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       # taz.de -- Folgen der Pandemie: Viel Lärm um Lockdowns
       
       > Gibt es bei Jugendlichen neurologische Probleme ausgelöst durch die
       > Corona-Lockdowns? Expert*innen sind nicht überzeugt von entsprechenden
       > Studien.
       
   IMG Bild: Die Daten der Studie erscheinen nicht überzeugend (Symbolfoto)
       
       „Hinweise auf schnellere Hirnalterung bei Jugendlichen durch
       Corona-Lockdowns“, titelte der MDR und blies ins selbe Horn wie zuvor die
       New York Times und der Guardian. Eine US-amerikanische Studie berichtet von
       verstärkter Ausdünnung in der Hirnrinde junger Mädchen. Was an sich ein
       Teil des natürlichen Reifungsprozesses ist, kann als verfrühte Entwicklung
       auch auf Stress oder späteren neuropsychiatrische Probleme hindeuten. Aber
       was ist dran an den Ergebnissen dieser Studie?
       
       Nicht viel, wenn es nach den unabhängigen Expert*innen geht, die das
       [1][Science Media Center] um Einordnung bat. Das Fazit von fünf Befragten
       des Forschungsfelds: Die Daten seien nicht überzeugend und widersprüchlich
       zu vorangegangener Forschung.
       
       Zum einen ist [2][die Studie] sehr klein. Die Vergleichsgruppe nach der
       Pandemie besteht nur aus je acht bis zehn Jungen und Mädchen pro
       Altersgruppe. Zum anderen verwundert es, dass die Forschenden ihre
       Ergebnisse so eindeutig auf den Lockdown zurückführen. Denn als Beleg
       dient einzig der Zeitrahmen: Die Veränderungen in der Hirnrinde finden sich
       zwischen 2018 und 2021/22. Das sei, so Rebecca Sheriff von der Universität
       Oxford, nicht ausreichend, um einen Ursachenzusammenhang festzustellen.
       
       Nach Daten, die diesen untermauern könnten, fragt die Studie nicht: Von
       welchen Regelungen die Jugendlichen wie stark betroffen waren, wie viele
       Sozialkontakte sie daheim hatten, ob sie sich depressiv oder einsam gefühlt
       haben. Alternative Stressfaktoren während der Pandemie – wie
       Zukunftsängste, familiäre Arbeitslosigkeit, Social-Media-Konsum oder
       Angehörige unter den ersten 600.000 Toten der Pandemie – wurden ebenfalls
       nicht erhoben.
       
       Auch dass viele Jugendliche selbst infiziert waren, schien den Forschenden
       für ihre Berechnungen nicht relevant. Das überrascht, denn immer mehr
       Studien beschäftigen sich mit den möglichen neurologischen Effekten von
       Covid. Auch bei Schüler*innen zeigen sich diese Folgen mitunter
       langfristig, in Form von [3][anhaltender Müdigkeit], kognitiven oder
       emotionalen Schwierigkeiten. Oder eben als Anomalien auf Gehirnscans.
       
       Dass Mädchen stärker betroffen seien, bestärkt aus Sicht der Autor*innen
       die These vom Isolationseffekt der Lockdowns. Frauen und Mädchen seien
       stärker auf soziale Kontakte angewiesen, die ausgedünnten Gehirnregionen
       allesamt an sozialer Kognition beteiligt. Das wirkt nicht nur reichlich
       stereotyp, sondern blendet einmal mehr andere Erklärungsansätze aus. Wie
       zum Beispiel die Tatsache, dass der ausdünnungsbasierte Reifungsprozess im
       Gehirn von Mädchen im Schnitt ein bis zwei Jahre früher einsetzte als bei
       Jungen, merkt Professorin Lise Eliot gegenüber dem Science Media Center
       an. „Nicht zuletzt dies macht den Vergleich fragwürdig.“
       
       20 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.sciencemediacenter.de/angebote/effekt-von-covid-19-lockdown-auf-die-gehirnentwicklung-bei-kindern-24127
   DIR [2] https://doi.org/10.1073/pnas.2403200121
   DIR [3] /Post-Covid-Long-Covid-und-ME/CFS/!6006017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franca Parianen
       
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