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       # taz.de -- Krieg im Gazastreifen: Das Zittern um die Geiseln
       
       > Die Hamas-Führung droht implizit damit, Geiseln bei Näherrücken des
       > Militärs zu töten. Das facht die Proteste gegen Netanjahus Regierung
       > weiter an.
       
   IMG Bild: Der Protest gegen die Regierung wächst
       
       London/Berlin taz | Was Abu Obeida, Sprecher des militanten Flügels der
       Hamas, am späten Montag sagt, bestätigt eine der wohl größten Sorgen vieler
       Israelis in Bezug auf die noch immer etwa einhundert im Gazastreifen
       verbliebenen Geiseln. Nach der Rettung von vier Geiseln im Juni habe man
       den Bewachern der Geiseln neue Anweisungen erteilt für den Fall, dass sich
       israelische Soldaten dem Ort, an dem diese festgehalten werden, nähern.
       
       Die genaue Natur der Anweisungen führte er nicht aus – doch die Botschaft
       scheint klar. „Netanjahus Beharren darauf, die Gefangenen durch
       militärischen Druck zu befreien, anstatt eine Einigung zu erzielen“,
       erklärte Abu Obeida, „bedeutet, dass sie in Leichentüchern zu ihren
       Familien zurückgebracht werden.“
       
       [1][Als Israels Militär am Wochenende sechs getötete Geiseln aus Südgaza
       barg], wurde schnell bekannt gegeben: Militante erschossen die sechs
       Geiseln wohl recht kurz vor dem Eintreffen der israelischen Soldaten. Seit
       dem Fund [2][der sechs Leichen] flammen in Israel die Proteste gegen
       Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Gaza- und Geiselpolitik neu
       auf. [3][Ein Generalstreik musste am Montag frühzeitig beendet werden, doch
       die Angehörigen der Geiseln kündigten weitere Proteste an.]
       
       Einlenken wollte Netanjahu am Montagabend jedoch nicht und erklärte, es sei
       eine „strategische Notwendigkeit“, dass israelische Truppen den
       Philadelphi-Korridor an der Grenze des Gazastreifens und Ägyptens weiter
       kontrollierten. Diese Bedingung gilt als derzeit wohl größte Differenz
       zwischen Israel und der Hamas und damit als größtes Hindernis in
       Verhandlungen rund um einen Deal.
       
       ## UK entzieht einige Waffenexportlizenzen
       
       Derweil tut sich für Israel auf internationaler Ebene ein neuer Konflikt
       auf: Der britische Außenminister David Lammy erklärte am Montag im
       Unterhaus, dass 30 von 350 Waffenexportlizenzen Großbritanniens an Israel
       entzogen würden. Es bestehe ein „deutliches Risiko“, dass die exportierten
       Waffen bei Verletzungen des Völkerrechts eingesetzt werden könnten.
       
       Lammy hatte nach seinem Amtsantritt eine interne Untersuchung eingeleitet,
       welche die Legalität von Exporten nach Israel überprüfen sollte. Bereits
       die Vorgängerregierung hatte die rechtliche Lage der Waffenexporte nach
       Israel untersuchen lassen. Damals wurden sie jedoch weiter zugelassen.
       
       Militärstrategisch dürfte die Entscheidung für Israel wenig ins Gewicht
       fallen: Nur 0,02 Prozent aller nach Israel gelieferten Waffenexporte kommen
       überhaupt aus dem Vereinigten Königreich. Die Entscheidung der britischen
       Regierung wird deshalb vor allem als symbolisch eingestuft.
       
       ## Kritik aus Israel und von jüdischen Organisationen
       
       Netanjahu bezeichnete die Ankündigung sogleich als „beschämend“. Man werde
       den Krieg gegen die Hamas mit oder ohne britische Unterstützung gewinnen,
       betonte er. Die „missgeleitete Entscheidung“ Londons würde die Hamas „nur
       ermutigen“.
       
       Verurteilungen kamen in Großbritannien auch vonseiten des britischen
       Oberrabbiners Sir Ephraim Mervis und des Vorsitzenden des Dachverbands
       „Board of Deputies of British Jews“, Phil Rosenberg. Während Kritik auch
       aus konservativen Kreisen laut wurde, begrüßten viele Labourabgeordnete aus
       dem linken Flügel sowie die Grünen die Maßnahmen – sagten aber gleich, sie
       gingen nicht weit genug.
       
       3 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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