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       # taz.de -- Extremwetterkongress und Klimawandel: Flutrisiko verdoppelt
       
       > Experten warnen, dass sich der Klimawandel bereits exponentiell
       > verstärkt, schnell voranschreitet. Die Gründe dafür sind vielseitig.
       
   IMG Bild: Das Hochwasser der Oder hat bereits weite Teile des Odervorlandes in Brandenburg bis zum Deich überflutet
       
       Berlin taz | Der Extremwetterkongress 2024 in Hamburg begann mit einer
       klaren Ansage: „Der [1][Klimawandel] verläuft nicht mehr linear, sondern
       exponentiell“, bilanzierte Frank Böttcher, Vorsitzender der Deutschen
       Meteorologischen Gesellschaft, am Mittwoch. 80 Jahre habe es gedauert, bis
       sich die Erde um 0,5 Grad aufheizte, die Erwärmung um ein weiteres Grad
       dauerte 23 Jahre. „Die nächsten 0,5 Grad folgen schon in 12 Jahren“, sagte
       der Meteorologe. Und: „Wir können nicht mehr ausschließen, dass es Mitte
       des Jahrhunderts bereits 3 Grad sein werden.“
       
       Die Folgen dieses Temperaturanstiegs dürften immer verheerender werden, das
       belegt das „Faktenpapier 2024 des Deutschen Wetterdienstes“, das passend
       zum Kongress veröffentlicht wurde: „Die Extreme werden häufiger und
       intensiver“, erklärt Tobias Fuchs, Klima-Vorstand beim Deutschen
       Wetterdienst DWD. Nie seit Beginn der Messungen im 19. Jahrhundert habe es
       binnen 12 Monaten in Deutschland so viel Regen gegeben wie zwischen den
       Julimonaten 2023 und 2024.
       
       2022 war das zunächst wärmste Jahr seitdem, 2023 übertraf dessen
       Temperaturen allerdings bereits. „2024 ist schon wieder auf
       [2][Rekordjagd]“, so Fuchs. „Wir hatten Glück, dass es keine neue
       Hitzewelle gab. Aber der Februar war beispielsweise 6 Grad wärmer als jeder
       Februar der Referenzperiode 1961 bis 1990.“
       
       „Hört auf, von Jahrhundertfluten zu reden, wir leben in einem
       Flutjahrhundert“, fordert der Wissenschaftsjournalist Eckart von
       Hirschhausen. Er verweist darauf, dass die Oder in Brandenburg gerade die
       [3][Hochwasserstufe] vier erreicht hat – und fragt: „Wie kann es sein, dass
       30 Prozent der Brandenburger eine Partei wählen, die den Klimawandel
       leugnet?“
       
       ## Klimawandel als Gesundheitsrisiko
       
       Von Hirschhausen, der eine „Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen“
       gegründet hat, konstatiert eine fehlende Verknüpfung zwischen abstrakter
       Meteorologie und Gesundheit: „Jeder will gesund bleiben“, so von
       Hirschhausen, der früher selbst als Arzt tätig war.
       
       Das aber gefährde der Klimawandel: Ab 42 Grad Celsius gerinnt das
       menschliche Eiweiß, der Tod ist unausweichlich. „41,2 Grad ist bislang die
       Höchsttemperatur in Deutschland“, warnt DWD-Experte Fuchs. Auch er geht
       davon aus, dass bereits Mitte des Jahrhunderts die 42 Grad in Deutschland
       überschritten werden.
       
       Wie stark die Wetterextreme durch den Klimawandel beeinflusst werden, lässt
       sich mittlerweile wissenschaftlich sehr gut auswerten. Dazu gibt es die
       sogenannte Attributionsforschung. Auf dem Hamburger Extremwetterkongress
       stellte Klaus Haslinger vom österreichischen meteorologischen Dienst
       Geosphere die Ergebnisse einer Untersuchung vor, die zeigen, wie die
       gestiegene Globaltemperatur das großräumige Hochwasser in Polen,
       Tschechien, Österreich und Rumänien der vergangenen Tage beeinflusst hat.
       
       ## Ursache für Extremwetter
       
       „Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für ein derartiges,
       großräumiges Ereignis verdoppelt“, sagte Haslinger. Die
       Wissenschaftler-Initiative World Weather Attribution erklärte, die
       Niederschläge des Sturms „Boris“ vom 12. bis 15. September entsprächen dem
       bisher stärksten Vier-Tage-Regen, den es in Mitteleuropa seit Beginn der
       Aufzeichnungen 1940 gegeben habe.
       
       Dass solche Extreme zunehmen, sagt die Wissenschaft seit 30 Jahren. „In der
       Klimakommunikation ist etwas schiefgelaufen“, sagt Meteorologe Böttcher.
       Von Hirschhausen macht dabei etwa ein fehlendes Tempolimit als Problem
       aus. Einer der Gründe dafür nach seinen Worten: „Die fossile Mafia verdient
       jeden Tag 3 Milliarden Euro.“
       
       „Jeder Euro, der heute nicht in Klimaschutz investiert wird, kostet uns 2
       bis 7 Euro, um die Folgen der Extremwetter zu beseitigen“, warnte der
       ARD-Meteorologe Sven Plöger. Er sprach davon, dass es auch
       „Wohlstandsängste“ gebe, die die Deutschen daran hinderten, mit echtem
       Klimaschutz zu beginnen: „Wer Angst hat vor dem, was kommt, klammert sich
       an das, was sich bewährt hat.“
       
       25 Sep 2024
       
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