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       # taz.de -- Nazi-Angriffe in Mecklenburg-Vorpommern: Beim Pöbeln bleibt es nicht
       
       > In Mecklenburg-Vorpommern ist die Zahl rechter Angriffe stark
       > angestiegen. In Wismar konnte der Christopher Street Day nur mit
       > Polizeischutz stattfinden.
       
   IMG Bild: Ließen sich nur durch die Polizei zurückhalten: Rechtsextreme beim CSD in Wismar am 14. September 2024
       
       Hamburg taz | Ein Unbekannter beleidigt einen Mann in der Innenstadt von
       Schwerin rassistisch. Er droht, mit seinem Teleskopschlagstock auf ihn
       einzuschlagen. Der Betroffene hat Glück: Passant*innen greifen ein und
       hindern den Unbekannten daran, den Mann zu verletzten.
       
       Diese Situation ist nur eine von Dutzenden, zu denen es im ersten Halbjahr
       2024 in Mecklenburg-Vorpommern gekommen ist; die Zahl von Fällen rechter
       Gewalt ist massiv angestiegen: Die Beratungsstelle für Betroffene rechter
       Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern (Lobbi) registrierte in den ersten sechs
       Monaten des Jahres insgesamt 89 rechte Angriffe. „126 Menschen waren von
       der Gewalt betroffen“, sagt Robert Schiedewitz von Lobbi. Die Angriffszahl
       bewege sich jetzt schon zum Halbjahr etwa in der Höhe des jährlichen
       Durchschnitts der vergangenen zehn Jahre.
       
       Dabei vermutet Schiedewitz, dass die tatsächlichen Zahlen deutlich höher
       sind, viele Betroffene aber solche Vorfälle nicht melden möchten – sie
       befürchten eine schlechte Behandlung seitens der Polizei, auch die Angst
       vor weiteren Anfeindungen sei ein Motiv.
       
       Hingegen sorgten öffentlich bekanntgewordene Fälle für bundesweite
       Aufmerksamkeit, so etwa ein [1][Angriff auf eine ghanaische Familie in
       Grevesmühlen]. Eine Gruppe von Jugendlichen ging erst die achtjährige
       Tochter an. Als sie mit ihrem Roller an einem der Jugendlichen vorbeifahren
       wollte, soll er ihr mit einem ausgestreckten Bein den Weg versperrt und sie
       mit seiner Fußspitze getroffen haben. Die Jugendlichen sollen dann die
       Familie verbal und körperlich angegangen sein, sie rassistisch beleidigt
       haben.
       
       ## Rassismus ist das maßgebliche Tatmotiv
       
       Rassistische Einstellungen waren in der Vielzahl der Fälle das maßgebliche
       Tatmotiv, 52 Angriffe erfolgte aus dieser Haltung heraus. Doch auffällig
       sei auch die wachsende Zahl von Angriffen auf politische Gegner*innen. 22
       Angriffe zählte Lobbi im ersten Halbjahr, im vergangenen Jahr waren es
       insgesamt 16 Gewalttaten. Besonders während des Europawahl- und
       [2][Kommunalwahlkampfs im Frühling] kam es zu Bedrohungen von
       SPD-Wahlhelfer*innen und Kandidat*innen der Linken.
       
       Diese gestiegene Gewalt kommt für die Beratungsstelle nicht überraschend.
       „Wir gehen davon aus, dass die aggressive Stimmung der extremen Rechten im
       Wahlkampf zu dieser alarmierenden Verschärfung beigetragen hat“, sagt
       Schiedewitz. Vor allem AfD-Anhänger*innen seien es, so Schiedewitz, die
       Umfragen zufolge [3][Gewalt gegen Geflüchtete] und gegen
       Politiker*innen anderer Parteien als Mittel zur Beeinflussung
       politischer Prozesse befürworteten.
       
       Betroffen von rechter Gewalt war auch in übergroßen Maß die queere
       Community. In Wismar konnte der Christopher-Street-Day nur unter
       Polizeischutz stattfinden, weil Rechtsextreme gegen diese Veranstaltung
       mobilisierten. Mehrfach wurden in den vergangenen Monaten Menschen
       angegriffen, die Regenbogen-Fahnen bei sich trugen.
       
       Und das setzt sich offenbar fort: Vor zwei Wochen erst wurde in Rostock auf
       die queere Bar „B Sieben“ ein Brandanschlag verübt. „Die Zahl der
       Gewaltverbrechen gegen queere Menschen steigt besorgniserregend“, sagt auch
       der queerpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Hannes Damm. „Wie lange
       noch, bis wir nicht nur von Hassreden, Aufklebern und Brandstiftungen,
       sondern von Verletzten und Toten sprechen?“
       
       Nicht nur die hohe Zahl der Vorfälle besorgt Lobbi, auch die wachsende
       Gewaltbereitschaft: 40 Fälle von Körperverletzung zählte sie, 17 von
       gefährlicher Körperverletzung und eine versuchte Tötung.
       
       Dass auf Bundesebene „zunehmend auf Kosten von Migranten*innen“ die
       politischen Auseinandersetzungen geführt werden, verstärke die Stimmung.
       Die rassistischen Forderungen setzten Täter*innen in Gewalt um, sagt
       Schiedewitz und führt einen Vorfall in Loitz an. In dem Ort nötigte ein
       Fußgänger einen Mann aus Afghanistan, sein Auto anzuhalten. Der Betroffene
       wurde von einem weiteren Unbekannten rassistisch angepöbelt. Als er es
       schaffte zu flüchten, wurde er verfolgt, ausgebremst und verletzt. Drei
       Personen schlugen dann mit Gegenständen auf sein Auto ein, berichtet
       Schiedewitz.
       
       30 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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