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       # taz.de -- Landtagswahlen Sachsen und Thüringen: Von null auf Regierung?
       
       > Das BSW von Sahra Wagenknecht zieht in die Landtage ein. Und nun auch in
       > die Landesregierungen? Das entscheidet nicht allein die Parteigründerin.
       
   IMG Bild: Katja Wolf (2. von rechts) mit Sahra Wagenknecht auf der Wahlparty der BSW
       
       Erfurt/Dresden taz | Es sind sehr gute Ergebnisse für eine Partei, die es
       vor acht Monaten noch nicht gab. 12 Prozent sind es nach Hochrechnungen in
       Sachsen und 15 Prozent in Thüringen. Kein Wunder, dass am Sonntagabend
       BSW-Politiker das Wort „historisch“ benutzten. Einen so steilen politischen
       Aufstieg hat es selten gegeben. Noch nie gab es in der Bundesrepublik eine
       erfolgreiche populistische Partei, die sozial moderat linke mit
       migrationspolitisch rechten und wirtschaftsliberalen Elementen mixt. Neu
       ist auch, dass eine Partei mit so wenigen Mitgliedern [1][die politische
       Landschaft umpflügt]: in Sachsen und Thüringen jeweils weniger als 100.
       
       Auf der Wahlparty des BSW im Erfurter Dompalais ist der Andrang groß. Von
       einem „historischen Ergebnis“ sprach Landeschefin Katja Wolf, nachdem sie
       bei den ersten Zahlen aber eher verhalten geklatscht hatte. Die Partei
       liegt deutlicher hinter der CDU (24 Prozent) als erhofft. Ob es für eine
       Koalition reicht, ist unklar – selbst mit der SPD, die sich bereits als
       dritte Partnerin angeboten hatte.
       
       Den Anspruch, mitzuregieren, stützt offiziell auch Parteichefin [2][Sahra
       Wagenknecht], die zur Wahlparty nach Erfurt angereist ist. Als
       Namensgeberin liegt die Zustimmung zu großen Teilen an ihr. In den
       vergangenen Wochen tourte die gebürtige Jenaerin von Marktplatz zu
       Domplatz und schimpfte über die Bundesregierung und die Unterstützung der
       Ukraine.
       
       „Natürlich ist das eine große Verantwortung für uns“, sagte Sahra
       Wagenknecht bei der Wahlparty des BSW. „In Sachsen und Thüringen wollen die
       Menschen kein weiter so. Aber vor allem wollten sie eine neue
       Bundesregierung“, sagte Wagenknecht. „Wie die Ampelparteien abgeschmiert
       sind“ – es klingt höhnisch. Das BSW sei nun ein Faktor, der die Politik
       verändern könne und wolle.
       
       Dass es dazu in Thüringen kommt, dafür soll Katja Wolf sorgen. Die Ex-Linke
       und Ex-Oberbürgermeisterin von Eisenach gilt als pragmatisch. Ihren
       Parteiwechsel hatte sie damit begründet, einen Ministerpräsidenten Björn
       Höcke verhindern zu wollen. Dafür könnte sie nun mit der CDU unter
       Landeschef Mario Voigt koalieren. Allerdings kritisierte der zuletzt, dass
       sich Sahra Wagenknecht in die Koalitionsverhandlungen einmischen wolle. Die
       hatte angekündigt, das BSW könne nur mit jenen koalieren, die sich gegen
       die Stationierung von US-Raketen aussprechen. Wagenknecht zielt damit
       bereits auf die Bundestagswahlen.
       
       Die nächsten Tage werden zeigen, wie groß ihr Einfluss auf den
       Landesverband ist. Das BSW würde es ohne die Namensgeberin nicht geben.
       Aber ernst wurde das Projekt in Thüringen erst, als Wolf ihren Übertritt
       verkündete. Der Erfolg hat damit zwei Mütter. Nach der Wahl könnte das
       spannungsreich werden.
       
       ## Sachsen: Koalition mit der Staatspartei?
       
       Im Hotel Penck in Dresden unweit des Landtags ist die Stimmung glänzend.
       Vier Zahlen werden von dem ungefähr 100 BSW-Mitgliedern und -Fans bejubelt.
       Die FDP in Thüringen bei 1,3 Prozent, das eigene Ergebnis in Thüringen und
       Sachsen. Und, ganz demokraiefreundlich, die gestiegene Wahlbeteiligung in
       Sachsen, auf 73,5 Prozent. Als Jörg Schönenborn sagt, dass in Erfurt keine
       Regierung ohne das BSW möglich ist, brandet Applaus auf.
       
       Ob es dieses Szenario auch in Sachsen geben wird oder ob auch CDU, SPD,
       Grüne weiterregieren könnten ist zunächst noch unklar. Jörg Scheibe,
       Landesvorsitzender, braungebrannt mit rotem Schlips, sagt schon mal, man
       werde nicht „Steigbügelhalter für den Ministerpräsidenten sein“. Seine
       Co-Vorsitzende Sabine Zimmermann verspricht: „Mit uns wird es einen
       Neustart geben.“ Und: „Wir werden nicht der Mehrheitsbeschaffer sein.“ Die
       Angst als Newcomer von der CDU, die seit 34 Jahren regiert, über den Tisch
       gezogen zu werden, ist nachvollziehbar. In der neuen ungefähr 15-köpfigen
       Fraktion werden nur drei sein, die schon mal ein Parlament von innen
       gesehen haben.
       
       Das organisatorische Gerüst von BSW besteht auch hier aus
       Ex-Linkspartei-GenossInnen. Die Parteichefin Sabine Zimmermann war lange im
       Bundestag und nutzte das BSW, um ihre Karriere wiederzubeleben. Doch in den
       neuen BSW-Fraktionen sitzen auch politische Neulinge wie Zimmermanns
       Co-Vorsitzender Jörg Scheibe: Dem Unternehmer sagt man nach, dass er beim
       Job des Wirtschaftsministers nicht Nein sagen würde, Zimmermann steht
       Parteichefin Sahra Wagenknecht nahe. Und die hat in Sachen Waffen für die
       Ukraine und US-Raketen die Latte mit nicht gerade landestypischen Themen
       hoch gelegt.
       
       Rhetorisch aber achten die beiden ChefInnen an diesem Abend darauf, dass
       keine Löschblatt zwischen sie passt. Die Lage wird, gerade wenn es keine
       Mehrheit für CDU, SPD, Grüne geben sollte, noch schwierig genug. Christian
       Leye, BSW-Generalsekretär und eng bei der Parteichefin, sagt: Man sei
       bereit, „Verantwortung zu übernehmen, aber nicht um jeden Preis.“ Und den
       Preis nennt er im Nachsatz auch gleich: „ein Zeichen für den Frieden.“ Es
       wird kompliziert.
       
       Dieser Text wird im Laufe des Abends aktualisiert.
       
       1 Sep 2024
       
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