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       # taz.de -- Aufarbeitung des Attentats in Solingen: Abschiebungen nur werktags
       
       > NRWs grüne Integrationsministerin Josefine Paul erläutert, woran die
       > Rückführung von Issa al H. scheiterte. Ein U-Ausschuss soll weiter
       > aufklären.
       
   IMG Bild: Der mutmaßliche Täter Issa al H. sollte nach Bulgarien ausgeflogen werden
       
       Düsseldorf taz | Sechs Tage nach dem [1][mutmaßlich islamistischen Anschlag
       von Solingen hat] Nordrhein-Westfalens Landtag mit der Aufarbeitung der
       tödlichen Messerattacke begonnen. Dabei erklärte die grüne
       Landesintegrationsministerin Josefine Paul, sich für schnellere
       Rückführungen und Abschiebungen ausreisepflichtiger Migrant:innen
       einsetzen zu wollen.
       
       Ihr Kabinettskollege, NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), mahnte außerdem
       eine bessere Ausstattung der Geheimdienste an, um schneller auf mögliche
       radikalisierte Gefährder:innen aufmerksam zu werden. Zusätzlich
       kündigten die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen die Einsetzung eines
       Untersuchungsausschusses an, der mögliche Fehler und Versäumnisse im
       Zusammenhang mit dem Attentat aufklären soll.
       
       Bei der von der oppositionellen SPD beantragten gemeinsamen Sondersitzung
       des Innen- und Integrationsausschusses stellte sich Reul vor die
       Sicherheitskräfte. Die Reaktionszeit der Polizei habe „bei null“ gelegen,
       da sich zur Tatzeit am Freitag vergangener Woche um 21.37 Uhr mehr als ein
       Dutzend Polizist:innen auf dem Fronhof befunden hätten – wenn auch
       nicht in unmittelbarer Nähe des aus Syrien stammenden Tatverdächtigen Issa
       al H. Bereits um 21.59 Uhr sei dann das Polizeipräsidium Düsseldorf als
       übergeordnete Behörde, vier weitere Minuten später dann „alle
       Sondereinsatzkommandos in NRW“ alarmiert worden.
       
       Zudem habe sich der mutmaßliche Täter am folgenden Samstag nicht, [2][wie
       bisher von der taz und vielen anderen Medien berichtet], freiwillig der
       Polizei gestellt, erklärte der NRW-Innenminister. Vielmehr sei er einer
       Polizeistreife „wegen seiner Kleidung und Verhaltens“ als verdächtig
       aufgefallen und daraufhin von den Beamt:innen „festgenommen“ worden.
       
       ## Grüne unter Druck
       
       Reul warnte vor der „Versuchung“, das Attentat zu „instrumentalisieren“ und
       alle Asylsuchenden unter Generalverdacht zu stellen: „Hunderttausende sind
       dankbar für den Schutz, den wir Ihnen gewähren“, so der Christdemokrat:
       „Hetze hilft nicht weiter.“
       
       Die grüne Integrationsministerin Paul, die sich seit Tagen Fragen nach
       ihrer politischen Mitverantwortung für das Attentat stellen muss,
       erläuterte im Detail, warum sich der mutmaßliche Täter, der bereits seit
       2023 ausreisepflichtig war, überhaupt noch in Deutschland aufhalten konnte.
       Issa al H. hatte zunächst in Bulgarien einen Asylantrag gestellt – und
       damit wäre das südosteuropäische Land nach dem Dublin-Übereinkommen für ihn
       verantwortlich gewesen.
       
       Bereits am 20. Februar 2023 habe das Bundesamt für Migration und
       Flüchtlinge seine Ausweisung aus Deutschland angeordnet, so Paul. Ein
       Abschiebeflug sollte am 5. Juni 2023 gehen – doch Mitarbeiter:innen
       der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld trafen Issa al H. in seiner
       damaligen Flüchtlingsunterkunft in Paderborn nicht an. Ein weiterer
       Abschiebeflug wurde nicht gebucht, da eine Frist von sechs Monaten
       eingehalten werden müsse, erklärte die Ministerin.
       
       ## Ministerin nimmt den Bund in die Pflicht
       
       Die sei dann im Juli 2023 abgelaufen – und bis dahin seien keine neuen
       Abschiebeflüge greifbar gewesen. Dies liege an restriktiven Regelungen
       Bulgariens: So erlaube das Land Abschiebungen ausschließlich auf dem
       Luftweg und von Montag bis Donnerstag von 9 bis 14 Uhr. Charterflüge würden
       nicht akzeptiert. Daher könnten bundesweit nur „10 bis 15 Prozent“ der nach
       dem Dublin-Übereinkommen Ausreisepflichtigen „zurückgeführt“ werden, sagte
       Paul – und mahnte Nachbesserung durch den Bund an.
       
       Gleichzeitig deutete die Ministerin aber auch Fehler der ihr unterstellten
       Behörden an: So habe sie bereits angewiesen, dass die Zentralen
       Ausländerbehörden künftig Zugriff auf die Anwesenheitslisten der
       Landesunterbringungseinrichtungen erhalten sollen. Diese seien künftig
       verpflichtet, zu melden, „wenn eine Person, die nicht angetroffen wurde,
       wieder da ist“.
       
       30 Aug 2024
       
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