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       # taz.de -- Krise bei VW: Warum der Motor stottert
       
       > Mit der Ankündigung von möglichen Werksschließungen hat Volkswagen für
       > Aufruhr gesorgt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
       
   IMG Bild: Als die Elektroautos noch nicht erfunden waren: Autofahrerin im VW Käfer, 1957
       
       Volkswagen-Chef Oliver Blume schließt bei der Kernmarke VW
       betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland nicht länger aus und [1][erwägt
       sogar Werksschließungen]. Blume hat deswegen diese Woche bereits
       Tarifverträge gekündigt. Stehen damit Massenentlassungen unmittelbar bevor? 
       
       Massenentlassungen sind mit der [2][Kündigung der entsprechenden
       Tarifverträge] frühestens Mitte 2025 möglich. Doch allein dass die
       Konzernleitung die 30 Jahre geltende Beschäftigungssicherung aufkündigte,
       wurde von den Angestelltenvertreter*innen schon als
       Eskalationsschritt wahrgenommen. Betriebsratschefin Daniela Cavallo
       sprach von einem „historischen Angriff auf unsere Arbeitsplätze“, dem man
       sich „erbittert“ zur Wehr setzen werde.
       
       Wie viele Arbeitsplätze sollen wegfallen? 
       
       Wie viele Angestellte und Werke betroffen sind oder ob Alternativen
       gefunden werden können, werden Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft IG
       Metall, dem Betriebsrat und der Konzernspitze entscheiden. Dabei wird auch
       Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ein Wörtchen mitreden, der
       sich in den letzten Tagen wiederholt gegen Werksschließungen ausgesprochen
       hat. Das Land hält 20 Prozent am Konzern, deshalb sitzt der SPD-Politiker
       in dessen Aufsichtsrat.
       
       Dass die regulären Tarifverhandlungen nun bereits am 25. September beginnen
       und nicht erst im Oktober wie ursprünglich geplant, ist ein Zeichen, dass
       das VW-Management nun etwas auf die IG Metall zugeht. Die Gewerkschaft
       hatte nach Bekanntgabe der Kürzungspläne zügige Verhandlungen gefordert.
       „Werksschließungen und Massenentlassungen wird es mit uns nicht geben“,
       teilte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger mit.
       
       Ist die wirtschaftliche Lage bei VW wirklich so dramatisch? 
       
       Schaut man sich den Konzernabschluss an, dann stellt sich die Lage anders
       dar. 2023 konnte der Wolfsburger Autobauer seinen Absatz insgesamt um 10,4
       Prozent auf 9.362.000 Fahrzeuge steigern. Der Gewinn erhöhte sich gar um
       13,1 Prozent auf knapp 18 Milliarden Euro. Bei der Kernmarke VW lief es
       noch besser. Der Absatz stieg um 16,3 Prozent auf 3.016.000 Pkw, der
       operative Gewinn wuchs um ein Drittel auf über 3,5 Milliarden Euro. VW ist
       also durchaus noch profitabel.
       
       Was ist dann das Problem von Volkswagen? 
       
       Die Zukunft ist elektrisch, das könnte für VW ein Problem werden. Das liegt
       nicht am von der EU beschlossenen Verbrenner-Aus ab 2035. Weltweit geht der
       Trend Richtung Elektromobilität. Vergangenes Jahr stieg der globale Absatz
       von Elektroautos um mehr als ein Drittel auf 14,5 Millionen neu zugelassene
       Pkw. Äthiopien hat schon ein Importverbot für Verbrenner. Volkswagen müsste
       sich jetzt in Stellung bringen, um auch in Zukunft noch zu den größten
       Autobauern der Welt zu gehören.
       
       Wer verkauft die meisten Elektroautos? 
       
       Mit rund 70.000 Neuzulassungen war VW zwar hierzulande die beliebteste
       Elektroautomarke. Global betrachtet sieht es aber ganz anders aus. Es führt
       mittlerweile der chinesische Autobauer BYD, gefolgt vom US-Konzern Tesla.
       Der Elektro-SUV VW ID.4 verkaufte sich letztes Jahr nur knapp 193.000 Mal.
       Tesla verkaufte sein vergleichbares Model Y über 1,2 Millionen Mal.
       
