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       # taz.de -- Schlapp gegen Nazis und Putinisten: Der Erste macht das Licht aus
       
       > Der Staat lässt die antifaschistische Zivilgesellschaft im Stich. Da ist
       > es höchste Zeit, sich sehr intensiv um sein Privatleben zu kümmern.
       
   IMG Bild: Die Autorin Vicki Baum, hier in einer Aufnahme aus dem jahr 1936
       
       „Was nun das Judenproblem angeht, so sehen Sie das ganz falsch. Denken Sie
       einmal, unter den Berliner Ärzten waren 85 Prozent Juden, den
       Rechtsanwälten 75 Prozent. Es ist doch vollkommen selbstverständlich, daß
       dieser Zustand eines Tages als unmöglich angesehen wurde.“
       
       In einer Gegenwart, die von der Sorge um zu wenig Zuwanderung ins gar nicht
       mehr so spitzendolle Tschörmany geprägt sein müsste, kennt dieses Land
       keine Parteien mehr, sondern hat sich „vollkommen selbstverständlich“ auf
       [1][ein Gebilde in den geistig-moralischen Grenzen von 1933] geeinigt, für
       das obiges Zitat aus einem Brief des Dichters Gottfried Benn einstehen
       kann.
       
       Es ist absolut absehbar, dass auf den [2][derzeitigen national-sozialen
       Taumel] ein krachendes 1945 folgen wird, insbesondere deswegen, weil
       rationale [3][Forderungen wie ein AfD-Verbot fast nur noch von Outcasts wie
       dem FDP-Ortsverein Kreuzberg erhoben werden] – höchst ehrenwerte Leute,
       gewiss, die aber die heroische Minderheitsposition zur Lebensmaxime erhoben
       haben.
       
       Nach Heroismus ist mir nun überhaupt nicht. Die Zwischenzeit zwischen
       niederträchtiger Entgrenzung und notwendig folgendem Großkater muss ich
       nicht live miterleben.
       
       ## „Deutschland, gute Nacht!“
       
       Wenn sich die immer noch klare Mehrheit einfach nicht gegen die –
       zweifellos weiter wachsende – Minderheit der mit dem mörderischen
       Putinschen Mafiastaat verbündeten Gebilde AfD und BSW [4][durchsetzen]
       möchte, dann geht es mir wie der großartigen Schriftstellerin Vicki Baum,
       deren Autobiographie ich gerade gelesen habe: „Ich bin nicht nur nicht in
       dieser Zeit zu Hause, dieser Gegenwart, sondern fühle mich auch ständig
       verärgert und gereizt, nicht gewillt weiter mitzumachen, ja in wütender
       Opposition. Für eine Schriftstellerin ist das eine kleine Tragödie, weil
       das den Nervus sympathicus lähmt, der alles Fühlen, Denken und Schaffen in
       Bewegung setzt.“
       
       Es war dieser noch funktionierende Nervus sympathicus, der Vicki Baum schon
       1932 auf die richtige Spur setzte, ihren Lebensmittelpunkt zügig zu
       verlegen. Sie schreibt, quasi vorausschauend zum Duell Woidke vs.
       Brandenburger AfD-Nazi oder MerzScholz vs. Höcke: „Wenn der Sieg eines
       müden, senilen, nicht übermäßig gescheiten alten Soldaten wie Hindenburg
       über einen widerlichen, hysterischen Emporkömmling das beste ist, was wir
       erreichen können – dann, Deutschland, gute Nacht!“
       
       Und was haben solche, gerade auch für die meisten in meinem eigenen, noch
       demokratischen Lager – das ist immer das niederschmetterndste – abseitigen
       historischen Bezüge in einer Haushaltskolumne verloren?
       
       ## Auf die Haushaltsauflösung vorbereiten
       
       Nun, ein Haushalt mit den in ihm Lebenden ist konkret. Wenn ich zu konzisen
       Analysen oder flammenden Appellen nicht mehr in der Lage bin, weil mir der
       Adressat abhandengekommen ist, und ich also meinen Beruf sozusagen nur noch
       auf Sparflamme ausüben kann, dann muss dennoch das Essen gekocht, die
       Windel gewechselt und die Wäsche gewaschen werden; dann trage ich weiterhin
       Verantwortung in meiner Familie.
       
       Die heimelige Routine inmitten einer täglich gemeiner werdenden Umgebung
       hat etwas Freundliches, aber sie lullt auch ein. Wenn mich ein Brief
       erreicht wie der oben zitierte von Benn, dann möchte ich meine Liebsten
       gern außerhalb des Zugriffsbereichs von Nazis und ihrem
       toleriert-toleranten Anhang wissen. Wie Vicki Baum sagt: „Ich wurde von
       einem dunklen Drang getrieben, meine Kinder in einem Land aufzuziehen, das
       sicherer war als dieses verzweifelte, von Desperados wimmelnde Deutschland.
       Ich habe zwei nette Jungen – was wird Deutschland aus ihnen machen?“
       
       Einen Haushalt führen – das heißt in diesen Zeiten eben nicht zuletzt: sich
       auf die Haushaltsauflösung vorbereiten.
       
       30 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [4] /Forderung-nach-AfD-Verbot/!6039276
       
       ## AUTOREN
       
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