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       # taz.de -- Debatte um Holzheizungen: Klimaneutral mit Fragezeichen
       
       > Holzheizungen sind weniger öko, als viele annehmen. Die Bundesregierung
       > hält trotzdem an der Förderung als klimaneutrale Wärmequelle fest.
       
   IMG Bild: Romantisch mit Holz heizen ist auch nicht der Burner fürs Klima
       
       Berlin taz | Holz im Kamin zu verbrennen erzeugt eine angenehme Wärme. Zum
       Wohlbefinden mag auch beitragen, dass der natürliche Energielieferant als
       politisch gewünschtes Heizmaterial gilt. Nun jedoch ist eine Diskussion im
       Gange, ob Holzheizungen wirklich [1][klimaneutral] sind.
       
       Ausgelöst hat die Debatte kürzlich eine kleine Änderung im
       [2][Kohlendioxid-Rechner des Umweltbundesamtes] (UBA). Mit diesem
       Hilfsmittel können Privathaushalte berechnen, wie viel klimaschädliches
       Kohlendioxid (CO2) verursacht wird, wenn die [3][Heizung] im Keller Wärme
       produziert, der Durchlauferhitzer das Duschwasser erhitzt, Brot, Gemüse
       oder Fleisch auf den Tisch kommt, und man mit Auto oder Bus zur Arbeit
       fährt.
       
       Neuerdings weist der Rechner auch die Klimabelastung durch Holzheizungen
       aus – was er früher nicht tat. So muss man sich nun damit
       auseinandersetzen, dass eine Tonne Buchenscheite oder Holzpellets etwa 1,7
       Tonnen klimaschädliches CO2 verursacht.
       
       Darüber können im Schwarzwald, dem Allgäu und anderen Regionen, wo die
       Leute schon immer Bäume absägten, um Bau- und Brennmaterial zu gewinnen,
       viele nur die Köpfe schütteln. Auch unter Waldbesitzer:innen und ihren
       Verbänden regt sich Protest. Umweltschützern dürfte die Argumentation des
       Amtes dagegen sympathisch erscheinen.
       
       ## Langsam aufnehmen, schnell abgeben
       
       Die Aussage, dass Holz ein klimaneutraler Brennstoff sei, bezeichnen die
       UBA-Expert:innen mittlerweile als „zu kurz gefasst“ und „idealisiert“.
       Dagegen sagt Ulrich Potell, Geschäftsführer des Landeswaldverbandes
       Baden-Württemberg: „Die neue Ausweisung der Kohlendioxid-Emissionen von
       Holzheizungen im CO2-Rechner ist irreführend, weil sie den
       Gesamtzusammenhang des CO2-Kreislaufs von Wäldern auf den Moment der
       Verbrennung eines Holzscheits reduziert.“ Ähnlich sieht es das
       Landwirtschaftsministerium in Stuttgart: Das „fragwürdige
       Kalkulationsmodell“ sende „ein falsches Signal“.
       
       Was aber passiert im Lebenszyklus des Waldes vom Wachsen bis zur Nutzung
       unter anderem als Brennholz? Beispielsweise eine Buche, die vielleicht 80
       Jahre wächst, nimmt jedes Jahr eine gewisse Menge Kohlendioxid aus der Luft
       auf. Fällt und verfeuert man sie dann, wird das gespeicherte CO2 zum guten
       Teil wieder frei, und zwar in einem kurzen Zeitraum.
       
       Der aktuelle Ausstoß des klimaschädlichen Gases steige damit deutlich an,
       argumentiert das UBA – obwohl die Wissenschaftler:innen natürlich
       wissen, dass die über den langen Zeitraum gebundene und schließlich wieder
       freigesetzte CO2-Menge mehr oder weniger identisch ist. Hinzu kommt:
       Ersetzt die Försterin den abgesägten Baum durch eine nachgepflanzte, kleine
       Buche, bindet diese zunächst nicht so viel Kohlendioxid wie die alte,
       große, die in der Heizung verfeuert wurde.
       
