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       # taz.de -- Zum Tod von Dame Maggie Smith: Sie hatte „Wit“
       
       > Sie spielte in Shakespeare, Harry Potter und „Downton Abbey“. Die
       > Schauspielerin Maggie „Minerva McGonagall“ Smith ist mit 89 Jahren
       > gestorben.
       
   IMG Bild: Spielte die Lehrerin Minerva McGonagall in „Harry Potter“: Maggie Smith
       
       Zur gleichen Zeit Kinderfilmstar, gay icon und Meme zu sein – dazu gehört
       einiges. Doch Dame Margret Nathalie „Maggie“ Smith, die am Freitag im Alter
       von fast 90 Jahren starb, hatte all das: ein überragendes, so komisches wie
       tragisches Talent, eine satte Portion tongue-in-cheek-Snobismus und das
       richtige Gesicht dazu.
       
       Geboren wurde die britische Schauspielerin in eine Mittelklassefamilie, sie
       wuchs in Oxford auf, und spielte mit 17 Jahren ihre Debüt-Theaterrolle in
       [1][Shakespeares „Was Ihr wollt“]. Mit 22 arbeitete sie am Broadway in New
       York, mit 27 wurde sie vom britischen Theater- und Regiesuperstar Laurence
       Olivier in das Ensemble des renommierten Londoner National Theatre
       eingeladen. Dort brillierte sie acht Jahre lang – so sehr, dass
       zeitgenössische Kritiker sie als erste ernstzunehmende Konkurrenz für
       Olivier bezeichneten: „Niemals zuvor war jemand auf der Bühne schneller
       gewesen als er“, heißt es in einer Biografie.
       
       Ihre Begabung übertrug sich auf die Leinwand – 1965 wurde sie für einen
       Oscar als beste Nebendarstellerin nominiert. In der
       60er-Jahre-Thrillerkomödie „The Honey Pot“ übernahm sie – wie oft – eine
       Nebenrolle als steife Krankenschwester mit festgesprühtem Haarhelm und
       diesem typischen, leicht abweisenden Ausdruck, der durch ihr sanft auswärts
       schielendes Auge (mit prominentem Schlupflid) noch zweifelnder wirkte.
       Immer wieder spielte sie Kauze – sie war der Prototyp der sprachlich
       tadellosen, entweder spleenigen oder prüden Engländerin, deren „dead
       pan“-Mimik dennoch die darunter lodernden Gefühle erkennen ließ.
       
       Mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin wurde sie für die Titelrolle in
       der Kinoadaption von Muriel Sparks Roman „Die besten Jahre der Miss Jean
       Brodie“ ausgezeichnet – sie habe eine technisch beeindruckende, emotional
       distanzierte Performance abgeliefert, die typisch für eine Britin sei. Ihr
       Charakter hatte die Chuzpe, als unverheiratete Frau mit Mitte 30 ein
       ausgefülltes Leben mit einem befriedigenden Beruf und diversen Affären zu
       führen, sich gar von einer Gruppe Schülerinnen anhimmeln zu lassen. Dass
       die Geschichte ein Drama sein musste, ist klar.
       
       ## Zauberhaft wie exzentrisch
       
       In den 70ern übernahm sie Rollen in [2][George-Cukor]-, Herbert-Ross- und
       Alan-J.-Pakula-Filmen, sie spielte mit Michael Caine, Michael Palin, Bette
       Davis, Peter Ustinov und David Niven. Auch in den nächsten beiden Dekaden
       gab es kaum ein Jahr ohne Film- oder Fernseherfolg – ob in Abenteuerfilmen
       wie „Hook“, Musicals wie „Sister Act“, Agnieska Hollands Fantasy-Drama „The
       Secret Garden“ oder weiteren Shakespeare-Adaptionen.
       
       Nach der Jahrtausendwende kam sie endlich in der Popkultur an – ihre
       Interpretation der [3][Harry-Potter]-Hexe „Minerva McGonagall“ war so
       zauberhaft wie exzentrisch. Und als „Gräfin Violet Crawley“ in der Serie
       „Downton Abbey“ vereinte sie das, was der Engländer Wit nennt (und durch
       „Witz“ oder „Esprit“ nur unzureichend übersetzt ist), mit der ihr eigenen
       schauspielerischen Qualität. Sprüche wie „What is a weekend?“ oder „At my
       age, one must ration one’s excitement“ wurden ihr zwar offiziell von
       Drehbuchautor:innen in den Mund gelegt. Doch 2019 sagte sie in einem
       Interview: „Ich hatte nie das Gefühl, in dieser Serie wirklich
       schauspielern zu müssen“.
       
       Zwei Söhne stammen aus ihrer ersten Ehe, ihren zweiten Mann überlebte sie.
       Dass nun auch [4][König Charles] kondolierte, ist das Mindeste. „Für eine
       nationale Kostbarkeit fällt der Vorhang“, schrieb der britische Royal
       beseelt. Aus ihrem Mund hätte es distinguierter geklungen.
       
       29 Sep 2024
       
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   DIR Jenni Zylka
       
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