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       # taz.de -- Sparpläne bei Volkswagen: Elektrisierender Kampfgeist
       
       > Was macht es mit der Belegschaft des Zwickauer VW-Werks, dass die
       > Konzernspitze über Standortschließungen und Stellenabbau spricht? Ein
       > Ortsbesuch.
       
   IMG Bild: Alles ist elektrisch: Frisch produzierte E-Autos warten in Zwickau auf den Abtransport
       
       Zwickau/Berlin taz | Wenn Udo Strewe darüber spricht, wie es gerade bei
       Volkswagen in Zwickau läuft, klingt neben vielen Sorgen auch ein wenig
       Hoffnung durch. Seit der VW-Vorstand Anfang September angekündigt hat, er
       wolle Stellen abbauen und möglicherweise Fahrzeugwerke schließen, um Geld
       zu sparen, hat Strewe ein flaues Gefühl im Magen. Er arbeitet in der
       Logistik. „Ich bin 54. Auf dem Arbeitsmarkt ist es jetzt schon schwierig.
       Wenn VW dicht macht, braucht es hier in der ganzen Region keine Fachkräfte
       mehr. Dann ist es duster.“
       
       Aufgegeben hat Udo Strewe aber noch nicht. Am Mittwoch ist er mit
       VW-Kolleg:innen von Zwickau nach Hannover gefahren, um Präsenz zu zeigen,
       während ihr Betriebsrat mit dem Vorstand verhandelt. [1][Die erste
       Tarifrunde hat am Vormittag im Schloss Herrenhausen begonnen.] Mehr als
       3.000 Beschäftigte begleiten den Verhandlungsbeginn lautstark. Rote Fahnen,
       rote Mützen, rote Rauchtöpfe und dazwischen Banner und Plakate – auch mit
       dem VW-Logo. Gerichtet an den Vorstand steht auf einem: „Selber Fehler
       machen, aber dann auf andere zeigen“.
       
       „Die Stimmung ist absolut kämpferisch“, berichtet Strewe am Telefon aus
       Hannover. Im Hintergrund sind skandierende und pfeifende Kolleg:innen zu
       hören. Soziale Politik für Arbeitnehmer:innen, das sei ihm wichtig, sagt
       Strewe. In seiner Heimatstadt Zwickau ist er auch Co-Vorsitzender des
       SPD-Stadtverbands. In Hannover ist er einer von vielen, die ihren Unmut
       über die neue Unternehmenspolitik bei VW herauslassen.
       
       Dass Volkswagen in einer Krise steckt, daran zweifelt niemand. Der Konzern
       will Milliarden sparen. Aber die Lösungsidee vom VW-Vorstand ist
       umstritten. Das VW-Management hat die Transformation hin zum Elektroauto
       verpennt und trägt das auf dem Rücken der Arbeiter:innen aus. Nach 30
       Jahren kündigte der Vorstand vor zwei Wochen die Tarifverträge, welche
       unter anderem eine Beschäftigungssicherung regelten. Dadurch kann VW bei
       seiner Kernmarke mit deutschlandweit 120.000 Arbeiter:innen ab Juli
       2025 aus betriebswirtschaftlichen Gründen Kündigungen aussprechen.
       
       Und, ein Novum in der Firmengeschichte: Der Vorstand überlegt zum ersten
       Mal überhaupt, ein Werk in Deutschland zu schließen. So will die Chefetage
       die Zielrendite von 6,5 Prozent mit VW erreichen. Laut VW-Betriebsrat und
       Industriegewerkschaft Metall ein Tabubruch. Daniela Cavallo, die
       Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, sprach von einem „historischen Angriff
       auf unsere Arbeitsplätze“, gegen den sich die Belegschaft „mit allem, was
       wir haben“ wehre.
       
       Die Tarifverhandlungen mit dem Vorstand, die eigentlich erst in der zweiten
       Oktoberhälfte starten sollten, wurden deshalb schon auf diesen Mittwoch
       vorgezogen. Statt nur einer Lohnerhöhung von sieben Prozent fordert die
       Belegschaft auch die Beschäftigungssicherung zurück – und dass
       Werkschließungen vom Tisch sind. Die Verhandlungen werden dauern. Bis Ende
       November gilt eine Friedenspflicht, danach sind Streiks möglich.
       
