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       # taz.de -- ZSK-Frontmann Joshi über Rechte: „Schwer, da ruhig zu bleiben“
       
       > Die Punkband ZSK spielt vor der Wahl ein Konzert in Brandenburg. Sänger
       > Joshi über das Engagement der Band und seine Sorge vor einer
       > AfD-Machtübernahme.
       
   IMG Bild: Vorsänger gegen rechts: ZSK-Frontmann Joshi singt bei der Demonstration gegen den AfD-Bundesparteitag Ende Juni in Essen
       
       taz: Joshi, warum spielen Sie am Vorabend der brandenburgischen
       Landtagswahl in Potsdam?
       
       Joshi: Wir wollen ein großes Fest des Widerstands feiern. Alle Menschen aus
       der Zivilgesellschaft sind eingeladen, sich wohl zu fühlen, Kraft zu tanken
       und gestärkt aus diesem Tag hervorzugehen. Denn die nächsten Monate und
       Jahre werden wirklich sehr hart. Wir hoffen natürlich auch, dass diese
       Veranstaltung Menschen motiviert, demokratisch wählen zu gehen. Und wir
       wollen, dass sich zum Beispiel in München jemand darüber freut, dass in
       Potsdam so ein tolles Event war! Im Februar habe ich selbst die Demos gegen
       rechts in Hamburg, München und anderswo verfolgt. Das macht mir jedes Mal
       Mut, wenn man erlebt, dass man nicht allein auf verlorenem Posten steht.
       
       taz: [1][ZSK tritt mit Madsen und den Sportfreunden Stiller auf]. Warum
       drei westdeutsche Bands? 
       
       Joshi: Wir leben seit 20 Jahren in Berlin. Und die Unterscheidung zwischen
       Ost und West finde ich überholt. Wir sitzen da alle im gleichen Boot. Mir
       ist egal, woher jemand kommt – wer an diesem Tag ein Zeichen für Demokratie
       setzen will, ist willkommen.
       
       taz: Es hätte doch aber sicher auch weitere Bands fürs Line-up gegeben? 
       
       Joshi: Klar, aber die Terminkalender sind oft voll. Ich sehe das so: Es
       gibt ein paar Bands, beispielsweise [2][Feine Sahne Fischfilet] und uns,
       die bei Konzerten gegen rechts immer ganz vorne dabei sind. Aber es wäre
       toll, wenn wir das bald auf mehr Schultern verteilen könnten. Stellt euch
       mal vor, 20 coole große deutsche Bands aus allen möglichen Genres würden
       sagen: Wir spielen zweimal im Jahr in kleinen Orten, in denen die Leute
       Unterstützung brauchen. Das wäre großartig!
       
       taz: Wie hat sich die von Ihnen gestartete Initiative „Kein Bock auf Nazis“
       seit 2006 entwickelt? 
       
       Joshi: Damals war das noch eine kleine Sache, die wir als Band so nebenbei
       gemacht haben. Eigentlich haben wir immer nur investiert, weil wir es
       wichtig fanden (lacht). Heute ist das eine große Kampagne mit jährlich über
       100 Infoständen bei Veranstaltungen, etwa bei Rock im Park oder auf Tour
       mit den Toten Hosen und den Ärzten. Wir haben acht feste Mitarbeiter und
       können wirklich etwas bewegen. Im Vergleich zu NGOs wie Sea Watch oder
       Greenpeace sind wir natürlich nur ein winziges Sandkorn, aber wir erreichen
       viele Menschen.
       
       taz: Die politische Lage ist heute sehr viel ernster als bei der Gründung,
       oder? 
       
       Joshi: Definitiv. Noch nie war die Demokratie in Deutschland so bedroht.
       Dass rechtsextreme Parteien Landtagswahlen gewinnen, ist ein historischer
       Tiefpunkt. Vielleicht kommt am Sonntag mit Brandenburg ein weiteres
       Bundesland hinzu. Das könnte eine Zäsur sein. Es fällt mir schwer, da ruhig
       und gelassen zu bleiben. Ich könnte jeden Tag schreien. Aber statt zu
       resignieren, sage ich: jetzt erst recht! Wir überlassen denen nicht das
       Feld.
       
       taz: Haben Sie Ihre Strategie im Lauf der vergangenen Jahre angepasst? 
       
       Joshi: Ja, wir warnen nicht mehr nur vor der AfD. Wer sie jetzt bei der
       Landtagswahl noch wählt, tut das bewusst: nicht obwohl, sondern weil sie
       rassistisch ist. Unser Fokus liegt jetzt darauf, engagierte Menschen zu
       unterstützen, die weiter für Demokratie und Menschenrechte kämpfen.
       
       taz: Wie sieht diese Unterstützung konkret aus? 
       
       Joshi: Wir versenden Tausende Aktionspakete kostenlos an Jugendzentren in
       ganz Deutschland und an Engagierte, die sich darüber freuen. Wir haben mehr
       als 1,5 Millionen Flyer, Sticker, Poster und so weiter gedruckt. Am Ende
       kannst du sagen: Ja, lächerlich. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber wir
       haben es wenigstens versucht. Selbst wenn wir nur geholfen haben, dass all
       diese coolen alternativen Projekte in den betroffenen Bundesländern die
       nächsten Jahre durchhalten und einen langen Atem behalten, allein dann hat
       sich das alles gelohnt.
       
       taz: Hatten Sie schon mal mit rechten Sympathisanten im Publikum zu tun? 
       
