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       # taz.de -- 58-Euro-Ticket vs. E-Auto-Prämie: Prämiert das Nichtbauen von Autos!
       
       > Während das 49- zum 58-Euro-Ticket wird, beraten Politiker:innen
       > über eine E-Auto-Prämie. Damit befriedigen sie die Süchte der
       > Autoindustrie.
       
   IMG Bild: Für die Karren werden keine Kosten gescheut
       
       Man wird ja bescheiden in diesen Zeiten. Auf große Revolutionen im
       Verkehrssektor kann man so lange warten wie an einer roten Druckknopfampel
       für Fußgänger:innen – also mindestens so lange, bis man sich
       verhohnepipelt fühlt. Während Auto um Auto an einem vorbeirast. Es heißt ja
       auch Vorfahrt. Nicht Vorgang.
       
       Darum freut man sich zum Beispiel wirklich extrem über den Weiterbestand
       des 49-Euro-Tickets. [1][Das heißt zwar ab 1. Januar 58-Euro-Ticket, weil
       es teurer wird.] Und zwar um satte 18 Prozent, was in Zeiten von zum Glück
       wieder gesunkener Inflation doppelt und dreifach ins Portemonnaie schlägt.
       Zudem erinnert die Preiserhöhung um 9 Euro fatal an das wirklich
       revolutionäre und daher natürlich sofort [2][wieder eingestampfte]
       9-Euro-Ticket, mit dem man damals im Sommer 2022 drei Monate lang das Leben
       [3][in vollen Zügen] genießen konnte.
       
       Aber immerhin konnten sich die Verkehrsminister von Bund und Ländern darauf
       einigen, dass es weiterhin dieses bundesweit geltende und
       bundeseinheitliche Ticket gibt, obwohl es dem Klimaschutz dient. Das darf
       man in der ansonsten alles torpedierenden Kleinstaatendominanz nicht
       unterbewerten.
       
       Fast könnte man sich als Pragmatiker damit abfinden. Wenn es denn nicht
       auch noch andere Politiken gäbe. Zum Beispiel nahezu gleichzeitig [4][auf
       dem Autogipfel]. Da wird gerade über Kaufprämien für Elektro-Autos
       verhandelt. 4.000 Euro, so ist zu hören, hätte der Volkswagen-Konzern gern
       vom Staat. SPD-Wirtschaftspolitiker schlagen gar eine neue „Abwrackprämie
       2.0“ vor. Wer seinen Verbrenner „abwrackt“ und ein neues E-Auto kauft, soll
       einen Bonus von 6.000 Euro bekommen. Man möchte wild aufbrausen wie der
       Porsche-Turbo, der auf der Überholspur hinter einem Sonntagsfahrer klemmt.
       
       ## Die Nöte der Autoindustrie
       
       4.000 Euro? Damit könnte man die jetzt fällige Preissteigerung beim ÖPNV
       für das – warum nennt die FDP das eigentlich nicht so? – Freiheitsticket
       locker 20 Jahre lang finanzieren – für gleich zwei Personen. Länger also,
       als jede Kiste halten wird, die in Wolfsburg vom Band läuft – äh, fährt.
       Und mit 6.000 Euro sogar 30 Jahre lang. Dann sieht auch jeder E-Oldtimer
       uralt aus.
       
       Schlimmer noch: Auch wenn viele in der Diskussion dieses kleine „E“ verbal
       vor die Individualverkehr und damit Stau, Stress und Flächenfraß
       verursachenden Autos bappen, um damit dem ganzen einen klimabewussten
       Ökoanstrich zu geben; kein einziger Cent der jetzt diskutierten staatlichen
       Maßnahmen wird ausgegeben, um den Klimawandel zu stoppen. Oder wenigstens
       wegen eines irgendwie gearteten sozialen Ausgleichs. Nein, es dreht sich
       einzig und allein um die Nöte der Autoindustrie.
       
       Der geht es gerade nicht so gut. Wegen China. Wegen eigener Behäbigkeit.
       Wegen … ach, es könnte einem egal sein. Doch dummerweise wurden in
       Deutschland in den letzten Jahrzehnten so viele Autos produziert, verkauft
       und verbraucht, dass der ganze Wirtschaftskreislauf schlichtweg abhängig
       davon ist. Wie ein Raucher vom Tabak, wie ein Junkie vom nächsten Schuss.
       Nur dass kein:e vernünftige:r Politiker:in auf die Idee käme,
       Produktion und Verbrauch von Suchtmitteln noch staatlich zu begünstigen.
       
       ## Weniger Arbeit, weniger Autos, weniger CO₂
       
       Helfen auf lange Sicht würde der Autorepublik Deutschland nur eins: der
       kalte Entzug. Statt auf absatzfördernde Kaufprämien müsste der Staat der
       Industrie Nichtbauprämien anbieten. Für jedes Auto, das VW, BMW und Benz
       nicht auf den Markt stoßen, gibt es ein paar tausend Euro! Bei der
       Landwirtschaft geht das doch auch. Da bekommen Bauern Subventionen dafür,
       dass sie den Acker nicht beackern. Mal um die Überproduktion abzubauen. Mal
       aus zumindest vorgeblich ökologischen Gründen.
       
       Wenn man dann noch die Konzerne dazu verpflichten würde, ihre
       Mitarbeiter:innen angemessen an der Nichtbauprämie zu beteiligen,
       sodass sie beim vollen Lohnausgleich die Arbeitszeit reduzieren könnten,
       wären alle glücklich. Weniger Arbeit, weniger Autos, weniger CO₂. Mehr vom
       Leben für alle.
       
       Wirklich schade ist es also, dass Verkehrsrevolutionen noch seltener kommen
       als grünes Licht an der Fußgängerampel.
       
       25 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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