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       # taz.de -- Aktuelle Lage in Nahost: Israels Krieg an mehreren Fronten
       
       > Schwere Luftangriffe auf den Libanon, neue Offensive in Gaza, 18 Tote im
       > Westjordanland: Das Vorgehen Israels lässt kaum Hoffnung auf Entspannung
       > zu.
       
   IMG Bild: Eine CNN-Reporterin bezeichnete die Angriffe in der Nacht zu Sonntag als „mit die längsten und schwersten seit Beginn des Krieges“
       
       JERUSALEM taz | Vom Beiruter Flughafen heben noch immer täglich
       Evakuierungsflugzeuge ab. Gleichzeitig wurde die Stadt erneut von heftigen
       israelischen Luftangriffen erschüttert. [1][Lokale Medien] berichteten von
       mehr als 30 Angriffen in der Nacht auf Sonntag, mehrere in der Nähe des
       Flugplatzes. Eine [2][CNN-Reporterin] in Beirut bezeichnete die Angriffe
       als „mit die längsten und schwersten seit Beginn des Krieges“. Videos der
       Nachrichtenagentur AFP zeigten am Vormittag neue Einschläge in den
       südlichen Vorstädten. Während in der Region die Sorge vor einem großen
       regionalen Krieg zwischen Israel und Iran wächst, nehmen auch im
       Gazastreifen und dem Westjordanland die israelischen Angriffe zu.
       
       Am Samstag wurden bei Luftangriffen im Libanon 23 Menschen getötet und 93
       verletzt, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit. Laut der
       israelischen Armee seien in der Nacht auf Sonntag unter anderem Waffenlager
       der Hisbollah getroffen worden. Unter den Toten sei auch
       Hisbollah-Kommandeur Hader Ali Taweel, der für den Beschuss israelischer
       Gemeinden nahe der Grenze zum Libanon verantwortlich gewesen sein soll.
       Zwei Raketen und mehrere Flugobjekte aus dem Libanon wurden am Morgen
       abgefangen, ohne Schaden anzurichten.
       
       Bei den bereits seit Ende September andauernden Bombenangriffen, teilweise
       tief im Libanon, waren in den vergangenen Wochen zahlreiche Anführer der
       vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz getötet worden. Unter ihnen war
       [3][Hassan Nasrallah], der die Hisbollah 30 Jahre lang geführt hat. Die
       Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf libanesische
       Sicherheitskreise, dass auch zu dessen potenziellem Nachfolger Hischam Safi
       al-Din seit einem Luftangriff nahe dem Flughafen in Beirut am Freitag kein
       Kontakt mehr bestehe. Laut libanesischen Angaben wurden mehr als eine
       Million Menschen vertrieben, rund ein Viertel der Bevölkerung. Der
       Bildungsminister Abbas Halabi verschob den Start des Schuljahres auf Anfang
       November.
       
       Trotz der raschen militärischen Erfolge gegen die Hisbollah, die seit der
       Explosion Hunderter Pager und Funkgeräte in den Taschen ihrer Mitglieder –
       allem Anschein nach eine Aktion des israelischen Geheimdienstes – binnen
       weniger Tage fast ihre gesamte Führungsriege verloren hat, nimmt der
       israelische Angriff weiter an Intensität zu. Am Samstag traf ein erster
       Luftangriff ein palästinensisches Flüchtlingslager in der Stadt Tripolis im
       Norden des Libanon. Dabei sei ein führendes Mitglied der Hamas mit seiner
       Frau und zwei Kindern getötet worden, hieß es aus libanesischen
       Sicherheitskreisen. Seit knapp einer Woche sind auch israelische
       Bodentruppen in den Libanon vorgedrungen.
       
       Angriffe aus der Luft und mit Panzern 
       
       Angesichts der Eskalation stellt sich die Frage, welches Ziel die
       israelische Regierung im Libanon verfolgt. Eines von Israels offiziellen
       Kriegszielen ist die Rückkehr von rund 60.000 vertriebenen Israelis in ihre
       Häuser im Grenzgebiet. Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte jedoch auch
       mehrfach erklärt, die Hisbollah wie schon die Hamas im Gazastreifen
       „besiegen“ zu wollen.
       
