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       # taz.de -- Streit um Justizreform in Mexiko: Demonstranten dringen in Senat ein
       
       > Die Justizreform des scheidenden mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel
       > López Obrador wurde trotz der Erstürmung des Senats verabschiedet.
       
   IMG Bild: Gegner der Justizreform sind am Dienstag in das Senatsgebäude in Mexiko-Stadt eingedrungen
       
       Berlin taz Wochenlange Streiks, Blockaden des Parlaments und zuletzt ein
       Sturm des Sitzungssaals des Senats – Oppositionelle und kritische
       Jurist*innen haben in den letzten Tagen viel dafür getan, die
       Justizreform von Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador zu
       verhindern. Doch konnte sich der scheidende Staatschef durchsetzen.
       
       In der Nacht zum Mittwoch beschlossen die Senator*innen nach
       turbulenter Sitzung seine Reform anzunehmen. Damit will der Amlo genannte
       López Obrador die in der Justiz grassierende Korruption bekämpfen.
       
       Künftig werden die Mitglieder des Obersten Gerichtshof und 6.500 weitere
       Richter vom Volk gewählt. Senat, Staatschef und Oberstes Gericht, das von
       zwölf auf neun Mitglieder reduziert wird, sollen dafür jeweils ein Drittel
       der Kandidat*innen vorschlagen. Bislang schickte der Präsident drei ins
       Rennen und die Senator*innen hatten das letzte Wort.
       
       Kritiker*innen fürchten, dass der Einfluss von Amlos ohnehin
       dominierender gemäßigt linker Morena-Partei noch größer wird. Schon jetzt
       stellt sie mit zwei kleinen Koalitionspartnern im Parlament die für
       Verfassungsänderungen nötige Mehrheit.
       
       ## Das Abgeordnetenhaus hatte schon zugestimmt
       
       Entsprechend deutlich sprach sich letzte Woche das Abgeordnetenhaus für die
       Reform aus. Das Votum musste in einem Stadion stattfinden, nachdem
       Demonstrant*innen das Parlament blockiert hatten.
       
       Auch der Senat ist mehrheitlich von der Regierungskoalition besetzt. Dort
       benötigte Amlo jedoch oppositionelle Unterstützung, um eine
       Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Dass ihm dabei ausgerechnet Miguel Ángel
       Yunes von der rechten Partei PAN aus dem Bundesstaat Veracruz die nötige
       Stimme gab, empörte Oppositionelle. „Verräter“ riefen Protestierende, die
       das Senatsgebäude gestürmt hatten.
       
       Vor der Abstimmung, die ebenfalls an einem anderen Ort stattfinden musste,
       hatten sie der Regierung vorgeworfen, Abgeordnete unter Druck zu setzen.
       Nun vermuten sie hinter Yunes' Verhalten einen Deal. Gegen den
       PAN-Politiker und Mitglieder seiner Familie laufen im von Morena regierten
       Veracruz Strafverfahren u. a. wegen Wahlbetrugs. Diese könnten nun
       womöglich eingestellt werden, meinen sie.
       
       Ist die Reform das Ende der Demokratie und die Installierung eines
       autoritären Regimes? Oder ist sie der nötige Schritt, um die korrupte, von
       der Elite dominierte Justiz zu reinigen? Weder noch, sagt der Analyst Jorge
       Zepeda Patterson.
       
       ## Hexenjagd auf regierungskritische Kandidat*innen droht
       
       Es bestehe die Gefahr, dass es bei der Wahl der Richter*innen zu einer
       Hexenjagd gegen regierungskritische Kandidat*innen komme. Doch werde
       der Oberste Gerichtshof zugleich pluraler. Amlo sei es darum gegangen, die
       30 Tage der parlamentarischen Mehrheiten zu nutzen, über die er verfüge,
       nachdem Morena bei den Wahlen im Juni massiv zugelegt hatte.
       
       Zwar könnte auch [1][seine Nachfolgerin] die Justizreform durchsetzen, wenn
       sie am 1. Oktober ihr Amt antritt. Doch das sei nicht opportun. „Für
       [2][Claudia Sheinbaum] ist es fundamental, dass die Abstimmung keinen
       Wirbel auf den Finanzmärkten verursacht oder Entscheidungen im Bereich
       privater Investitionen beeinflusst“, schreibt ein Kolumnist in der Zeitung
       El País.
       
       Mit den obersten Richter*innen steht Amlo schon lange auf Kriegsfuß. Sie
       sorgten mehrmals dafür, dass Projekte des Präsidenten gestoppt wurden.
       Beispielsweise eine nationalistisch orientiert Energiereform oder die von
       ihm beabsichtige militärische Führung der Nationalgarde.
       
       ## Justiz hat veritables Korruptionsproblem
       
       Zugleich steht außer Frage, dass große Teile insbesondere der regionalen
       und lokalen Justizbehörden korrupt sind und häufig von der Mafia
       kontrolliert werden.
       
       Carlos Pérez Ricart von der Universität Cide hält eine Reform auch deshalb
       für notwendig. Dennoch ist er kritisch: „Die Regierung hat darin versagt,
       uns zu erklären, warum beispielsweise die Wahl von Richtern helfen soll,
       uns ein besseres System zu bringen und nicht noch mehr Probleme bringt, als
       wir ohnehin schon haben.“
       
       11 Sep 2024
       
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   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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