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       # taz.de -- Demo für mehr Kita-Personal in Hamburg: Erzieher gehen auf dem Zahnfleisch
       
       > Hamburgs Kitas haben einen hohen Krankenstand. Zudem wurde beim
       > städtischen Träger Stunden gekürzt, weil die Tariferhöhung nicht
       > finanziert ist.
       
   IMG Bild: Nun nicht zum ersten Mal sauer: Kita-Beschäftigte protestierten auch schon im Herbst 2022 für bessere Bedingungen
       
       Hamburg taz | Dass die Situation in [1][Hamburgs Kitas angespannt] ist, war
       schon im Juni bei einer [2][Anhörung im Rathaus] zu spüren. Es wollten so
       viele Kita-Beschäftigte sprechen, dass der Saal wegen Überfüllung
       geschlossen wurde und rund 100 Auskunftswillige von der Polizei
       weggeschickt wurden.
       
       Schon die ersten Rednerinnen führten der zuhörenden Sozialsenatorin das
       Kernproblem vor Augen. Der Personalschlüssel von einer Fachkraft auf vier
       Kinder in der Krippe und einer auf zehn Kinder im Elementarbereich gilt nur
       auf dem Papier. „Wir arbeiten fast ständig mit 16 Kindern und zwei
       Erziehern“, beschrieb eine Erzieherin ihren Alltag, wohlgemerkt mit Kindern
       im Alter null bis drei.
       
       Dass Hamburg hier ein Problem hat, zeigte auch kürzlich eine [3][Studie der
       Bertelsmann-Stiftung]. Im Schnitt 33,2 Tage waren seine Kita-Beschäftigen
       im Jahr 2023 krank, fast doppelt so oft wie in anderen Berufen. Und da sie
       auch Urlaub haben, fehlen sie in den Kindergruppen 55 Tage im Jahr. Das ist
       der höchste Wert bei den westdeutschen Ländern.
       
       Das [4][Kita-Netzwerk], die Gewerkschaften V[5][er.di] und GEW und der
       [6][Landeselternausschuss] rufen deshalb für den 19. September zum
       Sternmarsch gegen die „Kitastrophe“ auf, die drohe, wenn nicht mehr
       investiert wird. Das Motto: “‚Verheizt‘ nicht die Zukunft dieser Stadt“.
       Besonders geärgert habe sie, dass Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) die
       Kitas bei der Haushaltsdebatte nicht mal erwähnte. „So geht es nicht“,
       heißt es in einem Aufruf der GEW-Betriebsgruppe der städtischen
       Elbkinder-Kitas.
       
       ## Zu wenig Kita-Personal
       
       Denn für die Elbkinder mit ihren 178 Kitas und für weitere Träger kommt
       eine akute Erschwernis hinzu. Für das Jahr 2024 werden die Tariferhöhungen
       noch nicht bei der Kita-Finanzierung berücksichtigt, die in Hamburg über
       Gutscheine pro Kind erfolgt. [7][Wie berichtet], wies die
       Elbkinder-Geschäftsführung bereits im Februar vorsorglich ihren Kitas nur
       noch 95 Prozent der Erzieherstunden zu, um dies abzufedern, das sparte etwa
       80 Stellen.
       
       „Es kommt viel zusammen, was dazu führt, dass wir permanent zu wenig
       Personal haben“, sagt Erzieher Tim Hansen von der GEW. Er rechnet vor: Wenn
       zwei Kollegen eine Gruppe betreuen, sei der andere je drei Monate im Jahr
       nicht da – sprich: Ein halbes Jahr ist nur eine Person in der Gruppe.
       
       „Man wird als Erzieher so [8][seinen eigenen Ansprüchen] nicht gerecht“,
       sagt der 31-Jährige. Das führe zu Frustration und psychischer Belastung.
       Zum Beispiel müsse man für bis zu 13 Kinder Beobachtungsmappen mit Foto und
       Berichten führen. „Das ist nicht zu schaffen“, sagt Hansen. Psychische
       Krankheiten machen denn auch laut Bertelsmann fast ein Viertel der
       Krankentage aus.
       
