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       # taz.de -- Reaktionen auf Asylrechtsverschärfungen: Die Zurückhaltung der Grünen
       
       > Sie wandten sich vehement gegen Abschiebungen, nun sind die Grünen
       > auffällig still. Scharfe Kritik kommt nur aus der Grünen Jugend. Und aus
       > der SPD.
       
   IMG Bild: Die Grünen am Ende: Zustimmung für Abschiebungen nach Afghanistan (Archivbild 2019)
       
       Berlin taz | Ein Großteil der Grünen-Abgeordneten schweigt bisher zu den
       [1][Verschärfungen in der Asylpolitik], die die Bundesregierung am
       Donnerstag vorgestellt hat. Und an der [2][Abschiebung von verurteilten
       Verbrechern nach Afghanistan], die am Freitagmorgen öffentlich wurde, üben
       sie nur verhaltene Kritik. Das ist bemerkenswert, denn bis vor kurzem hatte
       sich die Partei noch vehement dagegen gewandt, Geflüchtete in das von den
       islamistischen Taliban beherrschte Land zurückzuzwingen.
       
       Bundesinnenministerin [3][Nancy Faeser (SPD)] und [4][Marco Buschmann
       (FDP)] hatten das Maßnahmenpaket am Donnerstag vorgestellt, mitverhandelt
       hatte auch Grünen-Vizekanzler Robert Habeck. Es sieht mehr Kompetenzen für
       Sicherheitsbehörden und deutliche Verschärfungen im Waffenrecht vor, vor
       allem aber auch weitere Einschränkungen für Geflüchtete.
       
       Sie sollen noch leichter abgeschoben werden können, wenn sie straffällig
       werden. Das soll auch Jugendliche betreffen. Geflüchtete, für deren
       Asylantrag nach dem Dublin-System andere EU-Staaten zuständig sind, sollen
       Sozialleistungen gestrichen werden, sofern der Aufnahmestaat sie auch
       tatsächlich zurücknehmen will. Auch das Ziel, wieder nach Syrien und
       Afghanistan abzuschieben, hatte Faeser am Donnerstag bekräftigt. Kurz
       darauf hob ein Abschiebeflieger mit 28 afghanischen Straftätern ab.
       
       Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke sagte der taz mit Blick auf
       die Abschiebung, „Schwerkriminelle können keinen Schutz erwarten.“ Es
       stellten sich aber „rechtliche Fragen, ob die Abschiebung am Freitagmorgen
       auf diese Weise hätte durchgeführt werden dürfen.“ Der Rechtsstaat zeichne
       sich „dadurch aus, dass Täter überführt und vor Gericht gestellt werden und
       ihre Strafe vollständig verbüßen“
       
       ## Keine Hysterie, mehr Integration
       
       Der grüne EU-Abgeordnete Erik Marquardt sagte der taz zum Abschiebeflug:
       „Niemand will diese schweren Straftäter in Deutschland behalten.“ Es gebe
       aber offene Fragen: Was hat Qatar dafür bekommen? Und was die Taliban? Bei
       letzteren handele es sich schließlich um „internationale Topterroristen,
       die unbedingt hoffähig werden wollen.“
       
       Man müsse „aufpassen, nicht aus der guten Absicht, gegen Islamismus
       vorzugehen, die härtesten Islamisten der Welt zu stärken.“ Es müsse
       außerdem unbedingt darauf geachtet werden, „dass nicht bald auch
       unschuldige Personen abgeschoben werden, die vor den islamistischen Taliban
       geflohen sind.“
       
       Das Maßnahmenpaket, das Faeser und Buschmann vorgestellt hatten, kritisiert
       Marquardt nicht grundsätzlich. „Das Asylrecht und der Schutz von Menschen
       in Not ist eine große Errungenschaft, auf die wir stolz sein sollten.“ Er
       warnt aber: „Ich wünsche mir sehr, dass nicht hektisch irgendwas
       beschlossen wird, sondern, dass im Gesetzgebungsverfahren sehr genau
       überlegt wird, was wirklich sinnvoll ist.“
       
       Die öffentliche Debatte drohe derzeit „in Hysterie zu verfallen“. Zu
       bedenken sei etwa, dass Schlechterstellung bestimmter Gruppen mitunter
       Radikalisierungsprozesse begünstigen könne. Zudem sei mit der Reform des
       Europäischen Asylsystems (GEAS) der Spielraum für nationale Vorstöße sehr
       klein geworden.
       
       Wirklich scharfe Kritik kam am Freitag nur von der Grünen Jugend. Katharina
       Stolla, eine der zwei Bundessprecherinnen, sagte der taz: „Das Asylpaket
       der Ampel ist die falsche Antwort auf die schreckliche Tat von Solingen.“
       Statt Islamismus effektiv zu bekämpfen, stellen die Pläne „ganze Gruppen
       unter Generalverdacht.“
       
       Die Kürzungen bei Dublin-Fällen seien nicht nur unwürdig, sondern liefen
       sogar Gefahr, dass die Betroffenen sich dadurch erst radikalisierten. Zu
       der Abschiebung nach Afghanistan sagte Stolla, diese sei „durch nichts zu
       rechtfertigen.“ Denn: „Straftäter gehören einem rechtsstaatlichen Verfahren
       zugeführt, Abschiebungen in den Tod dürfen nicht dazugehören.“
       
       ## SPD fordert mehr Geld für Prävention
       
       Härter als die Bewertungen in der Grünen-Fraktion war am Freitag auch die
       Reaktion der migrationspolitischen Sprecherin der SPD im Bundestag, Rasha
       Nasr. Zur Abschiebung nach Afghanistan sagte sie: „Wir tragen Verantwortung
       und dürfen uns nicht mit Regimen gemein machen, die wir in der kommenden
       Bundestagsdebatte wieder scharf kritisieren werden.“
       
       Am Maßnahmenpaket gegen Islamismus lobt sie die geplanten Verschärfungen
       beim Waffenrecht, mahnt aber: „Verstärkte Kontrollen, weitreichendere
       Kompetenzen der Polizeibehörden und der Einsatz von KI brauchen Augenmaß
       und müssen rechtssicher erfolgen.“
       
       Nasr fordert von der Bundesregierung insbesondere mehr Geld für
       Präventionsprojekte gegen Islamismus. Die Verschärfungen im Asylrecht seien
       genau das falsche Signal: „Pauschaler Leistungsentzug und die Ausweitung
       von Strafmaßnahmen gegen geflüchtete Jugendliche führen zu Ausgrenzung und
       Spaltung.“ Sie warnt: „Zusammen mit den Versäumnissen bei der Integration
       in Deutschland bilden sie den Nährboden für weitere Radikalisierung.“
       
       30 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
       
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