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       # taz.de -- Tupperware und Frauen: Die Welt, so eng wie eine Tupperparty
       
       > Von wegen lebenslange Garantie! Die drohende Tupperware-Insolvenz
       > irritiert. Denn die Dosen stehen für haltbar gemachte Ungleichbehandlung
       > der Frau.
       
   IMG Bild: Die Frauen machten ihr Tupper-Ding, und die Männer was anderes
       
       Wahnsinn, was Nachrichten über Brotdosen so für Gefühle auslösen können.
       Tupperware – oh my God! – steht wohl vor dem Insolvenzverfahren. [1][So
       meldet es jedenfalls die Agentur Bloombe]rg unter Berufung auf mit den
       Vorgängen vertrauten Personen. Diese Meldung können wir nicht einfach so
       wegtuppern (sorry, das musste jetzt sein, und ja, das Verb wird auf
       Foodblogs wirklich verwendet!).
       
       Tupper ist natürlich so ähnlich wie der Stuttgarter Daimler und die Post
       und die Sparkasse schon lange viel größer als das Auto oder die Sondermarke
       oder in dem Fall: die Kunststoffdose selbst. Tupper, das ist so ein Stück
       bundesrepublikanische Vergangenheit, als die Welt identititätspolitisch
       noch schwarz-weißer erschien. Zumindest war sie das in den 1990ern, als die
       Autorin dieser Zeilen in der ostwestfälischen Provinz heranwuchs und
       schnell wusste, auf welche Party sie später mal nicht gehen wollte: In
       regelmäßigen Abständen trafen sich da die Tanten und die Freundinnen der
       Mutter bei Buttercremetorte und Filterkaffee – der Cappuccino war in
       Ostwestfalen noch nicht erfunden –, um Salatschleudern und Schüsseln und
       Frischhaltedosen und anderen Plastikkrempel zu tauschen und vor allem: bei
       der Tupperware-Vertreterin zu erwerben.
       
       Tupper, das konnten die Freundinnen meiner Mutter gar nicht oft genug
       sagen, Tupper hält ja lebenslang. Lebenslange Garantie! Und man darf sich
       durchaus fragen, ob die Entscheidung für die lindgrüne Salatschüssel mit
       dem kackbraunen Deckel dadurch nun einfacher oder schwerer fiel. Jedenfalls
       machten die Frauen, die ja Zeit hatten nach dem Essenkochen für die Kinder,
       die mittags aus der Schule kamen, weil so etwas wie Nachmittags-Schulhort
       auch noch nicht erfunden war und sie deshalb maximal vormittags in der
       Sparkasse arbeiten konnten: Die Frauen machten da immer ihr Tupper-Ding,
       und die Männer – machten was anderes.
       
       ## Küchenrollehalter – aber zu welchem Preis?
       
       Auf Tupperpartys gab es Frankfurter Kranz und Schwarzwälder Kirsch und
       Bärenmarke-Kondensmilch, die entweder in Sahnekännchen umgefüllt wurde oder
       in diesen kleinen Plastikeinzelportionen kam, und wer da keine Beklemmungen
       bekam, feiert vermutlich heute noch Tupperpartys.
       
       Denn ja, es gibt sie noch. Auf der Website des übrigens amerikanischen
       Unternehmens – 1938 von einem ungelernten Landarbeiter namens Earl Silas
       Tupper gegründet, der nach einer Stippvisite in einer Chemiefabrik mit
       leichten Kunststoffen experimentiert haben soll – auf der Tupperwebsite
       also kann man sich als Gastgeber/ -in (!) registrieren lassen. Dann lädt
       man – „die Idee ist, all deine Lieblingsmenschen zu versammeln“ – möglichst
       viele Menschen ein, die sich möglichst viele neue Dosen wünschen. Ab 250
       Euro Umsatz bekommt die Gastgeber/ -in nämlich einen Küchenrollehalter oder
       50 Prozent Rabatt auf ein Produkt ihrer Wahl aus dem aktuellen
       Tupperware-Katalog.
       
       Da kann man sich natürlich nun super drüber lustig machen. Aber eigentlich,
       und das ist jetzt ziemlich traurig, ist Tupper ganz zeitgeistig. Kann sein,
       das die Buttercreme inzwischen vegan ist und auch Männer Brotdosen kaufen,
       aber an den wesentlichen Dingen, die die Welt für Frauen so eng macht wie
       eine Tupperparty, hat sich ja nicht viel geändert.
       
       ## Immer noch Gender-Gap auf dem Arbeitsmarkt
       
       Und nun kann man viel Statistik über fehlende Gleichberechtigung anführen:
       Die bei unglaublichen [2][3 Prozent dümpelnde Elternzeitquote bei Vätern
       (Frauen mit Kindern unter drei Jahren: rund 44 Prozent)] zum Beispiel. Der
       höhere Teilzeitanteil bei Frauen, die ungleiche Bezahlung selbst für die
       gleichen Jobs. Es gibt den Gender-Gap-Arbeitsmarkt vom Statistischen
       Bundesamt, der solche Indikatoren zusammenfasst. [3][2023 lag er bei 39
       Prozent]. Je höher er ist, desto ungleicher die Situation auf dem
       Arbeitsmarkt. Seit 2014 ist er um gerade mal 6 Prozentpunkte gesunken.
       
       Diese Dinge sollten einem durchaus bundesrepublikanische Beklemmungen
       verursachen. Man kann nur hoffen, aber das wird ja nicht so sein, dass sie
       mit Tupper insolvent gehen. Und was man daraus lernt? Dass früher auch
       nicht alles schlimmer war als heute. Was uns wiederum dringend an der
       Gegenwart etwas ändern lassen sollte.
       
       Die Erfinderin von Tupperpartys, weil es für Earl Silas Tupper mit seinen
       Dosen zunächst gar nicht so gut lief, war übrigens eine Frau. Sie wurde
       Leiterin der Verkaufsabteilung. Ob sie Buttercreme mochte, ist nicht
       bekannt.
       
       17 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-09-16/tupperware-brands-mulls-bankruptcy-as-revival-plans-falter
   DIR [2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-3/elternzeit.html
   DIR [3] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/03/PD24_083_621.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
       ## TAGS
       
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