# taz.de -- Steuern für Konzerne und Superreiche: „Das erfordert globale Regeln“
> Die Vereinten Nationen diskutieren, wie man international gerecht
> besteuert. Welche Staaten dabei bremsen, berichtet Expertin Tove Ryding.
IMG Bild: Yachten-Spaß in Monaco – natürlich nur für die, die es sich leisten können. Superreiche könnten künftig global besteuert werden
taz: Frau Ryding, Steuern sind eigentlich Sache von Nationalstaaten, jetzt
wollen plötzlich die Vereinten Nationen Abgaben für Unternehmen oder
Superreiche durchsetzen. Kürzlich haben sie aber gerade mal einen Rahmen
für eine künftige globale Steuerkonvention abgesteckt. Klingt schleppend –
was bedeutet das?
Tove Ryding: Das ist eine sehr wichtige Entscheidung. Häufig geht es bei
den Vereinten Nationen um Leitlinien oder Dialoge, aber die
Mitgliedsstaaten haben diesmal dafür gestimmt, drei rechtlich verbindliche
Instrumente zum Thema Steuern auf einen Schlag zu verabschieden. Das ist
ein gewaltiger Schritt. Über Steuern wird seit über 100 Jahren
international diskutiert. Aber wir haben noch nie über ein globales
Steuerabkommen verhandelt, an dem alle Länder gleichberechtigt teilnehmen.
taz: Worauf haben sich die Regierungen genau geeinigt?
Ryding: Das Mandat für die Steuerkonvention legt die
Entscheidungsstrukturen für die Verhandlungen fest. Erstens haben sich die
Regierungen verpflichtet, zusammenzuarbeiten. Zweitens haben sie sich
darauf geeinigt, ein [1][globales Steuersystem für nachhaltige Entwicklung]
zu schaffen. Die Tatsache, dass die nachhaltige Entwicklung in dem Abkommen
so deutlich erwähnt wird, ist für uns sehr wichtig, denn damit werden
Steuersysteme als Mittel zur Finanzierung sozialer Ziele wie Schulen und
Krankenhäuser sowie von [2][Maßnahmen gegen den Klimawandel] anerkannt.
taz: Wie verpflichtend werden die Vorgaben wirklich sein?
Ryding: Das ist eine der Schlüsselfragen bei den folgenden Verhandlungen.
Wir haben uns gefreut, dass bereits in einem sehr frühen Stadium ein
Abschnitt aufgenommen wurde, der besagt, dass Staaten echte Verpflichtungen
eingehen in Bezug auf die Besteuerung von Unternehmen und [3][Superreichen]
und zu nachhaltiger Entwicklung und Umweltschutz. Es gibt verschiedene
Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass die Länder ihre Versprechen und
Verpflichtungen einhalten.
taz: Welche denn?
Ryding: Einige Länder versuchen bereits heute, das Steuerverhalten der
anderen zu beeinflussen. Ein Beispiel dafür sind schwarze Listen, auf die
sie Steuerparadiese setzen und ihnen mit verschiedenen Arten von Sanktionen
drohen. Es kann auch Maßnahmen für Länder geben, die das Abkommen am Ende
nicht unterzeichnen.
taz: Die Industrieländer haben im Rahmen ihrer Organisation OECD schon über
internationale Steuervorschriften verhandelt – waren aber von Anfang an
gegen eine UN-Steuerkonvention. Die EU hat sich nun bei der Abstimmung
zumindest enthalten. Werden die reichen Länder es zulassen, dass der Rest
der Welt bei diesem Thema mit am Tisch sitzt?
Ryding: Als die OECD-Länder im November mit „Nein“ gegen die Resolution
eines Steuerabkommens stimmten, war es fraglich, ob sie überhaupt an den
Verhandlungen teilnehmen. Aber sie haben sich nicht nur beteiligt, sondern
sehr viel gesagt. Natürlich haben sie befürchtet, dass die
Entwicklungsländer sich zusammentun und ihr eigenes System einführen,
unabhängig davon, ob die OECD-Länder mitmachen wollen oder nicht.
Aber die Entwicklungsländer haben sehr deutlich gemacht, dass sie ein
globales Abkommen bevorzugen. Möglich ist, dass die Industrieländer nur
dabei sind, um das Abkommen zu schwächen und dann nicht unterzeichnen. Der
Text trägt bereits deutliche EU-Fingerabdrücke.
taz: Welche genau?
Ryding: Die OECD-Länder, darunter die EU, haben mehr Zeit gefordert.
Anstelle von zwei Jahren, wie von den afrikanischen Ländern vorgeschlagen,
heißt es nun, dass die Verhandlungen erst in drei Jahren abgeschlossen sein
sollen. Generell haben sie die nationale Souveränität betont und eine
weichere und weniger spezifische Sprache vorgeschlagen. Aber die EU hat
nicht nur ein Interesse. Es gibt dort Steuerparadiese und es gibt Länder
mit hohen Steuern. In Westeuropa gibt es viele Firmensitze, in Osteuropa
nicht. Es bleibt also interessant.
taz: Was sind die großen Themen des Abkommens?
Ryding: Illegale Finanzströme, Steuerhinterziehung, Steuervermeidung. Es
besteht ein breiter Konsens darüber, dass das Probleme sind, aber wenn es
konkret wird, blockieren Länder mit diesen schädlichen Strukturen. Außerdem
geht es darum, wo multinationale Unternehmen Steuern zahlen sollen.
Die OECD hat Länder bevorzugt, in denen sich Hauptsitze multinationaler
Firmen befinden. Viele andere Länder sind der Meinung, dass die Besteuerung
gleichmäßiger verteilt werden sollte und Ländern, in denen die Produktion
oder Rohstoffgewinnung stattfindet, zugutekommt.
taz: Produktionsländer können doch Unternehmen besteuern, das ist eine
nationale Angelegenheit. Warum braucht es globale Regeln?
Ryding: Sobald ein Unternehmen über nationale Grenzen hinweg tätig ist,
wird es kompliziert. Es besteht oft eine Diskrepanz zwischen dem Ort, an
dem die Gewinne anfallen, und dem Ort, an dem die wirtschaftliche Tätigkeit
stattgefunden hat. Zwar können Länder multinationalen Unternehmen Steuern
auferlegen, indem sie zum Beispiel grenzüberschreitende Finanzströme oder
bestimmte Aktivitäten im Land besteuern, aber es besteht weitgehend
Einigkeit darüber, dass die Besteuerung auf Grundlage ihrer Gewinne der
beste Ansatz ist. Ein solches System erfordert globale Regeln.
4 Sep 2024
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## AUTOREN
DIR Leila van Rinsum
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