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       # taz.de -- Wie man mit Rechten umgeht: Faul und bauernschlau
       
       > Rechtspopulisten gibt es auch in Adrianähe. Im dalmatinischen Hinterland
       > treiben sie ihre egoistische Politik – und werden dafür nun verspottet.
       
   IMG Bild: Screenshot aus der Serie „Čovik i po“
       
       Das dalmatinische Hinterland ist [1][eine Art Brandenburg]. Zwar ist es
       Tausende Jahre länger zivilisiert und hat Tausende Meter hohe Berge, ist
       aber ungefähr genauso dünn besiedelt und ungefähr so dünnhäutig, was die
       eigene Vergangenheit betrifft.
       
       Das Leben im Landstrich hier wie dort ist für viele oft ein ausreichendes
       Argument, rechts zu wählen: In der Hauptstadt herrschen Sodom und Gomorrha,
       werden die Steuergelder verprasst und Politik ohne oder gegen das Volk
       gemacht (Ukraine und USA, Bill Gates und Brüssel).
       
       Das war zwar schon immer so. Doch als Abfallprodukt der Modernisierung
       konservativer Parteien sind europaweit Rechtspopulisten erwachsen, was eine
       Debatte darüber erzwang, wie mit ihnen umzugehen sei. Auch [2][nach der
       Brandenburg-Wahl] wird es wieder heißen: Ignorierengehtnichtmehr,
       MachtdieBrandmauernochSinn etc.
       
       Stellen Sie sich vor, [3][Olaf Scholz hätte auf die Frage eines
       Brandenburger] AfD-Abgeordneten im Bundestag empfohlen, sich Rainald Grebes
       „Brandenburg“-Lied anzuhören, um zu verstehen, mit welchen rechten
       Gestalten man es dort zu tun habe. Und stellen Sie sich vor, das wäre die
       Antwort auf die Frage, ob Bundeswehrsoldaten in die Ukraine geschickt
       würden.
       
       ## Politik nach persönlichen Interessen
       
       Die einen würden sich aufregen, dass man die Leute auf diese Weise in die
       Arme der Rechten treibe. Die Medien würden wie immer besserwisserisch
       kommentieren, dass sich Rainald Grebe längst von „Brandenburg“ distanziert
       habe, weil er oberflächlichen Spott heute falsch finde. Auf Social Media
       würde behauptet werden, Rainald Grebe wähle AfD. AfD und BSW würden
       kritisieren, dass der Kanzler unbequemen Fragen ausweiche.
       
       Ungefähr dieses Szenario spielte sich gerade in Kroatien ab. In der
       [4][ersten Sitzung des Parlaments] nach der Sommerpause empfahl Premier
       Plenković die humoristische Serie [5][„Čovik i po“] aus den 1970er Jahren,
       in der man lernen könne, wie in der im dalmatinischen Hinterland gelegenen
       Stadt Sinj Politik gemacht werde: ausschließlich nach persönlichen
       Interessen.
       
       Der Premier hatte damit auf die Frage eines rechten Abgeordneten, des
       Bürgermeisters der Stadt Sinj, geantwortet, der wissen wollte, ob
       kroatische Soldaten „auf das Schlachtfeld osteuropäischer Kriegstreiber“
       geschickt würden. Der Premier hatte das als Bullshit abgetan und
       stattdessen die politische Gesinnung des Abgeordneten in den Vordergrund
       gerückt.
       
       In der Serie liest die Hauptfigur, die es vom Provinzpartisanen aus Sinj
       zum Minister geschafft hat, morgens in seinem Bett aus seinem Tagebuch:
       „Immer daran denken, dass du zuerst Mensch und dann Minister bist.“ Danach
       kriecht er wieder unter die Decke, anstatt seine Termine vorzubereiten.
       
       ## Erfrischende Erinnerung
       
       Der kroatische Premier wollte also den rechten Abgeordneten verspotten,
       indem er ihn mit einem faulen, bauernschlauen Provinzaufsteiger verglich.
       Nicht nur für rechte Kroaten, sondern auch für Konservative wie Plenković
       sind jugoslawische Kommunisten die schlimmsten Verbrecher aller Zeiten; mit
       ihnen verglichen zu werden, die größte Beleidigung.
       
       Nun wird seit Tagen über diese vergessene Serie geredet. Dass es
       ausgerechnet im autokratischen System Jugoslawien möglich war, die eigene
       Politklasse so aufs Korn zu nehmen, ist für die einen neue Erkenntnis, für
       die anderen erfrischende Erinnerung. Der Vergleich diente also weder den
       Rechten noch dem amtierenden Premier.
       
       Und hier? Während anderswo Humorserien ausgegraben und Chartbreaker
       („[6][They’re eating the dogs“]) komponiert werden, wägen wir hier weiter
       ab: Was nützt, was schadet? Falsch ist das sicher nicht. Aber nach all den
       Jahren, die diese Debatte alt ist, finde ich, dass das am Ende so viel
       bringt wie ein guter oder schlechter Witz.
       
       21 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [4] https://www.youtube.com/watch?v=KxzWY-6By0w
   DIR [5] https://www.dailymotion.com/video/x5t9blt
   DIR [6] https://www.youtube.com/watch?v=3BrCvZmSnKA
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
       
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