       Wie aufgebracht die Belegschaft jetzt schon ist, das hat der Vorstand aus
       nächster Nähe erfahren. Bei der Betriebsversammlung Anfang September in
       Wolfsburg machten 25.000 Beschäftigte ihrem Ärger mit Trillerpfeifen Luft.
       Und auch in Zwickau begrüßten mehrere Tausend Kolleg:innen den
       VW-Markenchef Thomas Schäfer mit Plakaten und viel Wut.
       
       Udo Strewe war einer von ihnen. Mit roter Gewerkschaftsmütze und rotem
       T-Shirt protestierte er gegen die Konzernentscheidung. „Das war wirklich
       erhebend, wie die Menschen da zusammengehalten haben“, erzählt er und
       lächelt kurz. Da ist sie wieder, die Hoffnung. Danach ging Strewe an seinen
       Arbeitsplatz in der Logistik, „ich hatte Mittagsschicht“. Die Mütze zog er
       ab, das rote T-Shirt trug er weiter. Das flaue Gefühl im Magen blieb.
       
       In Sachsen ist VW mit etwa 12.000 Beschäftigten der größte private
       Arbeitgeber, mehr als 10.000 davon sind in Zwickau angestellt. Seit der
       Wende produzieren sie VW-Autos und seit mehr als vier Jahren nur noch
       elektrische VW-Autos, darum gilt Zwickau als „Zukunftswerk“. Eigentlich ist
       die Volkswagen Sachsen GmbH auch noch kein Teil der Volkswagen AG. Es
       gelten gesonderte Bestimmungen. Doch am Dienstag kündigte die sächsische
       Geschäftsführung auch die Beschäftigungssicherung in Sachsen.
       
       Die Krisenstimmung ist auch in Zwickau zu spüren, denn gerade bei den
       Elektroautos schwächelt VW. Manche Arbeiter überlegen laut, ob die
       Umstellung auf E-Autos nicht doch ein falscher Schritt war. Die
       Werksleitung wollte sich auf Anfrage der taz nicht äußern. VW-Chef Thomas
       Schäfer betonte bei der außerordentlichen Betriebsversammlung vor den
       sächsischen Arbeiter:innen einmal mehr: „Die Zukunft von Volkswagen ist
       elektrisch!“
       
       Klingt gut. Aber das Vertrauen sei weg, sagt Logistiker Strewe. Denn trotz
       Elektroautos: Das Werk ist nicht ausgelastet und produziert nur in zwei
       Schichten. Der Vorstand hatte ursprünglich drei zugesichert. Derzeit
       herrsche bei der Belegschaft eine „gespannte, abwartende Stimmung, wie die
       Entwicklung weitergeht“, erzählt Strewe. Dem Betriebsrat und der IG Metall
       vertraue er persönlich voll. „Aber man weiß ja nicht, was in den Köpfen der
       Vorstände in Wolfsburg vorgeht.“
       
       ## Verbrenner in China nicht mehr gefragt
       
       Die Härte der Maßnahmen, die die Konzernspitze ergreifen will, kam
       überraschend. Doch die Krise hatte sich angebahnt. Schon der Dieselskandal
       im Jahr 2015 kostete das Unternehmen Milliarden. Mithilfe einer
       unzulässigen Software manipulierte VW weltweit mehr als zehn Millionen
       Dieselfahrzeuge. So wurden bei Tests deutlich weniger klima- und
       gesundheitsschädliche Abgase gemessen, als tatsächlich beim Fahrbetrieb
       entstanden. Die US-Umweltbehörde EPA deckte den Betrug auf, und neben dem
       Image geriet vor allem auch die Konzernkasse durch Entschädigungszahlungen
       in Milliardenhöhe unter Druck.
       
       In einer aktuellen Studie des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft
       (IW) heißt es zudem: Der Erfolg der Automobilbranche in Deutschland habe
       lange darauf basiert, ins Ausland zu exportieren, besonders nach China.
       Auch 2023 waren drei von vier aller in Deutschland gebauten Autos
       Exportware. [2][Volkswagen war in China, dem größten Automarkt der Welt,
       lange Marktführer.] Noch 2020 verbuchte der Volkswagenkonzern mit seinen
       Tochtermarken 19,3 Prozent der Neuwagenverkäufe in der Volksrepublik.
       
