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       # taz.de -- Poller und Kiezblocks: Irrsinn oder Kampagne?
       
       > Angeblich behindern Poller zur Verkehrsberuhigung Rettungskräfte. Im Fall
       > des Kiezblocks Neukölln scheint an dem Vorwurf wenig dran zu sein.
       
   IMG Bild: Hier geht's nicht mehr für alle durch: Poller im Neuköllner Reuterkiez
       
       Berlin taz | Vor wenigen Wochen wurde [1][im Neuköllner Ortsteil Rixdorf
       ein Kiezblock umgesetzt]. Im Grunde handelt sich dabei nur um ein paar
       minimalinvasive Eingriffe ins Verkehrsgeschehen: Einige wenige Pollerreihen
       und Einbahnstraßenschilder verhindern nun, dass täglich tausende Pkws im
       Durchgangsverkehr durch den Wohnkiez rollen. Die BVV hatte das schon 2021
       beschlossen.
       
       Viele AnwohnerInnen freuten sich über das Ende des Wartens – andere haben
       offenbar ein Problem damit: Nachdem Springers B.Z. [2][in einem Artikel
       „Poller-Irrsinn“ und „Lebensgefahr durch Kiezblocks“ anklagte], befasste
       sich am Montag sogar der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses auf Antrag
       der AfD-Fraktion mit der Frage, ob verkehrsberuhigende Maßnahmen das
       Durchkommen von Polizei und Feuerwehr behindern und Menschenleben
       gefährden.
       
       Ohne sich konkret auf einen Bezirk zu beziehen, sagte Innensenatorin Iris
       Spranger (SPD) dort, es „gehe nicht“, dass Beschlüsse einer BVV oder
       Entscheidungen eines Bezirksamts „unter Umständen das Leben von Menschen
       gefährden“. Einsatzkräfte müssten im Ernstfall schnell Gefahren bekämpfen
       und „unterschiedliche Rechtsgüter, von Sachwerten bis Leben, schützen“. Das
       werde durch Poller oft infrage gestellt, vor allem weil nicht alle Bezirke
       die Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden suchten. „Das Agieren einiger
       Bezirke ist nicht richtig, und das muss rückgängig gemacht werden“,
       erklärte Spranger.
       
       Sekundiert wurde sie von Polizeipräsidentin Barbara Slowik und
       Landesbranddirektor Karsten Homrighausen, der zu Protokoll gab, dass das
       Aufschließen und Umlegen von Pollern die Feuerwehr Zeit koste und die
       internen Leitsysteme zur Identifizierung der schnellsten Einsatzwege
       „aufwendig umprogrammiert“ werden müssten. Seine Behörde „werbe“ aus diesem
       Grund dafür, frühzeitig an solchen Planungen beteiligt zu werden.
       
       ## „Aus der Luft gegriffen“
       
       Genau diese Einbindung hat in Neukölln aber stattgefunden, wie
       Verkehrsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) der taz bestätigt. Auch die
       Rixdorfer Kiezblock-AktivistInnen, von denen die Idee zur
       Verkehrsberuhigung ursprünglich stammte, sagen, dass die Feuerwehr ihres
       Wissens mindestens an drei Terminen zu Rate gezogen wurde. Was im Übrigen
       neben anderen Abstimmungen, etwa mit dem Gewerbe vor Ort, den gesamten
       Prozess in die Länge zog. „Auf uns wirken die Vorwürfe aus der Luft
       gegriffen“, sagt Peter Gailhofer von der Initiative. „Es wirkt alles sehr
       wie eine Kampagne.“
       
       Tatsächlich hatte die B.Z. einen Feuerwehrmann als Kronzeugen aufgefahren,
       der beklagte, er und seine KollegInnen seien im Voraus nicht informiert
       worden und hätten auch nicht alle Pollerschlüssel bekommen. Bei einem
       „Ortstermin“, der offenbar nicht im Zusammenhang mit einem Einsatz
       stattfand, will die Zeitung beobachtet haben, wie ein Löschfahrzeug auf dem
       Richardplatz Minuten brauchte, „um mit Ach und Krach durch die Notöffnung
       zu kommen“.
       
       Die Initiative konfrontierte daraufhin die Feuerwehr mit den Vorwürfen,
       bekam aber bislang keine Antwort darauf. Auf der anderen Seite hat die
       Verkehrsbelastung laut Gailhofer nach einigen chaotischen Tagen deutlich
       abgenommen. „Sobald die Navigationsdienste die Information über die Sperren
       übernommen hatten, wurde es schlagartig besser.“
       
       Er findet, die Innensenatorin solle sich besser darum kümmern, dass Autos
       nicht rechtswidrig unterwegs seien. Ähnliches hatte im Innenausschuss auch
       Feuerwehrchef Homrighausen gesagt, allerdings in Richtung der Bezirke: Ein
       großes Problem für seine Einsatzkräfte sei irreguläres Parken: „Da würden
       wir uns freuen, wenn es mehr Kontrollen gäbe.“
       
       10 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Kiezblocks/!6022851
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       ## AUTOREN
       
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