       Doch obwohl Israel die Hamas in Gaza bereits mehrfach für militärisch
       besiegt und aus den meisten Gegenden vertrieben bezeichnet hatte, kündigte
       die israelische Armee am Wochenende erneut eine Offensive im Norden des
       Küstenstreifens an. Die rund 200.000 Menschen, die noch in dem weitgehend
       zerstörten Gebiet leben, wurden aufgefordert, sich in eine humanitäre Zone
       weiter im Süden zu begeben. Aus der Luft und mit Panzern beschoss die Armee
       nach eigenen Angaben Dutzende Orte in Dschabalija, darunter Waffenlager und
       Tunnel.
       
       Berichten in Onlinemedien zufolge starb bei einem der Luftangriffe auch der
       Journalist Hassan Hamad. Laut [4][Reporter ohne Grenzen] wurden seit
       Kriegsbeginn vor einem Jahr mehr als 130 palästinensische Journalisten
       getötet, mindestens 32 von ihnen bei der Arbeit.
       
       Im von Israel besetzten Westjordanland nähert sich das Vorgehen der Armee
       zunehmend dem im Gazastreifen an. Bei einem Luftangriff auf ein
       dreistöckiges Haus und Café im Flüchtlingslager Tulkarem starben in der
       Nacht auf Freitag mindestens 18 Menschen. Es war der tödlichste Angriff der
       Armee in dem Gebiet seit Kriegsbeginn. Unter den Toten ist laut der
       Nachrichtenagentur AP eine vierköpfige Familie mit zwei 6- und 8-jährigen
       Kindern. Auf Videoaufnahmen waren am Freitag Rettungskräfte zu sehen, die
       Leichenteile in Boxen sammelten. Die Armee teilte mit, mindestens zwölf
       „Terroristen der Hamas und des Islamischen Dschihad“ getötet zu haben. In
       Beer Scheva im Süden Israels starb am Sonntag eine Frau, als ein Angreifer
       das Feuer auf eine Bushaltestelle eröffnete. Die Polizei geht von einem
       Terrorangriff aus, der Täter wurde demnach getötet.
       
       Mit Blick auf Iran lassen die jüngsten Äußerungen der israelischen
       Regierung kaum Hoffnung auf Entspannung zu. Verteidigungsminister Joav
       Gallant drohte Teheran am Sonntag mit Angriffen wie im Gazastreifen und
       Beirut. „Wer glaubt, dass ein bloßer Versuch, uns zu schaden, uns von
       Maßnahmen abhalten wird, sollte einen Blick auf unsere Erfolge in Gaza und
       Beirut werfen“, sagte er. Der Raketenangriff des Iran habe die Fähigkeiten
       der Luftwaffe nicht beschädigt, so Gallant.
       
       Untersuchungen des Raketenangriffes am vergangenen Dienstagabend zeigen
       jedoch, dass die Schäden möglicherweise größer ausfielen als bisher
       angenommen. Der Analyst Decker Eveleth des Thinktanks CNA der US-Marine
       kommt anhand von Onlinevideos und Satellitenbildern zu dem Schluss, dass
       die israelische Nevatim-Luftwaffenbasis im Süden Israels mindestens 32 Mal
       getroffen wurde. Zwar seien dabei keine der wertvollen F-35-Kampfjets
       beschädigt worden, aber es bleibe die Tatsache, dass Iran Israel schwer
       treffen kann, wenn es will, schreibt Eveleth [5][in einem Blog-Eintrag.]
       Bei einem ähnlichen Angriff auf Industrieanlagen oder Großstädte sei mit
       erheblichen Schäden zu rechnen.
       
       6 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://today.lorientlejour.com/article/1430068/beiruts-southern-suburbs-under-a-torrent-of-fire-more-than-20-israeli-strikes-overnight.html
   DIR [2] https://edition.cnn.com/world/live-news/israel-iran-attack-war-lebanon-10-05-24-intl-hnk/index.html
   DIR [3] /Tod-des-Hisbollah-Fuehrers-Nasrallah/!6036756
   DIR [4] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/weltweite-rsf-aktion-fuer-jounalistinnen-in-gaza#:~:text=In%20weniger%20als%20einem%20Jahr,Grenzen%20(RSF)%20am%2026.
   DIR [5] https://horsdoeuvresofbattle.blog/2024/10/04/imint-irans-strike-on-nevatim-airbase/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
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