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       # taz.de -- EU zeichnet Bremen als Bio-Stadt aus: Ein unappetitlicher Preis
       
       > In einer gruftigen Veranstaltung hat die EU Bremen als beste Bio-Stadt
       > Europas ausgezeichnet. Die Ehrung kommt zum falschest möglichen Moment.
       
   IMG Bild: Wie groß? So groß? Anlässlich der Preisverleihung lässt die EU-Kommission ein paar Männer diskutieren
       
       BREMEN taz | Nein, so einen Preis möchte man doch eigentlich wirklich nicht
       bekommen. Und vielleicht hätte Bremen da abwinken oder besser: sich gar
       nicht erst bewerben sollen. Wer sich die bizarre Veranstaltung anschaut,
       mit der die EU ihre Organic-Awards am 23. September verliehen hat, muss
       jedenfalls das kalte Grausen bekommen.
       
       Was da zusammengetreten ist, muss als idealtypischer Club alter weißer
       Männer gelten, der gerne gönnerhaft Auszeichnungen vergibt. Und zwar, um
       sich selbst damit eine Bühne zu bereiten, auf der er sich noch einmal,
       [1][weil es ja sonst keiner tut], selbst loben kann.
       
       Das siebenschwänzige Abschlusspodium sondert zu diesem Zweck, moderiert von
       einem [2][achten Mann,] Wortmeldungen ab, die inhaltlich die Richtigkeit
       der eigenen Politik hervorheben. Die Wirkung zeige, und zwar genau die
       erwünschte.
       
       Zuvor sind die insgesamt sieben Preisträger-Körperschaften auf die Bühne
       gerufen und abgefertigt worden: Aus Norddeutschland war Katrin Moosdorf
       (Grüne), Bremer Senatorin für Umwelt und Wissenschaft, dabei.
       
       Mit strahlendem Lächeln hat sie eine etwas läppische Kleinplastik und eine
       Urkunde entgegen genommen. Die bescheinigt dem Bundesland amtlich, dass es
       die beste Biostadt Europas ist. Warum?
       
       Dafür muss ein von Bremen selbst gefertigtes Bewerbungsvideo samt
       PR-typischen Ungenauigkeiten reichen. Die Kriterien der Jury bleiben
       unerwähnt. So bringt Bremen als Trumpf ins Spiel die Bio-Agrarfläche, ein
       Wert, der auf kommunaler Ebene nur ganz selten erfasst wird, außer, man hat
       wie Salzgitter gar keinen ökologischen Landbau.
       
       Abseits dieser methodischen Nickeligkeiten ist das eigentliche Problem:
       Falsches Lob kann großen Schaden anrichten. Es deckt Defizite zu, statt zu
       ihrer Bearbeitung zu motivieren. Kennen ja fast alle aus der Schule: Wenn
       es reicht, Leistung vorzutäuschen, dann reicht es doch. Dann sagst du dir
       bitteschön, ist doch alles bestens und stellst die Bemühungen ein oder
       nimmst sie halt nicht wieder auf.
       
       Bremens Bewerbung und Auszeichnung basiert [3][auf den tollen Vorsätzen des
       „Aktionsplans 2025“]: Der gilt seit 2018. Er schreibt fest, dass die
       Gemeinschaftsverpflegung im Jahr 2025 auf 100 Prozent bio umgestellt sein
       soll. Was die Stadt nicht schafft.
       
       Sie hinkt in der Umsetzung sogar anderen hinterher, [4][die später und
       weniger ambitioniert angetreten sind]: Bei den Kitas hatte man bei der
       Evaluation im Januar einen Bio-Anteil von 40 Prozent erreicht. Nicht
       schlecht!
       
       In Nürnberg aber, wo man seit 2019 am Ziel von 90 Prozent arbeitet, waren
       da schon drei Viertel des Kindergartenessens öko. Was die Schulen angeht:
       Da hat die Verwaltung es noch nicht geschafft, auch nur eine
       ergebnisorientierte Koordination des Umstellungsprozesses zu organisieren.
       
       In [5][Münster bekommen die Schüler*innen 30 Prozent,] in Karlsruhe bis
       zu 75 Prozent Biofood. In Bremen weiß die Bildungsbehörde noch nicht, wie
       sie das zählen soll. [6][Vielleicht kann sie es auch nicht.]
       
       ## Bremen hat keinen Bock auf Bio-Stress
       
       Vor allem aber hat sie offenkundig gar keinen Bock mehr auf den Biostress:
       Sie beseitigt die Frischeküchen, bootet Kleincaterer mit großer
       Biokompetenz und sozialem Pricing aus und vergibt die Essensaufträge ohne
       öffentliche Ausschreibung an [7][ausgewählte Großküchen].
       
       Anfang des Monats haben die Bürgerschafts-Grünen deshalb eine für eine
       Regierungsfraktion ungewöhnlich zornige Anfrage an SPD-Schulsenatorin
       Sascha Aulepp gerichtet.
       
       Dann kam die EU-Auszeichnung und während die Umweltsenatorin sich darüber
       öffentlich zu freuen hatte, wird man sich im Bildungsressort auf die
       Schenkel klopfen und sagen: Ist doch alles bestens.
       
       Zumal gerade diese Behörde darin geübt ist. So wird ja oft und sehr zurecht
       das miese Niveau und die soziale Segregation der örtlichen
       Bildungsanstalten thematisiert. Aber schauen Sie mal in die [8][Annalen des
       Deutschen Schulpreises]. Raten Sie mal, welches Land da proportional die
       meisten Auszeichnungen abgeräumt hat. Kommen Sie drauf? Irgendeine Idee?
       Na, bitteschön.
       
       28 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Subventionen-fuer-Oeko-Landwirtschaft/!6035437
   DIR [2] https://webcast.ec.europa.eu/eu-organic-awards-2024-09-23
   DIR [3] /Bewusster-Leben/!6012979
   DIR [4] https://www.oekolandbau.de/ausser-haus-verpflegung/stadt-land-und-bund/kommunen/neue-zahlen-aus-den-biostaedten/
   DIR [5] https://www.heerser-muehle.de/veranstaltungen/verpflegung-und-nachhaltigkeit-im-einklang-so-funktioniert-bio-in-kita-und-schule/
   DIR [6] /Haushaltssperre-bei-Bremer-Behoerden/!6023958
   DIR [7] /Neue-Ausschreibungen-fuer-Schulcaterer/!6034437
   DIR [8] https://www.deutscher-schulpreis.de/suche?q=Bremen
       
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