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       # taz.de -- Die Wahrheit: Hurra! Hurra! Zurückweisung jetzt!
       
       > Neue deutsche Abschiedskultur: An den Grenzen werden Migranten seit
       > Kurzem unter großer Anteilnahme der Bevölkerung abgewiesen.
       
   IMG Bild: Die Grenzen sind dicht? Nicht mal im Traum
       
       „Wo kann ick denn jetze Ausländer klatschen?“, erkundigt sich ein junger
       Mann, der eigens aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen an die
       deutsch-niederländische Grenze gereist ist, um bei der Zurückweisung von
       Migranten mitzuhelfen, die unter bestimmten Umständen schon jetzt rechtlich
       möglich ist.
       
       „Für Ausländer klatschen!“, korrigiert Stefanie Ginzelmann schmunzelnd.
       „Aber nicht nur applaudieren, sondern auch Danke sagen, dass sie wieder
       gehen!“ Die Sparkassenangestellte aus Wachtendonk hat ein Bürgerkomitee
       gegründet, das abgewiesenen Migranten an der Grenze einen würdigen Abschied
       bereiten will. Dazu gehört nicht nur Applaus für den fast freiwilligen
       Abgang, sondern auch Musik. Mit einer Freundin, die sie auf der Klarinette
       begleitet, hat Ginzelmann die Hymnen sicherer Drittstaaten auf der Ukulele
       einstudiert. „Das ist gelebte Abschiedskultur“, erklärt die ehemalige
       Merkel-Wählerin. „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen
       dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist
       das nicht mein Land“.
       
       Ginzelmann bezeichnet sich selbst als „tolerant und weltoffen“. Sie
       vermeidet das N-Wort, wenn es nicht gerade um Schaumküsse oder Kinderbücher
       geht und hat „nichts gegen Ausländer“, wie sie mehrfach betont. Doch
       nachdem sie in ihrem Wohnviertel mehrmals in Hundekot getreten ist, beklagt
       auch sie staatlichen Kontrollverlust. „Ich fühle mich einfach nicht mehr
       sicher in meinem Land“, fühlt die Angestellte und teilt damit die medial
       gründlich fundierte Stimmung von vielen Menschen in diesem Land.
       
       Seit den frühen Morgenstunden begleitet die Aktivistin deswegen vier
       Bundespolizisten, die seit dem 16. September an einer einsamen Bundesstraße
       im Schengen-Raum Grenzkontrollen durchführen, um der feierlich
       proklamierten Migrationskrise Herr zu werden.
       
       ## Offene Schleusen
       
       Die unkontrollierte Einwanderungswelle lässt heute aber auf sich warten.
       Stattdessen werden aus dem Berufsverkehr Wagen mit örtlichen Kennzeichen
       herausgepickt, sodass viele Pendler zu spät an Arbeitsplätzen erscheinen,
       an denen Pünktlichkeit nicht bloß stichprobenartig kontrolliert wird. Ein
       Drogenschmuggler aus Venlo wird dagegen durchgewunken. Die illegale Fracht
       im Sprinter schätzen die Beamten auf etwa 120 Kilogramm, doch die
       Bundespolizei muss Prioritäten setzen. „Ich darf meine personellen
       Ressourcen nicht verschwenden, darauf warten diese raffinierten Schleuser
       schließlich nur“, erklärt Polizeihauptmeister Bernd-Uwe Schröder.
       
       Schleusen öffnet an diesem Montagmorgen aber nur der Himmel. In ihrem
       Einsatzfahrzeug betrachten die Polizisten tröpfelnden Verkehr im strömenden
       Regen. Im nahen Waldstück geht es belebter zu. Ein Lkw ohne Nummernschild
       setzt eine Personengruppe ab, die sich eilig in Richtung grüner Grenze
       bewegt, doch kommunale Grünflächen fallen nicht in den
       Zuständigkeitsbereich der Bundesbeamten.
       
