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       # taz.de -- Misstrauensantrag in Griechenland: Aus für Syrizas Millionär
       
       > Einst gehypt, nun geschasst: In Griechenland verliert Parteichef
       > Kasselakis das Vertrauen von Europas einstiger linker Vorzeigepartei
       > Syriza.
       
   IMG Bild: Aus für Stefanos Kasselaki, hier bei einer Wahlveranstlatung vor den Europawahlen im Juni 2024
       
       Athen taz | Erst triumphierte er, dann polarisierte er, nun wurde er seines
       Amtes enthoben: [1][Stefanos Kasselakis] ist nicht mehr Chef von Europas
       einstiger linker Vorzeigepartei, dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza)
       in Griechenland. Der Posten soll nun durch eine Neuwahl von der Parteibasis
       besetzt werden.
       
       Dabei hatte die Basis Kasselakis erst am 24. September vorigen Jahres zum
       Syriza-Chef gemacht, nachdem Ex-Premier Alexis Tsipras nach einer herben
       Niederlage bei den Parlamentswahlen gegen die weiter alleine regierende
       konservative Nea Dimokratia (ND) unter Premier Kyriakos Mitsotakis nach
       mehr als 15 Jahren an der Spitze verbittert seinen Rücktritt erklärt hatte.
       
       Kasselakis wollte in Tsipras’ Fußstapfen treten. Nun wurde er durch [2][das
       Syriza-Zentralkomitee (ZK)] geschasst. In einer geheimen Abstimmung
       votierte eine klare Mehrheit von 163 der insgesamt 295 ZK-Mitglieder für
       einen Misstrauensantrag gegen Kasselakis. Den Antrag hatten 100
       ZK-Mitglieder eingebracht. Kasselakis wurde so des Amtes enthoben – ein
       bisher einmaliger Vorgang.
       
       Sichtlich genervt erklärte dieser danach, dass er „erlöst“ sei. „Es ist
       beispiellos in der politischen Geschichte des Landes, dass die
       Parteibürokratie das Votum der Parteimitglieder vom ersten Tag an nicht
       akzeptiert hat.“ Der heute 36-jährige Kasselakis, der mit 14 Jahren in die
       USA zog, bei der US-Investmentbank Goldman Sachs anheuerte, dann Reeder
       wurde und zum Multimillionär aufstieg, kehrte erst nach seiner Wahl zum
       Syriza-Chef in sein Geburtsland zurück.
       
       [3][Die Anzeichen für Kasselakis’ Entmachtung] hatten sich zuletzt
       verdichtet. Das Band zwischen ihm und seinen Kritikern war schon früh
       zerschnitten. Kasselakis bemühte sich nie darum, die Kluft zu schließen. Im
       Gegenteil: Er goss Öl ins Feuer, oft mit üblen Attacken gegen seine
       Kritiker.
       
       Dessen überfallartige, für sie „feindliche“ Machtübernahme konnten seine
       parteiinternen Widersacher nie verdauen. Im November vorigen Jahres
       verließen elf Syriza-Abgeordnete die Partei, darunter Ex-Finanzminister
       Euklid Tsakalotos sowie Ex-Arbeitsministerin Efi Achtsioglou die Partei.
       Sie gründeten die Neue Linke.
       
       ## Ist Syriza ein „wildgewordener Hühnerhaufen“?
       
       Kasselakis warfen sie vor, Syriza jäh nach rechts rücken zu wollen. Das
       Genick brachen Kasselakis jene Syriza-Politiker, die ihn zuvor noch
       unterstützt hatten. Die Gründe für ihren Sinneswandel waren nicht nur seine
       offenkundig fehlende Sachkompetenz gepaart mit einer exzessiven
       Zurschaustellung seines Privatlebens. Zum Verhängnis wurde Kasselakis sein
       autoritärer Führungsstil. Und dies ausgerechnet in einer Partei, die die
       innerparteiliche Demokratie in ihrer DNA hat.
       
       Die letzte Episode war die auf Geheiß von Kasselakis veranlasste Entfernung
       von Sokrates Famellos vom Fraktionsvorsitz im Athener Parlament. Famellos
       genießt in der Partei ein hohes Ansehen. Immer mehr Syriza-Abgeordnete
       griffen Parteichef Kasselakis heftig an. Syriza verkam in der öffentlichen
       Wahrnehmung zu einem „wildgewordenen Hühnerhaufen“.
       
       Wie das Syriza-Politbüro beschloss, findet vom 1. bis zum 3. November ein
       außerordentlicher Parteitag statt. Am 24. November soll die Parteibasis
       einen neuen Syriza-Chef wählen. Der Kasselakis-Kritiker Pavlos Polakis hat
       angekündigt, für das Amt des Syriza-Chefs kandidieren zu wollen. Sein
       oberstes Ziel sei es, durch eine Frontalopposition Premier Mitsotakis aus
       dem Amt zu jagen.
       
       Kasselakis, der kein Abgeordneter im Parlament ist, nach seiner
       Amtsenthebung kein Parteiamt mehr inne hat und ein einfaches
       Syriza-Mitglied ist, lässt offen, ob er für das Amt des Parteivorsitzenden
       kandidieren werde. „Meine Entscheidungen werde ich dort verkünden, wo ich
       immer Rechenschaft ablegen muss: nämlich vor dem Volk von Syriza.“ Premier
       Mitsotakis frohlockt mit Blick auf die Turbulenzen bei Syriza: „Es gibt
       keine Alternative zur ND-Regierung.“ Er wolle bis 2027 regieren, sagt er.
       Syriza hat es ihm leichtgemacht.
       
       12 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ferry Batzoglou
       
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