# taz.de -- Behörden lassen Naturschutz warten: Kleiner Fluss, große Blamage
> Der Fluss Düte bei Osnabrück müsste nach EU-Recht als FFH-Gebiet
> ausgewiesen und geschützt werden. Doch die Behörden vor Ort bremsen seit
> Jahren.
IMG Bild: Die Düte bei Osnabrück braucht konsequenten Schutz. Aber genau hier hakt es
Osnabrück taz | Wer an der Düte entlanggeht, [1][dem kleinen Flüsschen nahe
Osnabrück], durch Feuchtwiesen und Auwälder, ahnt nicht, dass sich an
seinem Schutzstatus seit Jahrzehnten die Geister scheiden.
Sicher, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten-
und Naturschutz hat Ende 2021 das derzeit auf 290 Hektar Größe projektierte
Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH) „Düte mit Nebenbächen“ durch eine
„Einstweilige Sicherstellung“ geschützt, 2023 hat er diese Sicherstellung
bis Ende 2025 verlängert.
Aber seine dauerhafte Ausweisung gemäß Bundesnaturschutzgesetz und
[2][EU-FFH-Richtlinie] steht bis heute aus. So gehört es weiterhin zu den
Gebieten, wegen deren Nichtausweisung der Europäische Gerichtshof
Deutschland 2023 in einem Vertragsverletzungsverfahren [3][verurteilt hat].
Es ist eines der allerletzten, die noch fehlen – von rund 4.600.
Matthias Schreiber, Vorstandsmitglied des „Umweltforums Osnabrücker Land“,
ist empört. Es gebe einen „allgemeinen Unwillen, europäisches
Naturschutzrecht konsequent umzusetzen“, sagt er, die Entscheidungen würden
zwischen den Verwaltungsebenen hin- und hergeschoben. Schreiber, bitter:
„Solche Zustände erklären, warum es mit dem Naturschutz in Deutschland so
katastrophal läuft!“
Stadt und Landkreis Osnabrück teilen sich die Zuständigkeit für „Düte mit
Nebenbächen“. In einer Mitteilungsvorlage des Ausschusses für
Stadtentwicklung und Umwelt der Stadt heißt es Anfang Juni 2024, es sei
„übergeordneter und grundsätzlicher Anspruch beider Seiten“, die
Verordnungsinhalte „für ein Naturschutzgebiet“ auszugestalten. Mitte
September 2024 wollte der Ausschuss für Umwelt und Energie des Landkreises
nachziehen.
Doch es kam anders. Die Mehrheit des Ausschusses unter Federführung der CDU
beschloss gegen SPD und Grüne ein Landschaftsschutzgebiet, denn, sagt
Schreiber, „das wurde den örtlichen Landwirten jahrelang als nur halb so
schlimm kommuniziert“. Der Unterschied: Beim Naturschutzgebiet greifen
großflächige Pauschalverbote, beim Landschaftsschutzgebiet muss kleinteilig
entschieden werden, was im Einzelnen wo unter Schutz steht.
Eine Landschaftsschutzgebiets-Verordnung müsse zwar die gleichen
Schutzstandards sicherstellen, erforderte aber „einen hohen Mehraufwand“,
sagt Schreiber. Da die Stadt Osnabrück für ihren Teil des Gebietes den
Naturschutzgebietsstatus anstrebe, sei zu einem „lückenlosen Schutz“ ein
„erheblicher Abstimmungsaufwand erforderlich“.
Das Verfahren zur Düte läuft schon fast 20 Jahre; 2005 wurde das Gebiet an
die EU gemeldet. Doch bis heute sind seine Grenzen nicht endgültig
bestimmt. „Die gegenwärtig vorliegende Abgrenzung ist nicht rechtssicher in
eine Schutzgebietsverordnung umsetzbar“, schreibt Burkhard Riepenhoff,
Sprecher des Landkreises Osnabrück. „Die Grenzen orientieren sich in vielen
Fällen nicht an naturräumlichen und/oder nutzungsorientierten
Gegebenheiten.“ Der Landkreis dränge das Land Niedersachsen seit Jahren,
„eine naturschutzfachlich umsetzungsfähige Abgrenzung zu erarbeiten“ und
mit der [4][EU] abzustimmen. Derzeit ist „Düte mit Nebenbächen“ so
unzureichend projektiert, dass teils noch nicht einmal der Flussverlauf
selber enthalten ist.
## Die Frist läuft bis Ende 2025
Das alles sollte eigentlich innerhalb der Laufzeit der Einstweiligen
Sicherstellung des Gebiets erfolgen – bis Ende 2025, die Frist ist nicht
verlängerbar. Aber: „Die Erwartung, dass die neue Abgrenzung durch das Land
rechtzeitig vor dem Auslaufen vorgelegt wird, scheint sich nach den uns
aktuell vorliegenden Informationen nicht zu erfüllen“, so Riepenhoff. Um
„danach nicht mit leeren Händen dazustehen“, müsse die Kreisverwaltung eine
„Übergangsverordnung“ in Kraft setzen.
Schreiber fürchtet, dass es mit dem FFH-Gebiet „Düte mit Nebenbächen“
kommen könnte wie mit dem nahegelegenen [5][FFH-Gebiet „Bäche im Artland“]:
Dort enthalte die Schutzverordnung einerseits sinnvolle Verbote, anderseits
seien in ihr „alle Verbote praktisch wieder aufgehoben worden“. Grund für
ein Normenkontrollverfahren des Umweltforums, über das der Europäische
Gerichtshof Mitte Oktober entscheidet.
Besonders brisant ist die Frage, ob die EU-Kommission aufgrund der
Düte-Verzögerung ein neues Verfahren einleitet, wegen Missachtung des
Urteils gegen die Bundesrepublik Deutschland. Da der Schutzstatus der Düte
derzeit nur „einstweilig“ ist, demnächst nur einen „Übergang“ darstellt,
spreche „vieles für eine Verurteilung“, sagt Schreiber. Die ist dann
bußgeldbewehrt. „Das wäre für Deutschland eine kapitale Blamage!“
24 Sep 2024
## LINKS
DIR [1] /Osnabrueck-im-Klimawandel/!5789342
DIR [2] /Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie/!t5015166
DIR [3] https://infopoint-europa.de/de/articles/eugh-stellt-verstoss-deutschlands-gegen-die-fauna-flora-habitat-ffh-richtlinie-fest
DIR [4] /Europaeische-Union/!t5013441
DIR [5] https://www.nlwkn.niedersachsen.de/ffh-gebiete/ffh-gebiet-053-bache-im-artland-197256.html
## AUTOREN
DIR Harff-Peter Schönherr
## TAGS
DIR Osnabrück
DIR Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie
DIR Naturschutz
DIR Gericht der Europäischen Union (EuG)
DIR EU-Verordnung
DIR Autobahn
DIR Schwerpunkt Klimawandel
DIR Naturschutz
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Umstrittene A39 in Niedersachsen: Ein Minister baut vor
Der BUND klagt erneut gegen die geplante A39 zwischen Lüneburg und
Wolfsburg. Niedersachsen startet schon mal mit einer zweifelhaften
Ortsumgehung.
DIR Osnabrück im Klimawandel: Nach der Flut ist vor der Flut
Zu viel Wasser, zu wenig Wasser: Wie das niedersächsische Osnabrück nach
Antworten auf die Klimakrise sucht.
DIR Versäumnis beim Naturschutz: Trödeln wird für Deutschland teuer
Deutschland droht eine EU-Strafe in Millionenhöhe. Denn Niedersachsen hinkt
mit der Ausweisung von Naturschutzgebieten hinterher.