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       # taz.de -- Bremer FDP will Gesetze ändern: Freiheit nur noch für EU-Bürger
       
       > Die Bremer FDP möchte den Islamismus bekämpfen und fordert ein
       > Demonstrationsverbot für alle, die keinen EU-Pass besitzen. Die Idee ist
       > rechtswidrig.
       
   IMG Bild: Will die Bremer FDP verbieten: Demonstrationen von Islamisten wie hier im April 2024 in Hamburg
       
       Hamburg taz | Wer keinen EU-Pass besitzt, soll sich in Bremen nach Ansicht
       der FDP-Bürgerschaftsfraktion nicht mehr zu Demonstrationen versammeln
       dürfen. So steht es jedenfalls in einer am Montag veröffentlichen Liste, in
       der die Fraktion ihre Forderungen gegen Islamismus zusammengetragen hat.
       
       Die FDP habe sich in der Debatte über den Umgang mit islamistischen
       Einstellungen mit dieser Forderung „vorgewagt“, so der Fraktionssprecher
       für Inneres und Justiz, Marcel Schröder, um einer „Unterwanderung von
       Demonstrationen durch feindliche ausländische Kräfte“ zu begegnen, die die
       FDP offenbar befürchtet. Während sich andere Fraktionen über die Forderung
       empören, schätzen juristische Expert*innen die Forderung als ohnehin
       unzulässig ein.
       
       Insgesamt 17 Forderungen stellt die Bremer FDP-Fraktion in ihrem
       Positionspapier auf. Darunter befindet sich etwa auch, dass die
       Sicherheitsbehörden mehr Geld erhalten und die demokratische Bildung
       ausgebaut werden soll – Forderungen also, die von der FDP schon früher
       erhoben wurden.
       
       Jedoch: Auch die Forderung nach einem Demonstrationsverbot ist in der FDP
       nicht gänzlich neu. So hatte die frühere FDP-Bundesjustizministerin und
       heutige nordrhein-westfälische Antisemitismus-Beauftragte, Sabine
       Leutheusser-Schnarrenberger, selbiges zur Debatte gestellt.
       
       Während Leutheusser-Schnarrenberger nach lauter Kritik an ihrem Vorstoß
       [1][zurückruderte], steht die Bremer FDP-Fraktion zur Forderung. „Erst die
       Integration, dann das politische Engagement“, begründet Schröder das
       Verbot. Schließlich würden Demonstrationen die politische Debatte prägen –
       diese soll also nicht durch Nicht-EU-Bürger*innen beeinflusst werden.
       Angesichts islamistischer Demonstrationen samt den Rufen nach der
       Errichtung eines Kalifats, wie etwa [2][in Hamburg vor einigen Monaten],
       müsse der Staat schon vor den eigentlichen Straftaten auf einer
       Demonstration tätig werden – und entsprechend Nicht-EU-Bürger*innen nicht
       zu Demonstrationen zulassen. „Es geht darum, uns für Freiheit und
       Demokratie einzusetzen“, erklärt Schröder.
       
       Irritation und Empörung auf diesen Vorstoß äußerten umgehend Linke, Grüne
       und SPD, die ihn als „illiberal“ und „populistisch“ bezeichneten. Aber auch
       aus Sicht von juristischen Expert*innen ist die Forderung nicht
       zulässig. So ist die [3][Versammlungsfreiheit] nach dem Grundgesetz zwar
       ein Recht für deutsche Staatsbürger*innen, gilt aber nach EU-Recht und nach
       der Europäischen Menschenrechtskonvention für alle – unabhängig des Passes,
       betont Nele Austermann, Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der
       Universität Kassel. Folglich verstoße die Forderung gegen die
       [4][Menschenrechtskonvention].
       
       Hinzu kommt: Die Bremer Landesverfassung erweitert das Versammlungsrecht um
       den Aspekt des Wohnens. So heißt es in Artikel 16, dass das Recht, sich
       friedlich und unbewaffnet zu versammeln, „allen Bewohnern der Freien
       Hansestadt Bremen“ zusteht. Menschen ohne deutschen oder EU-Pass, die aber
       in Bremen wohnen, können sich laut Austermann also auf die Landesverfassung
       beziehen. Die Forderung der FDP nach einem entsprechend geänderten
       Landesversammlungsgesetz wäre also rechtswidrig, weil es gegen die
       Landesverfassung verstoßen würde.
       
       Die Rechtswidrigkeit ihrer Forderung sieht die Bremer FDP-Fraktion
       allerdings nicht, ist sich aber anscheinend der praktischen Probleme ihrer
       Forderung bewusst. „Natürlich kann es bei Demonstrationen keinen Einlass
       mit Ausweiskontrolle wie bei einem Festival geben“, sagt Schröder. Das
       Verbot würde eher allgemein gelten und solle vor allem der Polizei und dem
       Ordnungsamt beim Umgang mit islamistischen Demonstrant*innen helfen.
       „Das wird sich aber in der Umsetzung natürlich nicht in jedem Fall zu 100
       Prozent kontrollieren lassen“, sagt Schröder.
       
       11 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/leutheusser-schnarrenberger-versammlungsrecht-diskussion-100.html
   DIR [2] /Konsequenzen-nach-Islamisten-Demo/!6007289
   DIR [3] /Versammlungsfreiheit/!t5025987
   DIR [4] /Menschenrechtskonvention/!t5016983
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Luisa Gohlke
       
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