       Joshi: Wir haben neulich auf einem kleinen Dorffestival gespielt und da kam
       jemand im Punkshirt zum Merchandise und meinte, unser Konzert sei super
       gewesen. Er wollte mir aber auch sagen, dass er unseren Hass auf die AfD
       nicht versteht. Das wäre ja übertrieben. Ich habe ihn dann gefragt: Was
       meinst du, was passiert, wenn in diesem Land Faschisten an die Macht
       kommen? Meinst du, die sagen dann zu ihren Gegnern: Schon gut, macht ruhig
       weiter. Nein, Mann!
       
       taz: Was befürchten Sie im Fall einer AfD-Landesregierung? 
       
       Joshi: Ich habe auf der Bühne gesagt, dass es keine Festivals wie dieses
       mehr gäbe, wenn die AfD es allein bestimmen könnte, und dass viele
       ehrenamtliche Helfer wahrscheinlich im Gefängnis wären. Man muss das doch
       mal zu Ende denken, bis in fünf oder zehn Jahren. Viele wollen nicht
       kapieren, was eine AfD-Regierung für ihr Leben bedeuten würde, wenn die
       wirklich alles in diesem Land entscheiden könnten. Die hören zu Hause
       vielleicht die Toten Hosen im Radio und finden das cool. Aber wenn die AfD
       das könnte, wären die Toten Hosen im Radio wahrscheinlich verboten, weil
       sie Gegner dieser Partei sind!
       
       taz: Was hat sich im Kampf gegen rechts verändert? 
       
       Joshi: Die Welt ist komplexer geworden, und einfache Antworten sind
       verlockend. Es ist auch ein Problem der radikalen Linken, dass wir auf
       viele brennende Fragen dieser Welt keine oder nur sehr schwer vermittelbare
       Antworten haben. Uns geht es darum, dass alle Menschen in Frieden leben
       können.
       
       Als Rechter ist dir das scheißegal. Du hast ein sehr enges Feld an Leuten,
       die dich interessieren. Alle anderen sind dir gleichgültig. So macht man
       sich die Welt schön einfach.
       
       taz: Kann Punkrock noch etwas bewirken? 
       
       Joshi: Auf jeden Fall! Wir sind für viele Leute der Soundtrack für ihr
       politisches Engagement. Unsere Musik gibt ihnen Kraft. Ich habe zum
       Beispiel auf dem Bundesparteitag der AfD in Essen ein kurzes Akustikset auf
       einem Lautsprecherwagen gespielt, und viele Menschen haben mir später
       gesagt, wie sehr sie das motiviert hat. Dabei kam ich mir fast lächerlich
       vor, dass ich nur so wenig mache, dass ich nicht etwa mithelfe, die Straße
       zu blockieren. Bands wie [3][The Clash] oder Rage Against The Machine waren
       der Soundtrack von Protestbewegungen. Musik kann Menschen verbinden und Mut
       machen.
       
       taz: „Die Kids sind okay“, singen Sie auf Ihrem aktuellen Album. Die
       meisten Erstwählenden in Thüringen und Sachsen stimmten aber für die AfD.
       Haben Sie sich geirrt?
       
       Joshi: Bei unseren Fans auf jeden Fall nicht. Wir haben das große Glück,
       dass bei uns immer wieder junge Fans nachwachsen, die mega engagiert sind:
       ob bei Ende Gelände, Fridays for Future oder in einer Antifa-Gruppe. Die
       schreiben uns oft, dass sie durch uns Demos oder Konzerte gegen rechts
       organisieren. Das gibt mir Hoffnung. Natürlich ist das nur ein winziger
       Bruchteil der jungen Leute in Deutschland. Keine Frage, wir sind nicht Nina
       Chuba oder die 187 Strassenbande. Oder gar Taylor Swift.
       
       taz: Sie wollen doch überzeugen? 
       
       Joshi: Ich bin in erster Linie Musiker und in zweiter Linie politischer
       Aktivist. Ich habe die Musik nicht gewählt, um möglichst viele Menschen zu
       erreichen, sondern weil Punkrock live eine geile Sache ist. Dass wir damit
       nie den Mainstream erreichen können, ist uns völlig klar. Aber ich kann von
       der Musik leben, Menschen bewegen, und das ist wunderschön.
       
       taz: Befürchten Sie Übergriffe beim Konzert? 
       
       Joshi: In Potsdam nicht. Das ist eine stabile Stadt mit vielen tollen
       Menschen. Bei anderen Konzerten, wie demnächst in Sonneberg, kann das
       anders sein, da gibt es spezielle Sicherheitsvorkehrungen. Aber in Potsdam
       wird es ein Riesenfest der Freude – mit Hüpfburg und Kinderbands. Für alle,
       die stabil bleiben wollen, ist was dabei. Kommt rum!
       
       20 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://aktionsbuendnis-brandenburg.de/event/kundgebung-in-potsdam-stabil-bleiben-gegen-den-rechtsruck/
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       ## AUTOREN
       
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