       Auch die vier Niederländer, die mit einer Ladung Sprengstoff auf dem Weg
       nach Köln sind, dürfen passieren, nachdem sie glaubhaft versichern konnten,
       dass sie einen Bandenkrieg in Deutschland anzetteln, sich dort aber
       keinesfalls dauerhaft niederlassen wollen.
       
       ## Tochter in D'dorf
       
       Erst gegen Mittag taucht ein verdächtiges Ehepaar auf, das sich womöglich
       illegal Zutritt zum Bundesgebiet verschaffen will. Ein Asylantrag der
       älteren Herrschaften aus dem Kosovo wurde in Deutschland bereits abgelehnt,
       deswegen können sie nun an der Grenze abgewiesen werden. Sofort hellen sich
       die Gesichter der Beamten auf.
       
       „Zurückweisung!“, ruft Polizeihauptmeister Schröder erfreut und eilt zu
       seinem Einsatzfahrzeug, während die Kollegen dem verdutzten Paar erst einen
       Blumenstrauß und dann Handschellen anlegen. Binnen Viertelstundenfrist
       halten drei Limousinen am ehemaligen Grenzübergang, ihnen entsteigen der
       zuständige Kreisrat (CDU), der übergeordnete Regierungspräsident (Die
       Grünen) und schließlich sogar die Bundesinnenministerin (SPD). Sie alle
       wollen Handlungsfähigkeit beweisen und lassen sich mit Herrn und Frau
       Bajrami für die sozialen Netzwerke fotografieren. Dass die Bajramis nur
       ihre in Düsseldorf lebende Tochter besuchen wollten, geht im
       Blitzlichtgewitter und den Hurra-Rufen der Schaulustigen unter.
       
       Nachdem die beiden Hobbymusikerinnen die Hymnen exekutiert haben, singt ein
       Kinderchor den Schlager „L’amour toujours“, wobei nicht nur der
       vierschrötige Brandenburger die Piepsstimmchen mit dem umstrittenen
       Remigrations-Refrain unterstützt.
       
       „Ditt wird ma wohl noch singen dürfen“, rechtfertigt sich der
       Kurzgeschorene, während Frau Ginzelmann einwendet, dass der beanstandete
       Slogan „Deutschland den Deutschen“ die Zielsetzung der verschärften
       Migrationspolitik eigentlich recht zutreffend beschreibt. Dann fallen sich
       die Bürgerliche und der Rechtsradikale in die Arme und verschwinden im
       Getümmel der Feiernden. Es herrscht Volksfestatmosphäre bei dieser ersten
       Zurückweisung an der B 58, wenn auch nicht gerade bei den festgesetzten
       Kosovaren.
       
       „Das ist die neue deutsche Abschiedskultur. Anders als das Elitenkonzept
       der Willkommenskultur hat diese inklusive, lebendige Volkskultur das
       Potenzial, unsere gespaltene Gesellschaft entlang ihrer Herkunftslinien zu
       einen“, erklärt Vordenker Armin Fölk von der „Fölk’schen Vordenkfabrik“ die
       seltene Harmonie. „Es hat ja auch keinen Sinn, weiterhin an deutschen
       Bahnhöfen herumzulungern und zu klatschen, wenn kaum noch Züge fahren. Um
       eine Migrationskrise in Gang zu halten, braucht man keine funktionierende
       Infrastruktur, sondern ein gesundes Gefühl latenter Bedrohung.“
       
       Allerdings währt die Abschiedsfreude auf deutscher Seite nur kurz. Ein
       niederländischer Polizist radelt auf der Dienst-Fiets heran und erklärt,
       dass sein Land die Abgewiesenen keinesfalls wieder aufnehmen wird. Im
       Polderland wurde der Asyl-Notstand ausgerufen. Nicht einmal das Wort darf
       in Hörweite des Königreichs ausgesprochen werden. Im grenzübergreifenden
       Überbietungswettbewerb haben die Käsköppe mit ihrer frisch gezimmerten
       Rechtsausleger-Regierung diesmal die Nase vorn, aber spätestens im nächsten
       Jahr sind in Deutschland wieder Bundestagswahlen.
       
       30 Sep 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Bartel
       
       ## TAGS
       
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