       Insbesondere die chinesische Konkurrenz setzt Volkswagen zu. Zum einen gibt
       es neben BYD andere stark wachsende Marken, die mittlerweile auch auf den
       europäischen Markt drängen. Zum anderen spielt Volkswagen in China selbst,
       dem weltweit größten Markt für Elektroautos, mit 190.820 verkauften
       Elektrofahrzeugen kaum eine Rolle. Dabei ist die Bedeutung von China für VW
       nicht zu unterschätzen. Insgesamt setzt VW dort jedes dritte produzierte
       Fahrzeug ab, allerdings fast ausschließlich Verbrenner.
       
       Was hat Volkswagen falsch gemacht? 
       
       Volkswagen wird nachgesagt, zu lange auf Verbrennermotoren gesetzt zu
       haben. Der ehemalige VW‑Chef Martin Winterkorn setzte lange vor allem auf
       den Dieselmotor. Mittlerweile muss er sich wegen des 2015 aufgeflogenen
       [3][Skandals um manipulierte Abgaswerte] vor Gericht verantworten. Trotz
       des Dieselskandals schwenkte der Konzern danach zu zaghaft um. Zuletzt war
       noch nicht mal jedes zehnte ausgelieferte Auto elektrisch. Insbesondere
       bei der Batterieproduktion gibt es Nachholbedarf. Die chinesische
       Konkurrenz kann mittlerweile günstiger und besser produzieren.
       
       VW ist kein Einzelfall, die gesamte deutsche Automobilindustrie hat derzeit
       Probleme. Im Juli kappte Mercedes die Prognose seiner Gewinnmarge, auch BMW
       wird pessimistischer. Große Zulieferer wie Bosch, Continental und ZF haben
       bereits vor einiger Zeit einen Stellenabbau angekündigt.
       
       Ist die Bundesregierung an der VW-Misere schuld? 
       
       Die EU-Kommission hat im Juli Sonderzölle auf Elektroautos aus China
       verhängt. Sie wirft Peking unfaire Subventionierungen vor. Aus Angst vor
       einem Handelskrieg sind diese Strafzölle in der deutschen
       Automobilindustrie aber unbeliebt.
       
       Gleichzeitig sind in Deutschland die [4][Verkaufszahlen für Elektroautos
       massiv eingebrochen]. Im August wurden nur noch 40.600 Pkw mit
       Elektroantrieb neu zugelassen. Das waren 60 Prozent weniger als ein Jahr
       zuvor. Ein Grund dafür ist das Aus für den Umweltbonus für
       Elektrofahrzeuge. Als Maßnahme zur Stützung von VW ist daher eine neue
       Kaufprämie für Elektroautos im Gespräch.
       
       Haben die Gewerkschaften zu viel gefordert? 
       
       Zuspruch für seine Sparpläne bekam VW-Chef Oliver Blume bereits von seinem
       Vorgänger Herbert Diess. „Die Produktivität der meisten deutschen Standorte
       der Marke VW reicht nicht, um die hohen Lohnkosten zu kompensieren, und
       auch in der Verwaltung ist viel Potenzial für Optimierung“, sagte Diess
       [5][in der Wirtschaftswoche]. Die IG Metall sieht dies naturgemäß anders.
       Sie verweist darauf, dass die Entgelte vor rund 30 Jahren auf das Niveau
       der Branche gesenkt wurden. Damals steckte VW schon mal in einer Krise. Um
       Kündigungen zu vermeiden, wurde sich auf die Einführung einer Viertagewoche
       ohne vollen Lohnausgleich geeinigt, die nun auch wieder im Gespräch ist.
       Vor 20 Jahren wurde dann laut IG Metall die Arbeitszeit ohne
       Entgelterhöhung angehoben. Zudem verweist die Gewerkschaft darauf, dass
       man sich bei früheren Gehaltsverhandlungen zurückgehalten und sich auf die
       Forderungen in der übrigen Metall- und Elektrobranche beschränkt habe,
       obwohl es dem Konzern besser ging als dem Rest.
       
       Übrigens könnte die Kündigung der Tarifverträge laut IG Metall
       paradoxerweise dazu führen, dass knapp die Hälfte der Belegschaft mehr
       Gehalt bekommt, weil für sie nun ältere, bessere Regeln wieder in Kraft
       treten. „Insgesamt wirkt der Schritt Volkswagens völlig unbedacht,
       schließlich können die neu entstehenden Kosten an der Milliardengrenze
       kratzen“, kommentierte deshalb IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger
       die Kündigung der Tarifverträge.
       
       14 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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