       Doch Ende 2022 setzte sich die chinesische Marke BYD an die Spitze, die
       VW-Verkäufe in China gingen zurück. Letztes Jahr waren es nur noch 14,5
       Prozent. Die chinesische Regierung steckt kräftig Staatsgeld in nationale
       Autohersteller und wälzt den Markt dort auf elektrische Fahrzeuge um – und
       bei denen ist Volkswagen, wie die anderen deutschen Autobauer, nicht gut
       aufgestellt. BYD zum Beispiel produziert seit 2023 nur noch E-Autos. Dabei
       sind Batterietechnik und Software zentral – und in beiden Bereichen habe
       der Hersteller Vorsprung vor der deutschen Konkurrenz, weil er aus der
       Elektroindustrie stammt, bilanziert das IW Köln. Autos mit
       Verbrennungsmotor, die Volkswagen lange einträgliche Geschäfte versprachen,
       werden in China kaum mehr verkauft.
       
       In Deutschland hingegen brachen die E-Auto-Absätze ein, nachdem die
       Bundesregierung Ende 2023 Prämien für den Kauf elektrischer Pkw abgeschafft
       hatte. Als Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausweitete,
       stiegen die Energie- und Verbraucherpreise, viele Menschen in Deutschland
       konnten oder wollten keine großen Summen mehr für Neuwagen ausgeben. Im
       August 2024 wurden laut dem ADAC hierzulande knapp 69 Prozent weniger
       E-Autos neu zugelassen als im August 2023.
       
       Auch der Absatz von Verbrennern ging deutlich zurück, im August 2024 gab es
       fast 28 Prozent weniger Neuzulassungen als im gleichen Monat des letzten
       Jahres. Volkswagen sei ein riesengroßer Konzern, sagt Beatrix Keim,
       Autoexpertin am Center for Automotive Research (CAR). Zehn verschiedene
       Marken, Verbindungen ins Ausland und zu Zulieferbetrieben sowie komplexe
       Verhältnisse innerhalb des Konzerns machten den Wandel hin zur
       Elektromobilität zum Kraftakt. Bis zu einem gewissen Grad ist es also
       durchaus verständlich, dass die Transformation lange dauert.
       
       CAR-Gründer Ferdinand Dudenhöffer formuliert es härter: VW sei wie
       „einbetoniert“ in seinen Strukturen. Unter anderem weil das Land
       Niedersachsen 20,2 Prozent der Unternehmensaktien hält und damit eine
       Sperrminorität hat, habe sich der Betrieb kaum verändern können. In einem
       sind sich Beatrix Keim und er einig: Die führenden Köpfe bei Volkswagen
       haben schlicht zu lange auf Verbrenner gesetzt.
       
       Im VW-Werk in Zwickau schüttelt Uwe Kunstmann, der sächsische
       Gesamtbetriebsratsvorsitzende, den Kopf und widerspricht: „Die haben
       frühzeitig umgeschwenkt.“ Er sagt, aktuell seien die Batteriekosten zu
       hoch. „Wenn die Batterie 10.000 Euro kostet, kann man mit einem Auto für
       20.000 Euro kein Geld verdienen.“ Das werde sich aber relativieren, wenn
       sich Batterietechnologien weiterentwickeln. An der Elektromobilität, das
       steht auch für ihn außer Frage, führe kein Weg vorbei. In zehn Jahren
       diskutiere da keiner mehr drüber. „Bei dem hier war es dasselbe“, sagt er
       und hebt sein Smartphone hoch, „da hat jeder gesagt: 'Ich brauche ein
       Telefon zum Telefonieren, was will ich mit so einem Schneidebrett?’ Und
       heute?“
       
       Würde VW in Zwickau noch Verbrenner produzieren, wäre die Krise größer,
       glaubt er. Als das Werk in Zwickau umgestellt wurde, „sind alle Politiker
       hergekommen und haben sich feiern lassen, wie gut die Entscheidung doch
       war“, berichtet Kunstmann. Damals waren die Auftragsbücher voll. Doch mit
       den steigenden Energiekosten und spätestens seit die Bundesregierung den
       Umweltbonus für Elektroautos einstellte, änderte sich das. „Da hat man
       richtig gesehen, wie die Bestellungen runtergeknackst sind“, erzählt der
       Betriebsratsvorsitzende. Was der Vorstand mit den angedrohten
       Werkschließungen und Stellenkürzungen bezwecken wolle, verstehe er nicht.
       
