URI: 
       # taz.de -- Kritik in der Ampel an Sicherheitspaket: Mit Sicherheit gibt’s Ärger
       
       > Die Regierung wollte schnell sein. Daraus wird jedoch nichts. Denn es
       > hagelt Kritik – von Fachleuten und aus den Fraktionen.
       
   IMG Bild: Es gibt noch SPD-Politiker, die das Recht auf Asyl achten: Jan Dieren im Bundestag
       
       Berlin taz | Eigentlich sollte es ganz schnell gehen. Bestenfalls schon
       diesen Donnerstag wollte die SPD-Fraktion das [1][nach dem
       Solingen-Attentat fix geschnürte Sicherheitspaket] im Bundestag final
       verabschieden. Dazu wird es nun nicht kommen, das Vorhaben ist bis
       mindestens Oktober aufgeschoben. Denn es hagelte am Montag bei einer
       Expert*innenanhörung im Parlament Kritik an den Maßnahmen. Und auch
       in den Ampelfraktionen wird diese immer lauter – auch in der SPD.
       
       „So wie das sogenannte Sicherheitspaket jetzt ist, darf es nicht bleiben“,
       sagte der SPD-Abgeordnete Jan Dieren der taz. „Viele der diskutierten
       Maßnahmen sind nicht nur überzogen, sie schaffen auch einen Zusammenhang,
       wo keiner ist. Statt über islamistischen Terror zu reden, verschärfen wir
       jetzt irrational die Migrationspolitik“, so Dieren, der auch Vorsitzender
       der linken SPD-Gruppe DL21 ist. „Das ist fatal für die gesellschaftliche
       Debatte und es spielt nur einen in die Hände: den ganz Rechten. Wir geraten
       da in eine sehr gefährliche Spirale.“
       
       Mit dem [2][Sicherheitspaket] will die Ampel [3][nach Solingen] Härte
       zeigen, [4][vor allem Kanzler Olaf Scholz macht Druck]. Dieren hält einige
       Punkte, wie die Stärkung der Islamismusprävention oder einzelne
       Verschärfungen des Waffenrechts, für sinnvoll. An anderen übt er scharfe
       Kritik: Leistungskürzungen für Dublin-Geflüchtete, grenznahe
       Inhaftierungen, Ausweisungen nach Syrien oder Afghanistan, anlasslose
       Kontrollmöglichkeiten für die Polizei oder einen biometrischen Abgleich von
       Internetdaten, um Geflüchtete zu identifizieren. „Jeder dieser Punkte ist
       falsch und maßlos“, so Dieren. „Für die Tat eines Einzelnen werden die
       Rechte einer ganzen Gruppe, der Geflüchteten, pauschal beschnitten. Wenn
       wir uns darauf einmal einlassen, dann wird bei zukünftigen Taten die
       Schraube immer weiter gedreht. Dem müssen wir Einhalt gebieten.“
       
       ## „Enorme Belastung für Kommunen“
       
       Und Dieren ist nicht allein. Auch seine SPD-Mitabgeordnete Annika Klose
       teilt die Kritik. „Statt nach Solingen die [5][Islamismusprävention]
       beherzt anzugehen, mit einem [6][Demokratiefördergesetz] oder Investitionen
       in Jugendarbeit, setzt das Sicherheitspaket auf das Thema Migration. Noch
       dazu mit unausgegorenen Maßnahmen, die auch rechtlich fraglich sind“, so
       Klose zur taz. So könnten die Leistungskürzungen für Dublin-Geflüchtete
       dazu führen, dass diese nach kurzer Zeit auf der Straße landen, sich in
       Notunterkünften und Tafeln wiederfinden. „Das kann niemand wollen und das
       wäre auch eine enorme Belastung der Kommunen. Dieser Punkt darf so nicht
       kommen.“
       
       Auch die AG Migration in der SPD geht auf die Barrikaden, nennt das
       Sicherheitspaket in einem aktuellen Papier „rechtlich fragwürdig“. Es stehe
       „auch im Widerspruch zu den sozialdemokratischen Werten von Gerechtigkeit,
       Solidarität und Menschenwürde“. „Die Maßnahmen haben mit Solingen kaum noch
       etwas zu tun, stellen aber eine ganze Bevölkerungsgruppe unter
       Generalverdacht und dürften einiges Chaos in den Behörden verursachen“,
       kritisiert der Vorsitzende Aziz Bozkurt, der Staatssekretär in der Berliner
       Landesregierung ist.
       
       Bereits am Dienstag hatten [7][Sozialdemokrat*innen um Gesine Schwan
       einen offenen Brief] veröffentlicht, in dem sie kritisierten, dass sich
       ihre Partei an einem „Diskurs der Ausgrenzung und Stigmatisierung“
       beteilige. Die SPD müsse vielmehr wieder für eine „humane Asylpolitik“
       eintreten. Auch neun Bundestagsabgeordnete unterzeichneten.
       
