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       # taz.de -- Bürgerinitiative gegen Bahnhofsverlegung: Über den Gleisen
       
       > Die Bürgerinitiative „Prellbock Altona“ kämpft unverdrossen gegen die
       > Verlegung des Bahnhofs Hamburg-Altona. Die hohen Bahnschulden machen ihr
       > Hoffnung.
       
   IMG Bild: Der Bahnhof Altona (vorne) ist als Kopfbahnhof ein zentraler Teil des Stadtteils. Ihn zu verlegen finden keineswegs alle richtig
       
       Hamburg taz | Der Blick von hier oben ist grandios. Vom obersten Deck das
       Bahnhofsparkhauses aus, wo, wie man hört, nachts auch mal Partys gefeiert
       werden, schaut man über die Zuggleise, die aus der [1][Bahnhofshalle]
       hervorkommen und sich immer weiter verzweigen. Es ist ein Meer von Gleisen,
       die rechts und links um einen alten Wasserturm herumlaufen, am
       Neubaustadtteil „Mitte Altona“ vorbei, und in der Ferne eine große
       Rechtskurve machen, Richtung Hamburger Hauptbahnhof.
       
       „Da hinten, sehen Sie?“, sagt Michael Jung, der Sprecher der
       Bürgerinitiative „[2][Prellbock Altona]“, und zeigt auf ein gelbes Hochhaus
       in der Ferne. „Da ist der Diebsteich, da soll der neue Bahnhof hin.“
       
       Jung, durchtrainiert und braungebrannt, steht er am Parkdeck-Geländer,
       Sportschuhe an den Füßen, sein Käppi hat er abgenommen. Früher war er
       Manager, die letzten Jahre seines Berufslebens hatte er mit
       Bahnfinanzierung zu tun, „da schaut man sich die Projekte näher an“.
       
       Und was er bei der Deutschen Bahn sah, fand er problematisch, höchst
       problematisch: das Schienennetz vernachlässigt, nur auf Prestigeprojekte
       gesetzt. Kein Wunder, dass die Deutsche Bahn in der Krise steckt.
       
       Jungs Mitstreiter bei „Prellbock Altona“ sehen das ähnlich. Zu dem kleinen
       Ortstermin auf das Parkhausdeck sind spontan dazugekommen: Christine
       Zander, Art-Direktorin, und Ernst-Günter Lichte, ehemaliger Eisenbahner und
       jetzt Rentner. „Heinz-Günter, siehst du die 110? Wunderschön!“, sagt Jung
       und zeigt auf eine gelbe Lok, die ganz rechts vor dem Intercity-Hotel auf
       dem Gleis steht.
       
       ## Hinter den Altbaufassaden
       
       Intercity-Züge kommen von ganz hinten um die Kurve, verschwinden hinter den
       Altbaufassaden in der ersten Reihe von Ottensen und tauchen wieder auf,
       bevor sie in den Kopfbahnhof einfahren, der bis auf Weiteres noch in
       Betrieb ist. „Ja warum hält der denn schon da?“ – „Seltsam, ich versteh das
       auch nicht.“
       
       Zander ist als Anwohnerin zur Prellbock-Initiative gekommen, weil sie es
       sehr befremdlich fand, dass so ein gut funktionierender Bahnhof wie der in
       Altona, der ein wenn vielleicht auch hässliches, so doch funktionierendes
       Herz des Stadtteils ist, einfach so verlegt werden kann.
       
       Jung und Lichte sind Experten. Sie kennen alle Zahlen und Gleisverläufe,
       sie wissen, wie viele Züge pro Stunde wo durchmüssen und wo die
       [3][Engstellen sind], sie kennen die Planungen der Deutschen Bahn und die
       Alternativen, die leider in der Politik überhaupt nicht diskutiert werden,
       höchstens mal in einem Antrag der Linkspartei.
       
       „Die Bahn ist ein komplizierter Zusammenhang von Menschen. Technik und
       Zeit“, sagt Michael Jung. Ein wenig steht man hier oben so wie bei einer
       Modelleisenbahn, nur dass da unten alles echt ist, und es fehlen auch die
       Regler und Schalter, um die Züge zu bedienen oder vielleicht eher noch: das
       System Bahn zu steuern.
       
       Denn das tun andere, die Bahnchefs, von denen Jung und auch Lichte nicht
       viel halten, weil sie „keine Ahnung von Eisenbahn haben, leider“. Zum
       Beispiel: Die meisten Fahrgäste fahren gar nicht im Fernverkehr, sondern im
       Nahverkehr und in Regionalzügen. Deswegen müsste das die Priorität sein,
       nicht irgendwelche teuren Hochgeschwindigkeitsstrecken, aber das verstehen
       die Bahnmanager nicht oder wollen es nicht verstehen, weil sie nur ihre
       Prestigeprojekte im Sinn haben.
       
       Die „unsinnige“ Idee, die Kopfbahnhöfe abzuschaffen [4][wie in Stuttgart]
       oder eben auch hier in Altona, gehört dazu. Tatsächlich sieht es auch hier
       so aus, dass der neue Bahnhof Diebsteich, der den alten Kopfbahnhof von
       Altona ersetzen soll, [5][nicht wie geplant fertig wird], zumindest nicht
       das Bahnhofsgebäude.
       
       ## Links um den Wasserturm herum
       
       Die Kapazitäten des neuen Bahnhofs, sagt Lichte, würden auch nicht
       ausreichen, um den geplanten „Deutschlandtakt“ im Fernverkehr zu schaffen.
       Sechs Gleise seien zu wenig. Der alte Kopfbahnhof mit seinen zwölf Gleisen
       dagegen hätte damit kein Problem, sogar der auf ehemaligem Bahnhofsgelände
       errichtete neue Stadtteil Mitte Altona könnte weiter in den Bereich
       hineingebaut werden, wo jetzt noch Schienen sind. Die Züge würden dann dort
       hinten links um den alten Wasserturm herumgeführt, der ja stehen bleiben
       soll.
       
       Für die Mitte Altona würde das bedeuten: ein paar hundert Wohnungen
       weniger. Aber, Altona hätte weiter einen funktionierenden Bahnhof,
       barrierefrei, mitten im Stadtteil und nicht irgendwo im Niemandsland.
       
       Glaubt Prellbock Altona denn wirklich, dass die Bahn noch mal ihre Pläne
       ändert, da die Bauarbeiten doch schon längst begonnen haben? Michael Jung
       wiegt den Kopf. „Die Zahlen sind ja schlecht, [6][viele Milliarden
       Schulden]. Vielleicht kommen sie ja doch zur Besinnung.“ Hoffen kann man ja
       immer.
       
       23 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bahnhof-Altona/!t5012021
   DIR [2] /Streit-um-Verlegung-des-Bahnhofs-Altona/!5617558
   DIR [3] /Neuer-S-Bahn-Tunnel-fuer-Hamburg/!5968144
   DIR [4] /Stuttgart-21/!6013460
   DIR [5] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/S-Bahnhof-Diebsteich-in-Hamburg-Wiedereroeffnung-verzoegert-sich-weiter,diebsteich196.html
   DIR [6] /Bilanz-der-Deutschen-Bahn/!6022807
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Wiese
       
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