       „Das sind alarmierende Zahlen“, sagt Kristin Alheit, Vorständin des
       [9][Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg]. Nötig sei die „komplette
       Finanzierung der tatsächlichen Arbeit“. Dazu gehörten Ausfallzeit sowie
       Vor- und Nachbereitung. Die bisherigen Regelungen hätten sich überlebt und
       müssten „dringend angepasst werden“.
       
       Das Problem sei, sagt GEW-Sprecherin Sabine Lafrentz, dass die
       Verhandlungen zwischen Sozialbehörde und Kita-Verbänden über die
       Gutschein-Finanzierung diesmal erst spät im Frühjahr anfingen und noch
       nicht zu Ende seien. Wie von den Kita-Verbänden zu hören ist, soll es daran
       hapern, dass die Stadt kein Angebot vorlegt, das die Tariferhöhung
       refinanziert.
       
       ## Hohe Krankenquote ist ein Problem
       
       Die Sozialbehörde dagegen erklärt, sie geht davon aus, dass die
       Verhandlungen noch diesen September abgeschlossen und die Tarifentwicklung
       berücksichtigt wird. Zur Krankenquote sagt Sprecherin Anja Segert, beim
       Kita-Personal sei die Ansteckungsgefahr aufgrund der intensiven Kontakte zu
       Kindern und Eltern höher. Die Behörde sei sich der hohen Belastung bewusst
       und nehme sie ernst.
       
       Hamburg habe in den vergangenen zehn Jahren deutlich mehr Personal
       aufgebaut als zusätzliche Kinder aufgenommen wurden. Auch sei eine
       Fachkräftestrategie geplant, um die Situation zu verbessern. Doch um Mittel
       für besagte Vor- und Nachbereitung zu gewinnen, seien Bundesgelder nötig.
       Die Behörde verweist hier auf die geplante Fortsetzung des
       Kita-Qualitätsgesetzes von 2023.
       
       ## Auch die Politik sieht Handlungsbedarf
       
       Auch Fachpolitiker sehen Handlungsbedarf. Mehr Personal sei „der zentrale
       Schlüssel“, um aus dem Dilemma der Überlastung durch Krankheit
       auszubrechen, sagt die grüne Kita-Politikerin Britta Herrmann. Dafür müsse
       der Einstieg in den Job erleichtert und der Beruf attraktiver werden. „Auch
       Vor- und Nachbereitungszeiten sollten stärker berücksichtigt werden.“
       
       Ihr Kollege Uwe Lohmann von der SPD verweist darauf, dass Hamburg seinen
       Kita-Etat seit 2010 auf 1,2 Milliarden fast verdreifacht habe. Zu dem
       Problem der Tariferhöhungen sagt er, diese sollten künftig schon im Vorfeld
       mit berücksichtigt werden. Dem müssten die Kita-Verbände geschlossen
       zustimmen.
       
       „Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Lafrentz. „In allen
       anderen Ländern ist es üblich, die Tariferhöhungen in den Haushalten gleich
       zu berücksichtigen.“
       
       15 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Paedagoge-zur-Hamburger-Jugendhilfe/!5947854
   DIR [2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/87830/protokoll_wortprotokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_familien_kinder_und_jugendausschusses.pdf
   DIR [3] /Personalmangel-sorgt-fuer-Ausfaelle/!6028359
   DIR [4] https://www.instagram.com/kitanetzwerk_hamburg/?igsh=MWlwdTduNW92Y3FwNQ%3D%3D
   DIR [5] /Verdi-Referent-ueber-Probleme-in-Kitas/!5888741
   DIR [6] https://www.lea-hamburg.de/56-aktuelles/aktuelles-lea/1923-wahlen-in-kita-und-gbs-demo-verheizt-nicht-die-zukunft-unserer-stadt-protokoll-der-lea-sitzung-4-september-2024-ist-online.html
   DIR [7] /Nachteile-des-Hamburger-Gutscheinsystems/!5992437
   DIR [8] /Fachkraefte-Mangel-in-Hamburger-Kitas/!5912854
   DIR [9] https://www.paritaet-hamburg.de/service/presse/detail/paritaetischer-hamburg-zu-alarmierenden-krankenzahlen-bei-kita-beschaeftigten
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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