       Nach dem ersten Schock sei er mittlerweile gefasst, sagt Kunstmann. „Mir
       kommt es ja alles ein bisschen planlos und hilflos vor.“ Er zuckt mit den
       Schultern. Neben ihm hat im Büro der erste Bevollmächtigte von der
       örtlichen IG Metall Thomas Knabel Platz genommen. Zusätzlich zu den 10.000
       Beschäftigten bei VW wären weitere 50.000 Beschäftigte in der Region
       betroffen, wovon einzelne Betriebe ausschließlich Volkswagen zuliefern.
       
       „Wenn hier Schluss ist, wäre bei denen auch Schluss“, wirft Knabel ein.
       Über die IG Metall organisiert, würden sie deshalb zusammen für den
       VW-Standort vor dem Werkstor kämpfen. Um die hohen Kosten zu senken, habe
       VW noch andere Möglichkeiten. Knabel sagt, dass es dabei auch um den
       Konzern Volkswagen gehe, nicht nur um die Marke VW. Dass der Konzern etwa
       bei den insgesamt zehn Marken, von Audi über Porsche bis Seat die
       Synergieeffekte nicht richtig nutze, habe Knabel noch nie verstanden.
       „Jeder braucht eine Extrawurst. Dabei glaube ich nicht, dass den Kunden
       auffällt, wie viele verschiedene Lenkräder es im Konzern gibt.“
       
       In einem Zimmer auf der anderen Seite des Flurs sitzt an diesem Montag Lisa
       Neubert. Die 25-Jährige arbeitet seit 2015 bei VW in Zwickau und ist die
       Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Durch die gekündigten
       Tarifverträge ende nicht nur die Beschäftigungssicherung, auch mit der
       Übernahmegarantie für Auszubildende und dual Studierende sei Schluss,
       erzählt sie. In Zwickau betrifft das aktuell etwa 400 Azubis und
       Studierende. Als Volkswagen diese Entscheidung am 2. September ankündigte,
       sei das für die mehr als 100 neuen Azubis und dual Studierenden ein
       besonderer Schock gewesen. Die hatten da nämlich ihren allerersten Tag.
       
       Morgens hätten sie von den tollen Perspektiven bei Volkswagen gehört, um
       dann am Abend in den Nachrichten zu lesen, dass VW diese Perspektiven
       gerade infrage stellt. „Das hat vor allem zu Verunsicherung und Angst
       geführt“, sagt Neubert, „bei uns allen.“ Doch der erste Schreck sei relativ
       schnell in Kampfgeist umgeschlagen. Am 5. September ging der neue Jahrgang
       gemeinsam mit Lisa Neubert zu der Betriebsversammlung, um den
       Markenvorstand Thomas Schäfer auszupfeifen. Die Azubis standen an ihrem
       vierten Tag neben Beschäftigten, die seit Jahrzehnten für das Unternehmen
       arbeiten. „Da waren selbst Leute, die eigentlich schon ausgesteuert sind
       und gar nicht mehr aktiv arbeiten“, berichtet Neubert. Nichts zeige den
       Zusammenhalt der Belegschaft in Zwickau deutlicher.
       
       Doch welche Auswirkungen hat die Krise im Werk darüber hinaus? Als die taz
       Zwickaus Oberbürgermeisterin Constance Arndt von der Wählervereinigung
       Bürger für Zwickau am Telefon erreicht, sitzt sie gerade in ihrem
       Dienstwagen. Es ist ein vollelektrischer VW ID.4, gebaut im Werk in
       Zwickau. „Ich fahre das Auto sehr gerne und kann die Vorurteile, die es zum
       Thema Elektromobilität gibt, nicht bestätigen“, sagt sie. Welche Kritik sie
       hört? Die Reichweite sei zu gering, die Ladezeiten zu lang und die
       Infrastruktur fehle. Aber laut Arndt ist unstrittig, „dass E-Mobilität eine
       Zukunft hat“. Unter anderem deswegen ist die Oberbürgermeisterin auch
       sicher: „Das Werk in Zwickau wird nicht schließen.“
       
