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       # taz.de -- ARD-Tatort in Frankfurt: Vom Biedermann zum Racheengel
       
       > Im letzten Tatort des Ermittlerduos verliert der überforderte Psychologe
       > Tristan Grünfels nach einem versehentlichen Mord zunehmend seinen
       > Verstand.
       
   IMG Bild: Matthias Brandt als Tristan Grünfels
       
       Was passiert, wenn der deutsche Biedermann langsam durchdreht? Das zeigt
       sehr eindrucksvoll und mit Witz und starken Bildern dieser leider letzte
       Tatort des [1][Ermittler*innenteams Anna Janneke (Margarita Broich)
       und Paul Brix (Wolfram Koch]). Schon die Eingangssequenz wirkt wie ein
       [2][Caspar-David-Friedrich]-KI-Fiebertraum: Verloren steht der Psychologe
       Tristan Grünfels (Paraderolle für Matthias Brandt) auf einer viel zu grünen
       Wiese, unter einem viel zu himmlischen Himmel und beginnt, während er sich
       selbst quasi von außen betrachtet und mit und über sich selbst spricht, zu
       schweben.
       
       Eine schöne Ruhe gibt ihm das, aber die Realität holt ihn schnell wieder
       ein: der kiffende Sohn, die fremdgehende Ehefrau, die Tochter mit ihrem
       seltsamen Freund. Alles zu viel für den chronisch überforderten Grünfels.
       Es scheint, als würde der ruhige Mann langsam verrückt und als bräuchte er
       selbst Hilfe, denn seine Selbstgespräche mit einer weiteren Version seines
       Selbst im Auto scheinen erste Anzeichen einer beginnenden Schizophrenie zu
       sein.
       
       Nur in romantischen Landschaftsmalereien kann der Therapeut ein bisschen
       Frieden finden, und so hält er seinen Wagen natürlich sofort an, als er im
       Sperrmüll am Straßenrand ein paar Gemälde nach seinem Gusto entdeckt. Dumm
       nur, dass sein Auto so ungünstig steht, dass eine Ordnungsamtsmitarbeiterin
       ihm ein Knöllchen verpassen will. Abschätzig äußert sie sich über seine
       geretteten Kunstwerke, und die Stimmen in seinem Kopf werden immer lauter –
       und so bringt er die Frau aus Versehen mit einem der Ölgemälde um.
       
       Da er aber noch unterscheiden kann, was Recht und Unrecht ist, will er sich
       bei seiner alten Bekannten, der Kommissarin Anna Janneke stellen. Diese
       denkt jedoch irrtümlicherweise, er sei in seiner Funktion als Psychologe
       auf dem Revier, und sie nimmt ihn mit, um der Familie der toten
       Ordnungsamtsmitarbeiterin die Nachricht vom Ableben ihrer Frau und Mutter
       zu überbringen. Sehr schräg und mit einer kaputten Brille (die Grünfels
       dann konsequent bis zum Ende des Films auch genau so trägt) endet dieses
       Aufeinandertreffen des psychologischen Mörders und der wie Fremdkörper im
       weißen Wohnzimmer sitzenden Restfamilie.
       
       ## Frankfurter Unterwelt
       
       Und, man kann es schon ahnen, bei einer Toten wird es nicht bleiben. Denn
       Grünfels hat nun Blut geleckt und taucht immer mehr ab in die in einer
       Kunstinstallation ebenfalls eindrucksvoll dargestellten „Störungen der
       deutschen Seele“ und nimmt die Wandlung vom gebeutelten Biedermännchen zum
       Racheengel seiner selbst. Dass er es sich dabei auch mit der Frankfurter
       Unterwelt verscherzt, nimmt er bei seiner Suche nach dem inneren Frieden
       wirklich gelassen hin.
       
       Die Polizeiarbeit rückt in diesem wunderbar inszenierten Thriller teils in
       den Hintergrund, was dem Unterhaltungswert aber keinerlei Abbruch tut.
       Getragen von Matthias Brandts stets fein nuanciertem Spiel, ist dieser Film
       ein würdiger Abschied, mit einem überraschenden und auch sehr endgültigen
       Ende, was sehr schade ist, denn diese Reihe war stets ein Experimentierfeld
       für verschiedene Filmstile.
       
       Die Messlatte für das neue Ermittler*innenteam Melika Foroutan und
       Edin Hasanović, die sich dann ab 2025 mit Cold Cases beschäftigen werden,
       liegt nach diesem Abgang auf jeden Fall sehr hoch!
       
       29 Sep 2024
       
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       ## AUTOREN
       
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