# taz.de -- Demos mit Nahost-Bezug in Berlin: Videos von rennenden Polizisten
> Bei einer Demo setzt die Polizei ein Kind fest. Der Senat sollte solche
> Vorkommnisse mehr auswerten um Eskalationen zu verhindern, fordern die
> Grünen.
IMG Bild: Was genau auf den zahlreichen Demos mit Bezug zum Nahost-Konflikt passiert, weiß der Senat gar nicht
BERLIN taz | Wie viele Polizist*innen braucht es, um einen 11-jährigen
Jungen einzufangen, der mit eingerollter Palästina-Flagge über den
Breitscheidplatz rennt? Wer für die Antwort auf diese Frage ein Video
hinzuzieht, [1][das seit Samstag im Netz kursiert], sieht, dass die Polizei
Berlin mit mindestens fünf Beamt*innen hinter ihm herläuft. In einem
Kreis stehen sie um den Jungen herum, mehr Polizist*innen kommen dazu
und schirmen ihn von Demoteilnehmer*innen ab.
Der Junge wiederum steht mit dem Rücken zur Wand und guckt mit großen Augen
in die Kamera. Nach einem Schnitt ist zu sehen, wie der Pulk von
Polizist*innen den Jungen wegführt. „Sie nehmen einen Minderjährigen
mit“, ist zu hören. Noch ein Schnitt, und zwei Beamte bugsieren das Kind in
ein Polizeiauto.
Gefilmt ist das 51 Sekunden lange Video am Samstagabend auf einer
Demonstration „mit Bezug zum Nahostkonflikt“. Die Polizei teilte mit, die
Einsatzkräfte seien auf den Jungen aufmerksam geworden, [2][weil er
offenbar „ohne Begleitung“ an der Demo teilgenommen habe]. Zu „seinem
eigenen Schutz“ habe die Polizei ihn „in Obhut“ genommen und seinen Vater
benachrichtigt, der ihn 90 Minuten später abholte. Es gebe keinen Verdacht
einer Straftat. „Eine Festnahme fand nicht statt.“
Szenen wie diese seien es, die der Senat viel systematischer als bisher
erfassen und auswerten sollte, fordert der Abgeordnete Vasili Franco,
innenpolitischer Sprecher der Grünen. Er hatte in einer Kleinen Anfrage den
Senat nach „Straftaten und Versammlungsverboten im Zusammenhang mit
Versammlungen mit Bezug zur Situation in Israel und Gaza“ gefragt.
## Fehlender Überblick schadet allen Seiten
Das Ergebnis: Der Senat habe offensichtlich nicht mal einen Überblick über
die Zahl der Demo-Teilnehmer*innen, die Anzahl von Verletzten auf Demos,
über [3][Disziplinarverfahren gegen Polizist*innen], über tatsächliche
antisemitische Vorfälle, über Personen, die die Situation nutzen, um zu
eskalieren, oder darüber, welche Versammlungen besonders problematisch
waren.
„Seit knapp einem Jahr sind die Folgen des Terroranschlags der Hamas und
des Leids in Gaza auch auf Berlins Straßen und durch zahlreiche
Versammlungen präsent“, sagt Franco. „Obwohl Eskalationen bei Versammlungen
bis hin zu Vorwürfen von Polizeigewalt wiederholt ein riesiges Echo
hervorrufen, gibt es keine fundierte Analyse über das Versammlungsgeschehen
über das letzte Jahr.“ Die Innenverwaltung [4][sollte ein Lagebild
erstellen] – wie sie das etwa bei der Letzten Generation oder der
Fußball-EM auch getan habe.
Denn: Während Berlin aus Sicht des Grünen-Innenpolitikers wegschaut, guckt
die sogenannte Welt durch das Social-Media-Fenster umso genauer hin. Das
Video von dem Jungen haben auf X reichweitenstarke Accounts geteilt und
kommentiert – meist mit dem Take, dass Berlins Polizei nun schon Kinder
verhafte.
„Solche Videos sollen oft bewusst eine Eskalation befeuern“, sagt Franco.
Teils würden auf Demos auch Kinder angestiftet, zu provozieren. Die Polizei
würde sich oft nicht äußern oder einfach damit argumentieren, dass sie
wegen antisemitischer Straftaten hart durchgreifen musste.
„Das schadet allen: [5][Palästinenser*innen in Berlin], die sich von
niemandem mehr repräsentiert fühlen. Aber auch der Polizei selbst, wenn
keine Auseinandersetzung darüber erfolgt, welches Vorgehen rechtmäßig war“,
sagt er. Das wüssten Extremisten für sich zu nutzen – die ebenjenes
internationale Publikum im Blick hätten. „Der Senat lässt Bilder für sich
stehen“, kritisiert Franco. Und fördere damit die Eskalation.
23 Sep 2024
## LINKS
DIR [1] https://x.com/KaterHofmann/status/1837584485694820665
DIR [2] https://x.com/polizeiberlin/status/1837824949500669981
DIR [3] /Palaestina-Demo-in-Berlin/!6028273
DIR [4] /Polizeigewalt-auf-Palaestina-Demos/!6029454
DIR [5] /Palaestinenser-in-Deutschland/!6002564
## AUTOREN
DIR Uta Schleiermacher
## TAGS
DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
DIR Polizei Berlin
DIR Grüne Berlin
DIR Innensenatorin Iris Spranger
DIR Demonstrationsrecht
DIR Innensenatorin Iris Spranger
DIR Schwerpunkt Stadtland
DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
DIR Kriminalität
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Bilanz nach Jahrestag des Hamas-Angriffs: Polizei im Dauereinsatz
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) beobachtet „zunehmend aggressives
Versammlungsgeschehen“ bei Pro-Palästina-Protest.
DIR Polizeigewalt auf Palästina-Demos: Die Gesellschaft schaut weg
Der propalästinensische Protest in Berlin ist durchaus laut. Arg leise
bleibt es gesellschaftlich zur Polizeigewalt bei diesen Demonstrationen.
DIR Palästina-Demo in Berlin: Kritik an Polizeigewalt
Videos zeigen brutale Festnahmen bei einer Palästina-Demo in Berlin. Seit
Monaten verzeichnet eine Beratungsstelle viele Anfragen wegen
Polizeigewalt.
DIR Nahost-Konflikt in Berlin: Zahl der Straftaten explodiert
Aktuelle Daten der Innenverwaltung zeigen eine deutliche Zunahme bei
politisch motivierter Kriminalität. Grüne sehen den Senat in der
Verantwortung.