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       # taz.de -- Haitianische Migranten in den USA: Die rassistischen Gerüchte
       
       > Haltlose Behauptungen Trumps bringen haitianische Migranten in den USA
       > zunehmend in Gefahr. Ihre Dämonisierung hat eine lange Tradition.
       
   IMG Bild: Vertreterinnen der haitianische Bevölkerung bei einer Bürgerversammlung in Springfield, OH, am 24. September 2024
       
       Frankfurt taz | Während die Lage in Haiti auf der gegenwärtig
       stattfindenden [1][UNO-Vollversammlung] selbst den slowakischen
       Ministerpräsidenten Pellegrini zu einem Statement bewegt und
       US-Außenminister Blinken von Haiti als dritter großer Krise neben der
       Ukraine und dem Nahen Osten spricht, sind haitianische Einwanderinnen und
       Einwanderer in den USA zum zentralen Thema des Wahlkampfs von Trump und
       seinem Vize J.D. Vance geworden.
       
       Trumps hanebüchene Behauptung im [2][Duell mit Kamala Harris] Anfang
       September, die haitianischen Einwanderer in Springfield würden die
       [3][Haustiere der Einheimischen essen], kann dabei wohl als Versuchsballon
       betrachtet werden: Wie viel Unsinn darf Trump ungestraft und ohne Schaden
       sagen?
       
       Nun wiederholte Trump bei einem [4][Wahlkampfauftritt in Pennsylvania],
       einem der Swing Staaten, vor wenigen Tagen die Verleumdungen gegen
       haitianische Einwohner. Diesmal ging es um die Kleinstadt Charleroi in
       Pennsylvania. Die 4.000 Einwohnergemeinde hatte über ein legales,
       humanitäres Einwanderungsprogramm viele Haitianer aufgenommen, weil sie
       Arbeitskräfte brauchte. Auf der Wahlkampfveranstaltung, in der Trump Zurufe
       aus dem Publikum aufgriff, wiesen einige auf die Haitianer in Charleroi
       hin, woraufhin Trump dafür sorgte, dass das Publikum am Ende hysterisch
       schrie: „Sie sind überall. Es ist schrecklich.“
       
       Dass die kleine haitianische Einwanderercommunity in den USA nun ins Auge
       von Trumps Wahlkampforkan geraten würde, ist nur auf den ersten Blick
       überraschend. Vor den umworbenen US-Wählern entfaltet sich das
       Wahlkampfdrehbuch einer künstlichen erzeugten, gänzlich auf Fälschungen
       beruhenden, rassistischen Empörungsbewirtschaftung, die ganz offensichtlich
       darauf zielt, Dämme zu brechen.
       
       ## Die Angst der Community wächst mit jedem neuen Gerücht
       
       Nach den Auslassungen von Trump gegen die Haitianer in Springfield gab es
       Bombendrohungen, mussten deshalb Schulen und Krankenhäuser in Springfield
       kurzzeitig geschlossen werden. Ein Nazitrupp marschierte durch die Stadt
       und forderte die Bürger auf, ihre Waffen zu ergreifen und selbst für ein
       Ende der haitianischen Anwesenheit zu sorgen.
       
       Die haitianische Community in den USA lebt seither in Angst, die mit jedem
       neuen Gerücht weiter wächst. So behauptete die rechte Presse, haitianische
       Boatpeople hätten gedroht, ihre Babys anzuzünden, um nicht abgeschoben zu
       werden. Haustierfresser, Kindermörder – es sind noch weitere
       Verunglimpfungen denkbar.
       
       Denn Ressentiments gegen Haitianer haben in den USA eine lange Geschichte.
       Schon Thomas Jefferson sprach vor 200 Jahren von den Haitianern als
       „Kannibalen“. Mehrere Mitglieder der US-Marines, die von 1915 bis 1934
       Haiti besetzt hielten, veröffentlichten Gruselgeschichten über Haiti, die
       sich, wie die US-amerikanisch-haitianische Schriftstellerin Edwine Danticat
       diese Woche in der Washington Post schrieb, gut verkauften. Es ging um
       Kannibalen und Zombies.
       
       In der Aidskrise wurden Haitianer als Virenträger verunglimpft. 1982 hatte
       das zuständige Zentrum für Krankheitskontrolle die Haitianer als einzige
       Nation zur Hochrisikogruppe erklärt und ein generelles Verbot für
       Blutspenden von Haitianern verhängt. In der Folge verloren viele Haitianer
       ihre Jobs. Damals aber, so Danticat, habe es noch keine soziale Medien
       gegeben, die binnen Sekunden in einem endlosen Strom von Memes und
       KI-generierten Bildern alles verbreiteten, „was man über Haitianer glauben
       möchte“.
       
       Unvergessen ist, dass Trump während seiner Präsidentschaft Haiti als
       „shithole country“ bezeichnete. Biden sprach ebenfalls in einer
       ressentimentgeladenen Sprache über Haiti. Er betrieb als Präsident zudem
       die Rückführung von 15.000 Haitianern, die als Flüchtlinge in den USA
       gestrandet waren, mitten hinein in die grassierende Ganggewalt.
       
       Die lange Geschichte von US-Interventionen und politischer wie ökonomischer
       Bevormundung Haitis ist möglicherweise auch ein Grund, warum Haitianer
       heute im Trump-Wahlkampf der alternativen Fakten wieder einmal das Vorbild
       für rassistische und xenophobe Stereotype liefern.
       
       27 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /UN-Generalversammlung-in-New-York/!6037982
   DIR [2] /Harris-vs-Trump/!6036240
   DIR [3] /Satire-Song-zum-US-Wahlkampf/!6037457
   DIR [4] https://www.youtube.com/watch?v=TM_qD9TV07A&ab_channel=LiveNOWfromFOX
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katja Maurer
       
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