       ## Wenig Rückenwind aus der Politik
       
       Sie bestätigt aber auch, sollte VW das Werk schließen, träfe das die Stadt
       hart. Aktuell arbeitet rund jede:r Zehnte direkt für VW und fast jede:r
       Dritte indirekt. In Zwickau spielt der Autobau schon seit 120 Jahren eine
       große Rolle, drumherum haben sich Zulieferer und Reinigungsfirmen
       etabliert. 1904 eröffnete dort August Horch, der Audi-Gründer, das erste
       Automobilwerk. Ab 1958 produzierten die Werke in Zwickau den
       massentauglichen Trabi und hörten bis 1991 nicht mehr damit auf.
       
       Der Konzern aus Wolfsburg übernahm nach der Wende die Produktion und wurde
       zu einem der größten Arbeitgeber in Sachsen. Im vergangenen Jahr liefen
       dann 247.000 E-Autos vom Band. Um damit richtig Geld zu verdienen, müsse
       der Autohersteller wettbewerbsfähig sein, sagt Arndt. Gleichzeitig sei aber
       auch Verlässlichkeit wichtig, „das ist eine Botschaft, die ich an die
       Politik richte“. Dass das Verbrenneraus immer wieder infrage gestellt
       werde, sei unsäglich, sagt die Oberbürgermeisterin. Sie selbst verbreite
       Optimismus, indem sie ihre positiven Erfahrungen mit dem ID.4 teile. Aber
       die Situation bei VW, die könne sie nicht beeinflussen. „Das überschreitet
       meine Kompetenzen“, sagt Arndt.
       
       Gewerkschafter Knabel ist da anderer Meinung: Politiker:innen sollten
       sich einmischen, argumentiert er. Wenn sie keine Verantwortung übernähmen,
       „muss man sich nicht wundern, wenn Menschen den Glauben an
       Wirkungsmächtigkeit von Politik verlieren“. Das sei Wasser auf die Mühlen
       von Populisten.
       
       Ähnlich verärgert klingt Knabel auch, wenn er über das Thema
       „Technologieoffenheit“ spricht. Synthetische Kraftstoffe oder
       Wasserstoffautos seien nun mal keine realistischen Mobilitätskonzepte.
       „Technologieoffenheit ist nur eine Ausrede dafür, nichts zu tun“,
       kritisiert er. Damit meine er auch die FDP in der Bundesregierung.
       Elektromobilität brauche einen politischen Rahmen.
       
       Eigentlich hat sich die Bundesregierung vorgenommen, E-Autos zu fördern,
       als Teil einer klimafreundlichen Verkehrswende. Im Verkehrssektor in
       Deutschland wurden im Jahr 2023 rund 146 Millionen Tonnen klima- und
       gesundheitsschädliche Treibhausgase ausgestoßen. Das sind etwa 22 Prozent
       aller Emissionen, die es in dem Jahr bundesweit gab. Der Großteil entsteht
       im Straßenverkehr vor allem durch Pkw, Lastwagen, Busse und Motorräder mit
       Verbrennungsmotor. In ihren Koalitionsvertrag hat die Ampel geschrieben,
       mehr Geld in die Schieneninfrastruktur als in die Straße stecken zu wollen.
       
       Und weil sie trotzdem mit mehr Verkehrsaufkommen insgesamt rechnet, sollen
       bis 2030 insgesamt 15 Millionen vollelektrische Autos in Deutschland
       unterwegs sein. Expert:innen glauben aber längst nicht mehr, dass dieses
       Ziel zu schaffen sein könnte. Die Boston Consulting Group und die
       Organisation Agora Verkehrswende halten 9 Millionen E-Autos für eine
       realistischere Zahl.
       
       Um die Verkäufe wieder anzukurbeln, will die Bundesregierung auf die
       sogenannte Wachstumsinitiative und neue steuerliche Regelungen für
       Firmenwagen setzen: Arbeitgeber sollen bald auch bei teureren E-Dienstwagen
       mit einem Bruttolistenpreis von bis zu 95.000 Euro von Steuerermäßigungen
       profitieren.
       
