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       # taz.de -- Überschwemmungen in Europa: Luft voller Wasser
       
       > Die gewaltigen Regenmengen in Mitteleuropa lassen sich auf eine
       > Fünf-B-Wetterlage zurückführen. Wie ist der Zusammenhang mit dem
       > Klimawandel?
       
   IMG Bild: Über dem viel zu warmen Mittelmeer entwickeln sich heftige Unwetter
       
       Ursache des Starkregens war wieder eine [1][Fünf-B-Wetterlage]“, sagt Marco
       Manitta, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst DWD. Fünf-B heißt in der
       Fachsprache „Vb“, die Bezeichnung steht für die Zugbahn eines
       Tiefdruckgebiets: [2][Über dem Mittelmeer] saugt sich die Luft voller
       Wasser, die dann über Slowenien Richtung Ost-Mitteleuropa gelangt und viel
       Regen mit sich bringt.
       
       Mit bis zu 170 Millimeter Niederschlag fiel mancherorts binnen 24 Stunden
       in Tschechien so viel Regen wie sonst in drei Monaten. Ein Millimeter im
       Messbecher entspricht einem Liter Wasser pro Quadratmeter, die Behörden
       rechneten in Prag am Sonntag mit 1.000 Kubikmetern Moldauwasser pro Sekunde
       – und was dort fließt, kommt wenig später in Dresden an.
       
       Auch an der Donau steigen die Pegel, an der Kamp, einem
       niederösterreichischen Zufluss der Donau, befürchten die Behörden ein
       100-jährliches Hochwasser. Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet
       erklärt, in Tulln an der Donau kam ein Feuerwehrmann im Einsatz ums Leben.
       Landeshauptfrau (Ministerpräsidentin) Johanna Mikl-Leitner sprach von den
       „schwersten Stunden ihres Lebens“ für viele Menschen in dem Bundesland.
       
       „Wieder eine Fünf-B-Wetterlage“, sagt Wetterexperte Manitta, weil
       [3][vorherige Vbs] schwere Überschwemmungen zur Folge hatten: Das
       Oderhochwasser 1997 war genauso ein Vb wie das Elbehochwasser 2002, die
       Fluten an Elbe und Oder [4][im Jahr 2013] genauso wie die Überschwemmung in
       Slowenien und Kärnten 2023 und einige kleinere Katastrophen zwischendurch,
       wie das Alpenhochwasser 2005 oder die Flut in der Sächsischen Schweiz 2010.
       
       ## Indizien und Kalter Krieg
       
       Fragt sich: Was ist die Ursache für diese ungewöhnliche Wetterlage? „Die
       Wassertemperatur im Mittelmeer bewegte sich Anfang September auf
       Rekordkurs“, sagt Marco Manitta. Je wärmer die Oberflächentemperatur ist,
       umso mehr Wasser verdampft. Dazu kommt, dass dieses Tiefdruckgebiet
       zwischen zwei Hochs im Westen und Osten „eingeklemmt ist“, wie es der
       Meteorologe nennt: „Die Folge ist eine angespannte Dauerregen-Wetterlage.“
       Entwarnung könne auch am Wochenanfang nicht gegeben werden.
       
       Führt der Klimawandel zu einer Häufung solcher Wetterereignisse? „Dafür
       sprechen die Indizien“, sagt Uwe Kirsche, Sprecher des DWD. Wärmere Luft
       könne mehr Wasser aufnehmen, was die Wissenschaft mit der Gleichung von
       Clausius-Clapeyron beschreibt: Pro Grad zusätzlich speichert Luft
       demzufolge sieben Prozent mehr Wasserdampf. Seit 1881 ist es in Deutschland
       bereits rund 1,6 Grad Celsius wärmer geworden, weshalb Regenwolken heute
       mehr Wasser aufnehmen können. „Mehr Wasser bedeutet auch mehr Energie“,
       erklärt Kirsche, weshalb Vb-Wetterlagen auch mehr Zerstörung mit sich
       bringen.
       
       „Allerdings gibt es noch keine wissenschaftliche Evidenz, dass die
       Klimaerwärmung mehr Vb-Wetter nach Mitteleuropa bringt“, sagt Kirsche. Um
       fundierte Aussagen treffen zu können, betrachtet die Klimaforschung
       mindestens 30-Jahres-Zeiträume, der Deutsche Wetterdienst stellte seine
       Regenmessmethode vor 2023 um. Bis dahin waren einfache Messröhrchen an mehr
       als 2.000 Messpunkten im Einsatz, an denen die Regenhöhe in Millimetern
       abgelesen wurde.
       
       Seit 2001 werden dafür nun jene 17 Radarstationen genutzt, die während des
       Kalten Kriegs feindliche Kampfjets aufspüren sollten. „Dank der
       Radaranlagen können wir Starkregenereignisse wesentlich zuverlässiger
       erfassen“, sagt Andreas Becker, Niederschlagsexperte beim DWD. Und jedem
       Internetnutzer ermöglichen, per Wetter-Apps übers Land ziehende
       Regenfronten zu verfolgen.
       
       ## Menschen sterben
       
       Statistisch jedenfalls haben die Vb-Wetterlagen rasant zugenommen: Gab es
       sie früher einmal in einhundert Jahren, so ist dieses Vb-Tief bereits das
       dritte dieses Jahr. In Deutschland waren die Überschwemmungen in
       Rheinland-Pfalz und in Süddeutschland im Frühjahr Folgen von Vb. „Diesmal
       wird Deutschland vergleichsweise glimpflich davonkommen“, sagt Meteorologe
       Marco Manitta.
       
       Er nennt es einen „Streifschuss“: Die Regenmassen ergießen sich weiter
       östlich, in Polen kam bislang ein Mensch ums Leben, in Rumänien ertranken
       vier Menschen.
       
       15 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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