       Verbandsgeschäftsführer Potell ist diese Betrachtung aber zu labormäßig:
       „Man darf für die Bewertung von CO2-Kreisläufen nicht nur den einzelnen
       Baum, sondern muss das offene System Wald betrachten.“ In dieser Sichtweise
       gehen die Waldbesitzer:innen pfleglich mit ihren Flächen um: Sie roden
       vielleicht ein kleinen Teil, während der größte Teil des Forstes bestehen
       bleibt und weiter CO2 einspeichert. „Die Biomasse des Waldes in Deutschland
       nahm bis zur letzten Bundeswaldinventur stetig zu, nicht ab“, betont
       Potell.
       
       Das Umweltbundesamt äußert sich dagegen weniger optimistisch. Die Fähigkeit
       des hiesigen Waldes, CO2 zu binden, reduziere sich, schreiben die
       Fachleute. Woran das liegt – Dürren, Borkenkäfer, verstärkte Holznutzung –
       wird möglicherweise die nächste Waldinventur klären, deren Zahlen in diesem
       Oktober kommen sollen.
       
       ## Besser als Baumaterial
       
       Dass es den CO2-Ausstoß der Holzverbrennung nun erstmals ausweist,
       betrachtet das UBA auch als langfristigen Hinweis: Der natürliche Rohstoff
       lässt sich nachhaltiger nutzen, wenn man ihn beispielsweise als Baumaterial
       oder zur Möbelproduktion verwendet. Dann bleibt das CO2 länger gespeichert
       und entweicht nicht auf einen Schlag in die Umwelt. Gegenargument des
       Waldverbandes: Sowieso würden Bäume heute schon nicht komplett verbrannt,
       weil etwa die besseren Teile in die Möbelherstellung wanderten.
       
       „Grundsätzlich wird der Wald in Deutschland in einer Weise nachhaltig
       genutzt, so dass auch seine Funktion, Kohlenstoff zu binden, nicht
       entscheidend abnimmt“, erklärt Marc Hanewinkel, Professor für
       Forstwirtschaft der Universität Freiburg. „Trotzdem mag es sein, dass das
       Verbrennen von Holz für die Wärmeerzeugung eine Übergangstechnologie
       darstellt, die später im Wesentlichen durch Alternativen ohne
       Kohlendioxid-Ausstoß ersetzt wird.“
       
       Doch schon jetzt steht die fachliche Einschätzung des UBA, die in der
       Änderung des CO2-Rechners zum Ausdruck kommt, in einem gewissen Widerspruch
       zur Politik. Denn während ihres Konflikts über das Heizungsgesetz haben
       SPD, Grüne und FDP 2023 vereinbart, Holzheizungen als klimafreundliche
       Alternative zu fördern.
       
       Wenn deshalb Hausbesitzende heute eine solche Anlage installieren und damit
       eine Öl- oder Gasheizung ersetzen, erhalten sie hohe Zuschüsse des Staates.
       So zahlt die öffentliche KfW-Bank in jedem Fall eine Grundförderung von 30
       Prozent der Kosten. Hinzu kommen weitere 30 Prozent, wenn das zu
       versteuernde Jahreseinkommen des Haushaltes maximal 40.000 Euro beträgt.
       Zusätzlich können weitere zehn Prozent fließen, falls zusätzlich zur
       Holzheizung etwa eine Solaranlage eingebaut wird.
       
       Bei dieser politisch gewollten Förderung einer Heiztechnik, die das
       Umweltbundesamt für potenziell klimaschädlich hält, soll es auch bleiben,
       hat das Bundeswirtschafts- und Klimaministerium des Grünen Robert Habeck
       erklärt: „Eine CO2-Abgabe auf Holz wird es nicht geben.“
       
       30 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Klimaneutralitaet/!t5575293
   DIR [2] https://uba.co2-rechner.de/de_DE/
   DIR [3] /Klimaexperte-ueber-Heizungspolitik/!6029912
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannes Koch
       
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