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       # taz.de -- Kinderbetreuung in Hamburg: Das Kita-System schrumpft wieder
       
       > Die „Kitastrophe“ ist abgewendet, aber auskömmlich finanziert sind
       > Hamburgs Kitas noch längst nicht. Erste schließen, weil es weniger Kinder
       > gibt.
       
   IMG Bild: Überangebot: In Hamburg gibt es zu viele Kita-Plätze
       
       Hamburg taz | Ende gut alles gut, konnte man denken, als Hamburgs
       Sozialbehörde am vorigen Donnerstag die Einigung mit den Kita-Trägern auf
       die diesjährige Finanzierung verkündete. Das war knapp: Nur zwei Stunden
       später startete in der Innenstadt ein großer [1][Protestmarsch gegen die
       „Kitastrophe“]. Vereinbart wurde, dass die rund 1.200 Kitas rückwirkend zum
       1. Januar mehr Geld bekommen, um die längst gültigen Tarife zahlen zu
       können.
       
       Der Einigung war eine monatelange Hängepartie vorangegangen. Weil –
       inflationsbedingt – der jüngste Tarifabschluss recht hoch war, sah sich zum
       Beispiel die stadteigene [2][Kita-Vereinigung Elbkinder im Februar
       gezwungen], rund 80 Stellen unbesetzt zu lassen. Das erschwerte die ohnehin
       schwierige Lage, [3][die Fachkräfte auf die Straße treibt]. Hamburgs Kitas
       haben den höchsten Krankenstand in Westdeutschland.
       
       Nun ist die Sperre bei den Elbkindern aufgehoben. Das Kita-Entgelt für
       Fachpersonal sei so deutlich gestiegen, „dass es keine weitere Pause bei
       der Besetzung von Stellen geben muss“, sagt Sprecherin Katrin Geyer. Damit
       das Drama sich nicht wiederholt, planen Stadt und Kita-Verbände in ihrer
       Vertragskommission zudem ein neues Verfahren. Möglichst ab 2025 sollen
       schon zu Jahresbeginn die Steigerungsraten feststehen.
       
       Die Reaktionen auf den Deal sind dennoch gemischt. Es gebe „Licht und
       Schatten“, teilte der [4][Paritätische Wohlfahrtsverband] mit. „Das
       Ergebnis bedeutet noch nicht, dass alle Kitas ihre Fachkräfte künftig nach
       Tarif bezahlen können“, ergänzt Kai Fieguth vom alternativen
       [5][Wohlfahrtverband Soal].
       
       ## Kleine Kitas haben es schwer
       
       Das liegt am System. Andernorts werden Kitas direkt über Pflegesätze vom
       Staat finanziert. Dann zahlt der die erhöhten Tarife. In Hamburgs
       Gutscheinsystem fließt das Geld nicht für Plätze, sondern nur für die
       tatsächlich existierenden Kita-Kinder, wobei es fürs Personal Pauschalen
       gibt. „Kleine Kitas mit langjährigen Fachkräften haben es schwer, hier nach
       Tarif zu bezahlen, weil die Pauschale es nicht hergibt“, sagt Fieguth.
       Größere Träger hätten es da einfacher.
       
       Der Vorteil des Gutscheinsystems war, dass es wachsen kann und die Kitas
       leichter da entstehen, wo sie nötig sind. Ihre Zahl stieg in 20 Jahren von
       rund 800 auf rund 1.200 an. Doch die Kehrseite ist, dass das System keine
       leeren Plätze finanziert. Und inzwischen sind die Kinderzahlen leicht
       rückläufig. Die Sozialbehörde rechnet laut Sprecher Wolfgang Arnhold zwar
       von 2024 bis 2028 mit einem Bedarf von rund 3.800 zusätzlichen
       Krippenplätzen für unter Dreijährige. Doch bei den Drei- bis Sechsjährigen
       geht sie von einem Rückgang um über 5.000 Kinder aus.
       
       Bei den Elbkindern, mit 178 Kitas Hamburgs größter Anbieter, stehen denn
       auch Schließungen und Fusionen an – wegen „baulicher Gründe und sinkender
       Nachfrage“, so Geyer. Zum 31. Oktober soll die Kita in der Eimsbüttler
       Monetastraße zumachen. Den Eltern wird angeboten, die Kinder in benachbarte
       Kitas zu geben.
       
       Bereits zum August wurde die Kita Grunewaldstraße in Rahlstedt mit einer
       Nachbar-Kita zusammengelegt. 2025 soll auch die Kita Elisenstraße im
       Stadtteil Hohenfelde mit einer benachbarten Kita fusionieren. Den
       Beschäftigen biete man Alternativen.
       
       ## Nun gibt es eine Arbeitsgruppe
       
       Die Elbkinder-Betriebsratsvorsitzende Marina Jachenholz sieht den
       städtischen Träger [6][seit Jahren unterfinanziert]. „Es freut uns zu
       hören, dass die Stellenbesetzungssperre ein Ende hat“, sagt sie. Doch nötig
       sei angesichts des hohen Krankenstands und hoher Ausfallzeiten eigentlich
       ein Personalaufbau.
       
       „Das läuft auf eine Verkleinerung der Elbkinder-Kitas hinaus. Ich frage
       mich, warum die freien Plätze nicht benutzt werden, um den
       Personalschlüssel zu verbessern“, sagt Sabine Lafrentz von [7][der
       GEW-Fachgruppe Kitas]. Zudem sei es sinnvoll, die Plätze vorzuhalten, falls
       die Flüchtlingszahlen steigen.
       
       Auch Fieguth, dessen Wohlfahrtsverband Soal viele kleinere Kitas vertritt,
       sagt: „Es droht eine Art Marktbereinigung.“ Größere Kita-Firmen ließen sich
       teils in bereits ausgelasteten Gebieten nieder. Dadurch könnten kleine
       Einrichtungen kaputtgehen. „Das ist ein Problem, weil für Eltern die
       gesetzlich verbriefte die Angebotsvielfalt verloren geht.“
       
       Enttäuscht ist Lafrentz auch, weil es bislang keine Absicht gibt, den
       Personalschlüssel durch Berücksichtigung von Krankheit und Urlaub zu
       verbessern. Positiv sei einzig, dass die Vertragskommission in Zukunft über
       einen Ausgleich von Anleitungsstunden für den Erzieherinnen-Nachwuchs
       verhandeln soll, und danach sogar über zusätzliche Stunden für die
       pädagogische Vor- und Nachbereitung.
       
       Die Sozialbehörde erklärt, es gebe dazu eine Arbeitsgruppe. Doch die
       Finanzierung solch „mittelbarer Pädagogik“ sei sehr kostenintensiv, deshalb
       sei dies nur schrittweise und mit Blick auf Bundesmittel möglich.
       
       27 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Demo-fuer-mehr-Kita-Personal-in-Hamburg/!6032906
   DIR [2] /Nachteile-des-Hamburger-Gutscheinsystems/!5992437
   DIR [3] https://www.kitanetzwerk-hamburg.de/aktuelles/
   DIR [4] https://www.paritaet-hamburg.de/service/presse/detail/paritaetischer-hamburg-sieht-licht-und-schatten-in-kita-vereinbarung
   DIR [5] https://www.soal.de/aktuelles
   DIR [6] /Paedagoge-zur-Hamburger-Jugendhilfe/!5947854
   DIR [7] https://www.gew-hamburg.de/themen/kinder-und-jugendhilfe/2024-09/grosse-kitademo-mit-4000-teilnehmenden
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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