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       # taz.de -- Doku über Künstler Nicky Nodjoumi: Würdigung mit Skepsis
       
       > Sara Nodjoumi hat mit „A Revolution on Canvas“ eine Doku über ihren Vater
       > gedreht, den Künstler Nicky Nodjoumi. Es ist kein Heiligenporträt.
       
   IMG Bild: Anerkennung, aber auch Konfrontation: Sara Nodjoumi porträtiert ihren Vater
       
       Nikzad „Nicky“ Nodjoumi zählt zu den renommiertesten exiliranischen Stimmen
       der internationalen Kunstwelt. Immer wieder thematisiert der Künstler in
       seiner Arbeit Machtstrukturen, Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit,
       was ihm in der Vergangenheit jede Menge Ärger eingebracht hat – während
       [1][der Herrschaft des Schahs] sowie später unter den Mullahs der
       Islamischen Republik, vor denen er schließlich ins New Yorker Exil floh.
       
       Seine Tochter, die Filmemacherin Sara Nodjoumi, sowie ihr Partner und
       Filmemacher Till Schauder widmen dem Künstler in ihrem Dokumentarfilm „A
       Revolution on Canvas“ nun ein filmisches Porträt, das sich als dreierlei
       versteht: Als Künstlerbiografie, Porträt eines politischen Lebens sowie als
       intime Familienerzählung, die Nicky Nodjoumi zu keinem Zeitpunkt auf einen
       allzu hohen Sockel stellt, sondern vielmehr den Familienvater für seine
       Versäumnisse zur Rede stellt. Zudem ist „A Revolution on Canvas“ ein
       überaus spannendes dokumentarisches Investigativstück, das sich auf die
       Spuren der verschollenen Werke der letzten Ausstellung von Nicky Nodjoumis
       Werken begibt.
       
       Im Jahr 1980, [2][kurz nach Beginn der Islamischen Revolution], hatte diese
       Ausstellung im Museum für zeitgenössische Kunst in Teheran stattgefunden –
       zum Ärger der religiösen Eiferer. Nodjoumi hatte in seinen Malereien, in
       denen sich Einflüsse persischer Miniaturmalerei, des europäischen Realismus
       sowie der Pop-Art zeigten, eine Dokumentation der Revolutionsbewegung
       geliefert, die mit Kritik an der religiösen Bigotterie der Islamisten nicht
       sparte. Der zunächst von der Revolution überzeugte Nodjoumi hatte
       mitansehen müssen, wie die breite gesellschaftliche Bewegung gegen den
       Schah zunehmend von der radikalislamischen Strömung übernommen wurde.
       
       Am Ende der Revolution stand ein Ergebnis, das auch Nodjoumi, wie er im
       Film festhält, schlimmer findet als die vorhergehende Herrschaft des
       Schahs. Nach einem erstmaligen Aufenthalt in den USA in den späten 60ern
       kehrte Nadjoumi seinem Heimatland im Jahr 1981 endgültig den Rücken und zog
       gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Künstlerin Nahid Hagigat, und Tochter
       Sara nach New York City.
       
       ## Kompromisslose Revolution
       
       Die Filmemacherin und Tochter Nodjoumis, Sara, ist eine typische resolute
       Tochter dieser Stadt am Hudson River – humorvoll und direkt. Gemeinsam mit
       ihrem Regie- und Lebenspartner Till Schauder begibt sie sich auf die Suche
       nach der verloren gegangenen Kunst ihres Vaters.
       
       Aber sie konfrontiert den heute 82-Jährigen auch mit seiner rücksichtslos
       auf das Gelingen seiner Kunst ausgerichteten Lebensform. „A Revolution on
       Canvas“ erzählt von einem Mann, der die titelgebende Revolution
       kompromisslos in seinem Herzen trägt. Der bohemienhafte Lebensstil
       Nodjoumis hat dabei zeitweise zur Folge, dass der Vater für seine Familie
       finanziell nicht sorgen konnte. Unliebsame Nebenjobs übernahm dessen
       Gattin, die ihr eigenes künstlerisches Schaffen hintanstellte – was ihre
       Karriere beschädigte.
       
       ## Keine Hagiografie
       
       In unserer Zeit der „Frauen, Leben, Freiheit“-Proteste, [3][die nach dem
       Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini begannen], erlebt Nahid Hagigats
       Laufbahn abermals neuen Aufschwung. Ideell und künstlerisch unterstützt
       Hagigat die jungen iranischen Revolutionärinnen, welche wiederum die
       religionskritische New Yorker Künstlerin als Mitstreiterin ihrer Sache
       erkennen.
       
       Sara Nodjoumis und Till Schauders Dokumentarfilm gelingt so eine
       dokumentarische Arbeit, die sich als Porträt Nicky Nodjoumis versteht, ohne
       zur reinen Hagiografie des Künstlers zu werden. Kritisch geht sie mit den
       Lebensentscheidungen und politischen Positionen des Künstlers ins Gericht,
       getragen von einer klugen filmemacherischen Skepsis. Wer darüber hinaus
       wissen möchte, was aus Nikzad Nodjoumis verlorenen Kunstwerken geworden
       ist, dem ist die Doku „A Revolution on Canvas“ nur zu empfehlen.
       
       27 Sep 2024
       
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