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       # taz.de -- AfD nach den Landtagswahlen im Osten: Höckes Wahlparty zu Gigi D’Agostino
       
       > Die AfD feiert ihre Wahlerfolge mit rassistischen Parolen und „L’amour
       > toujours“. Und will jetzt Fördermittel für demokratische Vereine
       > streichen.
       
   IMG Bild: Die Presse muss draußen bleiben: Björn Höcke bei der Ankunft am Gasthaus, in dem die Wahlparty der AfD stattfindet
       
       Erfurt/Berlin taz | Es war ein Abend ganz nach dem Geschmack von Björn
       Höcke: Die verhasste Presse hat seine AfD Thüringen von ihrer Wahlparty
       ausgeschlossen, sie musste vor der Tür warten. Drinnen stimmen Wahlhelfer
       kurz vor Bekanntgabe der ersten Zahlen die Melodie des von Rechtsextremen
       vereinnahmten Gigi-D’Agostino-Hits „L’amour toujours“ an und grölen:
       „Döp-dö-dö-dö, Döp-dö-dö-dö“.
       
       Der Song ist in den letzten Monaten zu so etwas wie dem Soundtrack der
       Selbstverharmlosung des Rechtsextremismus geworden, nachdem vielfach Videos
       bekannt worden sind, bei denen besoffene Jugendliche, handelsübliche
       Neonazis, aber auch Sylter Bonzenkids oder Sicherheitsleute in
       Flüchtlingsunterkünften auf die Melodie [1][den althergebrachten
       Nazi-Slogan] „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ singt.
       
       Höcke findet das witzig, [2][wie ein Video belegt], dass vom extrem rechten
       Magazin Compact ins Netz gestellt wurde. Er grinst, als die Melodie von
       rechtsextremen Aktivisten um ihn herum gesungen wird – kurz bevor das
       Wahlergebnis eingeblendet wird und das Lokal Hopfenberg in der Nähe des
       Thüringer Landtags im Jubel versinkt. Später, als Höcke bei der Party über
       die aus dem Landtag geflogenen Grünen spricht, grölen die Gäste der
       Wahlparty: „Ab-schie-ben!“
       
       Bei der Wahlkampf-Abschlussdemo der AfD tags zuvor gab es mehrfach
       Hitlergrüße, wegen derer die Polizei ermittelt. Und so erscheint es eher
       nach einem „deutschen Gruß“ als nach Zugeständnissen für ernstgemeinte
       Koalitionsverhandlungen, wenn Höcke vor dem Mikro des Politsenders Phoenix
       mit Blick auf von allen anderen Parteien ausgeschlossene Zusammenarbeit mit
       der extrem rechten Partei sagt: „Meine Hand ist ausgestreckt.“
       
       ## Sperrminorität in Thüringen
       
       Die AfD ist in die Landtage von Thüringen und Sachsen an diesem 1.
       September 2024 so stark wie nie zuvor eingezogen. Die New York Times
       verschickte das Ergebnis der Thüringer Landtagswahlen als besorgte
       Eilmeldung, dass die extreme Rechte in Deutschland erstmals seit der
       Nazi-Ära wieder eine Landtagswahl gewonnen habe.
       
       Es ist eine politische Zäsur: In Thüringen ist die AfD mit 32,8 Prozent
       stärkste Kraft und liegt mit zwei Sitzen über der Sperrminorität, kann also
       wichtige Entscheidungen mit einem Drittel der Mandate blockieren und
       Einfluss erpressen. Das gilt unter anderem für Verfassungsänderungen,
       Ernennungen von Richter*innen sowie die Besetzung des für die
       Überwachung des Verfassungsschutzes zuständigen parlamentarischen
       Kontrollgremiums. Ebenso steht der AfD als stärkste Kraft das erste
       Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten zu.
       
       Der Sozialwissenschaftler David Begrich findet es mit Blick auf die
       Normalisierung von Rechtsextremismus erschreckend, wie schnell viele
       Politiker*innen angesichts dieses tiefen Einschnitts zum politischen
       Alltag übergegangen sind – wenn etwa der CDU-Spitzenkandidat Michael
       Kretschmer plötzlich behaupte, dass die AfD eine normale Oppositionspartei
       sei – „gerade am Tag nach der Wahl muss man sagen: Nein, das ist sie
       nicht.“ Er habe das Gefühl, viele im politischen Berlin hätten den Schuss
       nicht gehört, „vielfach findet bereits wieder die übliche
       Vorwärtsverteidigung der eigenen Partei statt“, so Begrich.
       
       Ein Übergang zur Tagesordnung sei unangebracht: „Ostdeutschland ist für die
       extreme Rechte seit der Wiedervereinigung Testgelände Nummer eins. Alles,
       was die AfD im Osten abspielt, wird mit gewisser Zeitverzögerung auch in
       den AfD-Hochburgen im Westen ins Werk gesetzt.“ Es handele sich um einen
       Bruch in der politischen Kultur: „Die gegenwärtige Entwicklung im Osten hat
       das Potenzial, dieser Republik mindestens ein Bein wegzuhauen“, befürchtet
       Begrich. Umso wichtiger sei nun, jene Initiativen und Projekte zu
       unterstützen, die sich vor Ort noch für demokratische Kultur einsetzten.
       
       Wie zur Bestätigung sagte Thüringens AfD-Co-Chef Stefan Möller am Montag in
       Berlin, dass er die neu gewonnene Macht dafür einsetzen wolle, Fördermittel
       für demokratische Vereine zusammenzustreichen.
       
       2 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus249704710/Kaum-Distanzierung-der-AfD-Die-voelkisch-antisemitischen-Wurzeln-der-Parole-Deutschland-den-Deutschen.html
   DIR [2] https://x.com/IbDoku/status/1830322485637611875
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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