       Klar ist aber auch: Die Mehrheit der SPD-Fraktion will das Paket weiter
       beschließen, nun im Oktober. Fraktionsvize Dirk Wiese will dies „so schnell
       wie möglich“ tun. Er spricht von „wichtigen Maßnahmen“, die aber
       rechtssicher sein müssten. „Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, so
       Wiese, der einräumt, dass es sich um „eingriffsintensive Regelungen“
       handelt.
       
       ## Harsche Kritik von Expert*innen
       
       Zuvor hatten am Montag Expert*innen in einer Bundestagsanhörung die
       Maßnahmen teils harsch kritisiert. Es sei fraglich, ob damit die Sicherheit
       tatsächlich erhöht werde und wie etwa die Waffenverbote kontrolliert werden
       sollten, hieß es dort. Es brauche eher mehr Personal für Polizei und
       Ausländerbehörden. Auch bedeute die biometrische Datenerfassung eine
       massive digitale Überwachung. BKA-Vizepräsidentin Martina Link betonte
       dagegen, dass dies nötig sei, um Attentäter oder Gefährder zu
       identifizieren. Die [8][Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa
       Specht-Riemenschneider] warnte, grundrechtsintensive Maßnahmen übereilt zu
       beschließen.
       
       Auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sieht „zahlreiche, durchaus
       tiefgehende europa- und verfassungsrechtliche Fragen“. Es brauche nun die
       notwendige Zeit, um diese sorgfältig zu klären. Die Kritik der
       Sachverständigen sei „extrem deutlich“ gewesen, das nehme man ernst. „Das
       Bundesinnenministerium ist in der Pflicht, die Vorlage an zahlreichen
       Stellen nachzubessern“, so von Notz zur taz. Auch müsse das Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts zum reformierten BKA-Gesetz abgewartet werden,
       das am 1. Oktober fallen soll – weil sich daraus weiterer Handlungsbedarf
       ergeben könne.
       
       FDP-Innenexperte Manuel Höferlin spricht ebenso von rechtlichen Fragen nach
       der Anhörung, die noch zu klären seien – etwa beim biometrischem Abgleich
       und Fragen der informationellen Selbstbestimmung. Aber auch er macht Druck:
       „Es ist wichtig, dass das Sicherheitspaket so schnell wie möglich umgesetzt
       wird, damit die dringend notwendigen Maßnahmen schnellstmöglich genutzt
       werden können.“
       
       26 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sicherheitspaket-und-Grenzkontrollen/!6032597
   DIR [2] /Sicherheitspaket-und-Grenzkontrollen/!6032597
   DIR [3] /Anschlag-in-Solingen/!6030795
   DIR [4] /Migrationspolitik-der-SPD/!6037541
   DIR [5] /Experte-ueber-Angriff-in-Solingen/!6030796
   DIR [6] /Demokratiefoerdergesetz-gefordert/!6006075
   DIR [7] /Gesine-Schwan-ueber-Migrationspolitik/!6035614
   DIR [8] /Louisa-Specht-Riemenschneider/!6033681
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
   DIR Ampel-Koalition
   DIR Datenschutz
   DIR Innere Sicherheit
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR SPD
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
   DIR Datenschutz
   DIR FDP
   DIR BKA
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Asyl
   DIR Abschiebung
   DIR Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Datenschutzbeauftragte schlägt Alarm: Wer darf die Geheimdienste kontrollieren?
       
       Union und SPD wollen mehr Überwachung durch die Geheimdienste. Warum die
       Datenschutzbeauftragte vor einer Novellierung warnt.
       
   DIR Zusätzliche Forderungen für Asylgesetz: FDP will mehr Leistungen kürzen
       
       Der Bundestag diskutiert eigentlich ein anderes Migrationspaket, doch die
       FDP erhebt neue Forderungen. Von Verbänden kommt scharfe Kritik.
       
   DIR Befugnisse des BKA beanstandet: Datensammeln unzulässig
       
       Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz zum Bundeskriminalamt
       beanstandet. Daten dürfen nicht automatisch übertragen werden.
       
   DIR SPD-Abgeordnete gegen Migrationspolitik: „Wir teilen eure Wut“
       
       Die Kritik am sogenannten Sicherheitspaket wächst. Nun üben 35
       SPD-Abgeordnete harsche Kritik. Der Kanzler sah seinen Kurs zuletzt
       bestätigt.
       
   DIR Abschiebungen nach Afghanistan: Eine Frage der Sicherheit
       
       Erstmals ist wieder ein Abschiebeflieger nach Afghanistan gestartet. An
       Bord saß auch ein verurteilter Sexualstraftäter. Er fürchtet jetzt
       Verfolgung durch die Taliban.
       
   DIR Migrationspolitik der SPD: Der Abschiebekanzler
       
       Verschärfen, kürzen, abschieben: Olaf Scholz macht Migration zur Chefsache.
       In seiner Partei bleibt die Kritik an seiner harten Gangart leise.
       
   DIR Sicherheitspaket und Grenzkontrollen: Ampel schottet ab
       
       Innenministerin Faeser verkündet Grenzkontrollen und Zurückweisungen. Die
       Ampel-Fraktionen wollen noch diese Woche Gesetzesverschärfungen
       beschließen.