       Robert Habeck, grüner Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, lud am
       Montag zu einem digitalen Autogipfel ein. Per Videokonferenz tauschte er
       sich mit Branchenverbänden, Autobauern und Gewerkschaftern aus, mit dem
       Ziel, Wege aus der Automobilkrise auszuloten. Habecks Fazit nach dem
       Autogipfel: lieber keine Maßnahmen als Schnellschüsse. Einer Idee der
       SPD-Fraktion erteilte er eine Absage. Die hatte eine Neuaflage der
       Abwrackprämie vorgeschlagen: Wer einen alten Verbrenner abgibt und dafür
       ein E-Auto kauft, solle einen Bonus von bis zu 6.000 Euro bekommen.
       
       Habeck will lieber in Brüssel dafür werben, die CO2-Flottengrenzwerte schon
       2025, ein Jahr früher als geplant, zu überprüfen. Die EU-Verordnung regelt,
       wie viel CO2 pro Kilometer alle Fahrzeuge eines Herstellers im Durchschnitt
       ausstoßen dürfen. Die Grenzwerte sollen zunächst 2025, dann 2030 verschärft
       werden. Den deutschen Autobauern drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe,
       weil sie diese Klimavorgaben mit der Produktionsmenge an E-Autos nicht
       einhalten.
       
       Die Autohersteller hätten in den letzten Jahren über 130 Milliarden Euro
       Gewinn gemacht, sagt die Umweltorganisation Transport & Environment. Sie
       hätten genug Zeit gehabt, sich auf die CO2-Ziele vorzubereiten.
       
       „Die aktuellen Vorschläge der Bundesregierung fördern vor allem
       Spitzenverdiener“, sagt Christiane Averbeck, Geschäftsführende Vorständin
       der Klima-Allianz Deutschland. Wenn weder Arbeitsplätze in der Branche,
       noch die Klimaziele ins Wanken geraten sollen, brauche es eine sozial
       gerechte Förderung.
       
       Im europäischen Ausland liefen die Verkäufe elektrischer Pkw zuletzt
       besser, der Absatz in der EU stieg im ersten Halbjahr 2024 um 9,4 Prozent,
       Deutschland ausgenommen. Die Klima-Allianz lobbyiert deshalb für preiswerte
       E-Auto-Leasingangebote, vor allem für Menschen mit niedrigem oder mittlerem
       Einkommen und für eine Förderung kleiner E-Firmenwagen.
       
       Der Umweltverbund Nabu plädiert wiederum für eine E-Auto-Quote bei
       Dienstwagenflotten. Und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland
       bringt kreative Fahrzeugkonzepte für den ÖPNV ins Spiel: Mit der Produktion
       von E-Fahrzeugen als Zubringer für Bus und Bahnlinien könnten die Autowerke
       dauerhaft ausgelastet werden.
       
       Udo Strewe aus Zwickau fand eigentlich den Vorschlag seiner SPD-Genossen,
       die Neuauflage der Abwrackprämie, gut: „Zumindest ist das eine Idee.“
       Strewe selbst fährt zwar einen VW – aber noch keinen elektrischen. „Mein
       nächster VW wird natürlich ein Stromer sein.“ Aktuell verstehe er, dass
       vielen ein Elektroauto zu teuer ist. Auf lange Sicht seien eben günstigere
       Autos nötig – und das sei Sache des Managements. „Die Konzernleitung ist
       verantwortlich für die Fabrik, für die Mitarbeiter, für die Region und für
       eine stabile Politik“, findet Strewe. Der Konzern, fordert die IG Metall,
       solle endlich eine Zukunftsstrategie entwerfen. Und dann könne man mit den
       Arbeiter:innen besprechen, wie das klappt.
       
       25 Sep 2024
       
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       Während das 49- zum 58-Euro-Ticket wird, beraten Politiker:innen über
       eine E-Auto-Prämie. Damit befriedigen sie die Süchte der Autoindustrie.
       
   DIR Krise bei Volkswagen: Tarifverhandlungen beginnen
       
       Mitten der Krise bei VW startet heute die Tarifrunde bei dem Autobauer.
       Dabei geht es dieses Mal nicht nur ums Geld. Die Fronten sind verhärtet.
       
   DIR Autogipfel im Wirtschaftsministerium: Ein bisschen mehr Abgas soll’s sein
       
       Wirtschaftsminister Habeck verspricht der Autoindustrie, in Brüssel für
       mildere CO2-Regeln zu kämpfen. Dort stößt das auf wenig Gegenliebe.