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       # taz.de -- Stationierung von Mittelstreckenraketen: Versuch einer Erklärung
       
       > Olaf Scholz nimmt symbolisch ein Luftverteidigungssystem in Betrieb und
       > verteidigt dabei die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen.
       
   IMG Bild: Olaf Scholz und Boris Pistorius nahmen das neue Luftabwehrsystem Iris-T SLM symbolisch in Betrieb
       
       Berlin taz | Als Olaf Scholz im Juli beim Nato-Gipfel in Washington [1][en
       passant verkündete], dass in Deutschland demnächst amerikanische
       Mittelstreckenraketen stationiert werden, brach eine Welle der Empörung
       über ihm zusammen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht sprach von einem
       „wahnsinnigen Kurs der Aufrüstung und Eskalation“ und kapitalisierte das
       Thema im Wahlkampf. [2][Selbst SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich äußerte
       Unverständnis]. Nun, fast zwei Monate später, versucht der Bundeskanzler
       die Entscheidung öffentlich einzuordnen.
       
       Am Mittwoch besuchten Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius
       (SPD) den Bundeswehrstandort Todendorf in Schleswig-Holstein und nahmen
       dort das neue Luftabwehrsystem Iris-T SLM symbolisch in Betrieb. Es dient
       dem Schutz von bewohnten Gebieten, Gebäuden und Anlagen, indem es Drohnen,
       Flugzeuge, Hubschrauber oder Marschflugkörper in einer Entfernung von bis
       zu 40 Kilometern und einer Höhe von bis zu 20 Kilometern bekämpft. Ein
       reines Abwehrsystem also, und zudem Teil eines europäischen Schutzschirms.
       Ein System wurde am Mittwoch übergeben, sechs weitere sind bestellt. Kosten
       pro Stück: 140 Millionen Euro.
       
       Die aber gut investiert sind, wenn man dem Kanzler glaubt. Scholz warnte
       eindringlich vor der russischen Bedrohung. Seit vielen Jahren rüste
       Russland massiv auf. „Er (Putin) hat [3][Raketen bis nach Kaliningrad
       verlegt] – Luftlinie 530 Kilometer von Berlin.“ Darauf nicht angemessen zu
       reagieren, sei fahrlässig. „Ja, durch Nichthandeln geriete der Frieden auch
       bei uns in Gefahr“, so Scholz.
       
       Zwischen den Zeilen heißt das: Um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit ist
       es derzeit nicht gut bestellt. Der verteidigungspolitische Sprecher der
       Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), kritisierte denn auch im Fernsehsender
       Phoenix: Die Inbetriebnahme von Iris-T käme „zu spät“ und man sei weit weg
       von einer Vollbefähigung, „die wir eigentlich in diesen Zeiten bräuchten“.
       Die schließt für Hahn Abschreckung ein. Und auch für den SPD-Kanzler.
       
       ## Bis zu 2.500 Kilometer
       
       „Neben einer starken Luftverteidigung brauchen wir in Europa abstandsfähige
       Präzisionswaffen“, begründet Scholz in Todendorf, warum er mit den USA die
       Stationierung der Mittelstreckenraketen verabredet habe – „damit auf diesem
       strategisch wichtigen Feld keine gefährliche Lücke gegenüber Russland
       klafft.“
       
       Abstandsfähige Präzisionswaffen, das meint auch Lang- und
       Mittelstreckenraketen. Letztere, zu denen auch die für Deutschland
       bestellten Tomahawk-Marschflugkörper gehören, können Ziele in bis zu 2.500
       Kilometer Entfernung treffen. Also theoretisch auch in Moskau.
       
       Solche Befürchtungen allerdings versucht Scholz zu zerstreuen. Es gehe
       einzig und allein darum, mögliche Angreifer abzuschrecken. „Es geht uns
       darum, den Frieden hier bei uns zu sichern und Krieg zu verhindern.“
       
       4 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/2298418/b4eca6d3ccfdfd9fb1580117e1cf7910/2024-07-10-gemeinsame-erklaerung-usa-ger-nato-gipfel-data.pdf?download=1
   DIR [2] /Stationierung-von-Mittelstreckenraketen/!6026934
   DIR [3] /Stationierung-von-Mittelstreckenwaffen/!6023611
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
       
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