicht einfach nur
       durch die fast 200 Länder der Welt teilt, sondern in Betracht zieht, wie
       viele Menschen dort jeweils leben. So gesehen haben die Vereinigten Staaten
       ihr rechnerisches CO2-Restbudget sogar schon Ende 2021 ausgeschöpft. Indien
       hingegen dürfte noch jahrzehntelang zumindest in einem gewissen Maße
       Treibhausgase produzieren.
       
       ## Rundungseffekt sorgte für weniger Emissionen
       
       Dieser „Budgetansatz“ ist in der Wissenschafts-Community beliebt, weil er
       die Erzählung etlicher Politiker entlarvt. CDU-Chef Friedrich Merz
       behauptete etwa, „wenn wir in den nächsten zehn Jahren die Weichen richtig
       stellen, sind wir auf einem guten Weg“.
       
       Die CO2-Uhr der taz illustriert das Gegenteil. Wer sie aufmerksam verfolgt,
       wird aber vielleicht gemerkt haben: [4][Tatsächlich ist die Uhr schon
       einmal unter drei Jahre gesprungen], nämlich im vergangenen Herbst – wurde
       also zwischenzeitlich zurückgestellt. Muss die Menschheit es mit dem
       Klimaschutz also immerhin nicht ganz so eilig haben wie noch 2023?
       
       Leider geht es nur um einen Rundungseffekt. Die Uhr wird regelmäßig neu
       gestellt und an die aktuellen Veröffentlichungen der Wissenschaft
       angepasst, unter anderem an die Indicators of Global Climate Change. Die
       Wissenschaftler*innen dort runden bei ihrer Berechnung des globalen
       CO2-Budgets immer auf die nächsten 50 Gigatonnen CO2. So kommt es, dass
       sich das Budget nach der Aktualisierung augenscheinlich nicht verändert
       hat, obwohl im vergangenen Jahr so viel emittiert wurde wie in keinem
       vorherigen Jahr.
       
       Die taz-CO2-Uhr ist nicht die einzige, die die Dramatik der Lage
       illustriert. Beispielsweise tickt auch beim Mercator Research Institute on
       Global Commons and Climate Change [5][eine Klima-Uhr] (allerdings mit
       leicht anderer Datengrundlage).
       
       Und natürlich gibt es auch Kritik an dieser Form, das Problem darzustellen:
       Schließlich wird – Stand jetzt – in zwei Jahren, elf Monaten und wenigen
       Tagen nicht eine gigantische Flutwelle über das Land hereinstürzen und
       alles Leben vernichten wie beispielsweise in Roland Emmerichs Filmklassiker
       „The Day After Tomorrow“ aus dem Jahr 2004. Es wird schon irgendwie auch
       nach Ablauf der taz-CO2-Uhr weitergehen. Obwohl: Sollte man sich darauf
       wirklich verlassen?
       
       9 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
   DIR [2] https://climate.copernicus.eu/copernicus-summer-2024-hottest-record-globally-and-europe
   DIR [3] /Deutschlands-CO2-Budget/!5997616
   DIR [4] /CO2-Uhr-springt-auf-drei-Jahre/!5961005
   DIR [5] https://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nick Reimer
       
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