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       # taz.de -- Fehlende Post-Filialen: Schlechter geht's eh nicht
       
       > Die Post schafft es nicht, die Aufgabe zu erledigen, für die sie
       > gegründet wurde. Aber das ist eigentlich schon egal.
       
   IMG Bild: Wie bestellt und nicht abgeholt: Zwei Briefkästen in Rheinland-Pfalz
       
       „Traritrara, die Post ist nicht da“ – [1][diesen Schlachtruf des Mangels
       vernimmt man mittlerweile an 141 „Pflichtstandorten“ in Deutschland.] Ein
       solcher Standort ist gesetzlich vorgeschrieben: Ab einer bestimmten
       Einwohnerzahl muss ein Ort über eine Postfiliale verfügen. Doch laut
       Bundesnetzagentur ist diese Grundversorgung auf dem platten Land oft nicht
       mehr gewährleistet. Die Bahnstrecke ist stillgelegt, die Bäckerei hat
       dichtgemacht, der Bus kommt zweimal am Tag, wenn er denn Bock hat. Wer
       kann, türmt in wenigstens halbwegs besiedeltes Gebiet. Brain Drain, Girl
       Drain, Mail Drain.
       
       Dabei ist der Begriff „Postfiliale“ ohnehin schon stark verwässert. Das
       gute alte Postamt, backsteinernes Bollwerk der analogen Kommunikation, ist
       bereits länger tot. Die Deutsche Post, einst uralter Markenname und
       Gütesiegel wie „Deutsche Wehrmacht“, hat erst wie Raider in Twix ihren
       Namen in DHL geändert, um angeblich pfiffiger zu klingen. Diese DHL
       entschied dann wiederum, den Kund:innen reinen Wein einzuschenken: „Wir
       machen zu! Haut ab! Wir nehmen euch nicht ernst und eigentlich haben wir
       euch schon immer gehasst – geht doch stattdessen in den Späti.“
       
       Seitdem geht man statt in eine „Postfiliale“, wie der Notbehelf offiziell
       noch immer so falsch wie großkotzig heißt, nunmehr in einen dafür eigens
       qualifizierten und vom Postbischof persönlich geweihten Headshop oder
       Hundefutterladen, um dort das Päckchen abzuholen, an dem wir alle zu tragen
       haben. Häufig ist es auch ein wackerer Späti, der sich dankenswerterweise
       bereiterklärt hat, die Postaufgaben zu übernehmen:
       
       Guckstu Einschreiben und so. Nicht selten überkommen den Zecher auf der
       Bank vorm Spätverkauf nach dem vierten Sterni nostalgische Gelüste, einen
       handschriftlichen Brief zu verfassen. Einen Liebesbrief. So wie früher. Die
       Angebetete ahnt noch nichts von ihrem Glück, denn sie kennt mich (noch)
       nicht. Umso größer wird die Freude sein.
       
       ## Zwischen Leben und Tod
       
       Marke drauf und ab. Genau genommen kann so eine Fake-Post also fast noch
       mehr als eine echte Postfiliale. Dort kauerten meist traurigernste
       Halbwesen in dunkelblauen Uniformpullovern, der Teint blass und irgendwie
       teigig, die immer den Eindruck machten, sich in einer Zwischenwelt zwischen
       Leben und Tod, Koma, Schlaf, Wachzustand und Traum [2][(für die
       Kund:innenseite oft auch Alptraum]) zu befinden. Verlässlich war
       mindestens die Hälfte der Schalter unbesetzt (Krankheit, Mittagspause,
       Unpässlichkeit, Rauchpause, Stuhlpause), und die Schlange der Wartenden
       wickelte sich bis nach draußen und dreimal um den Block.
       
       Die Beamt:innen waren sehr gewissenhaft und vor allem sehr, sehr
       langsam. Bezeichnenderweise sitzen im Disney-Film „Zootopia“ bei einer
       Szene in einem Amt Faultiere hinter dem Schalter und nerven mit ihren kaum
       wahrnehmbaren Zeitlupenbewegungen die Heldin, sprich das Polizeikaninchen,
       schier zu Tode, weil sie nicht zu Potte kommen.
       
       Bei „[3][Trustpilot]“ kommt die Deutsche Post entsprechend auf ein
       „Ungenügend“, im Schnitt 1,4 Sterne bei über fünftausend Bewertungen. Nur
       mal zum Vergleich: In der Kategorie „Backwaren & Desserts““ hat
       „meinetorte.de“ einen „TrustScore“ von 4,5. Das hat zwar nichts miteinander
       zu tun; wir führen es hier dennoch an, um einerseits zu zeigen, was mit ein
       wenig gutem Willen möglich wäre, und andererseits den Lesenden die
       eventuell ungeläufige Plattform „Trustpilot“ näher zu bringen.
       
       Unter diesem Gesichtspunkt war die Aufgabe sämtlicher Filialen nur
       konsequent. Ein ehrenvolles Harakiri, das Schwert ins eigene Herz gestoßen
       und zweimal umgedreht. „Unsere Freunde vom Kreuzberger Späti ‚Schluck in
       der Kurve‘ können es kaum schlechter machen“: Darin liegt ein superfaires
       Eingeständnis. Die Größe, das eigene Vollversagen derart umfänglich
       öffentlich anzuerkennen, haben nicht viele.
       
       ## Das Postamt wie der Telefgraf
       
       Und so könnte im Grunde alles gut sein. Das frühere Postamt ist nur noch
       ein Kommunikationsrelikt wie der Telegraf, das Faxgerät oder gar das
       Festnetztelefon, das, so weit überhaupt noch vorhanden, heutzutage nur noch
       zur Suche des eigenen, mal wieder unter Bergen von Shit verbuddelten,
       Mobiltelefons eingesetzt wird.
       
       Die Fenster sind zerbrochen, im Vorraum riecht es nach Urin. Im ehemaligen
       Paketraum nisten Fledermäuse zwischen den Spinnweben. Manchmal wurde auch
       der Schalter zum Bartresen umfunktioniert und das ganze Amt ist jetzt ein
       Technoclub.
       
       Allerdings wohnen nun mal nicht alle in der Stadt. Auf dem Land aber,
       gerade da, wo der letzte Kramladen zumacht, der dort die Rolle des
       Post-Spätis in der Stadt einnahm, verschwindet auch noch dieser Notbehelf.
       Das ist, wie erwähnt, ungesetzlich. Doch [4][nach dem neuen Postgesetz]
       dürfte ab 2025 ein Ersatz durch sogenannte Poststationen möglich werden.
       Diese Automaten sprechen zwar nicht mit den Kunden und verkaufen auch kein
       Bier und keine Kippen. Doch dafür sind sie immerhin schneller als die
       Beamt:innen alter Schule.
       
       9 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Deutsche-Post-verstoesst-gegen-Vorgaben/!6035247
   DIR [2] https://blogs.taz.de/hausblog/toms-postoma-als-briefmarke/
   DIR [3] https://en.wikipedia.org/wiki/Trustpilot
   DIR [4] /Neues-Postgesetz/!6016937
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uli Hannemann
       
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