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       # taz.de -- Die Wahrheit: Seelenverwandt in der Operngarage
       
       > Frische Parkprodukte gibt es in der niedersächsischen Landeshauptstadt
       > jetzt nur noch per Klick. Und damit ist kein im Park angebautes Gemüse
       > gemeint.
       
       Aus den Lautsprecherboxen der Opernhausgarage in Hannover plärrt zur
       Obdachlosenvertreibung ein Best-of klassischer Musik. Unter einer der
       Plärrboxen hängt ein Werbeplakat, das für mich Sinnbild der Hannoveraner
       Mentalität ist.
       
       Das Plakat preist „Alle Parkprodukte auf einen Klick“ an und schwärmt
       weiter: „Parkprodukte kaufen – so einfach wie noch nie!“ Offenbar war es
       bislang gar nicht so leicht, an Parkprodukte zu kommen, bevor es den
       „hanova City Parken Webshop“ gab. Zuvor musste man das eine Parkprodukt
       vermutlich telefonisch aus einem Katalog bestellen, ein anderes gab es in
       kooperierenden Parkproduktfachgeschäften und ein weiteres dann am
       Marktstand, wo es die frischesten Parkprodukte aus der Region zu kaufen
       gab.
       
       Vielleicht wirkt es jetzt so, als wollte ich die Hannoveraner Seele
       lächerlich machen, wenn ich sie allein aus einer Parkproduktewerbung in der
       Opernhausgarage erkläre. Aber ich komme aus dem seelenverwandten
       Norderstedt. Dort sind die Vibes sehr ähnlich. Müsste ich das Wesen des
       norderstedtischen Lebensgefühls beschreiben, stünde ein Werbeplakat für
       Parkprodukte ganz oben auf der Powerpointfolie.
       
       Während ich inmitten von Abgasen vor dem Plakat stehe und mir Mozarts
       völlig übersteuerte „Kleine Nachtmusik“ in die Ohren sägt, bin ich
       jedenfalls der festen Überzeugung, dass zwischen Norderstedt und Hannover
       eine perfekte kulturelle Städtepartnerschaft herrscht. Beide Orte schwingen
       eindeutig in der gleichen Frequenz: Hannover hat das pferdevernarrte
       englische Königshaus hervorgebracht, Norderstedt ist laut Hamburger
       Abendblatt immerhin „die pferdefreundlichste Stadt Deutschlands“.
       
       Hannover hat die Herrenhäuser Gärten, Norderstedt hatte die
       Landesgartenschau 2011. Hannover hat Annalena Baerbock, die Scorpions,
       Hannah Arendt und zum Ausgleich Oliver Pocher. Norderstedt hat Wolfgang
       Herrndorf und – ebenfalls zum Ausgleich – Mike Krüger. Beide sind sogar auf
       meine Schule gegangen. Nur nicht zeitgleich. Erst Mike, dann Wolfgang und
       dann ich.
       
       In Norderstedt hat Christiane F. nach ihrer Zeit am Bahnhof Zoo in einer
       Buchhandlung eine Ausbildung abgebrochen. Nur zwei Kilometer entfernt von
       Uwe Seelers Wohnhaus und praktisch in Sichtweite von der Stelle, wo 2021
       die KZ-Sekretärin Irmgard F. verhaftet wurde, als die 96-Jährige versucht
       hatte, ihrem Prozess zu entfliehen.
       
       Im perfekten Sweet Spot zwischen Buchhandlung, Uwe-Seeler-Haus und
       Verhaftungsschauplatz findet ein Wochenmarkt statt, über den ich neulich
       bei einem Verwandtenbesuch geschlendert bin. Zwischen Obsthöker und
       Honigbude gibt es dort auch einen Marktstand, der ausschließlich
       Autofußmatten verkauft.
       
       Und wenn ein Autofußmattenstand auf einem Markt nicht ganz harte
       Opernhausgaragenparkproduktewerbungsvibes aussendet, dann will ich meine
       Parkprodukte künftig nicht mehr auf einen Klick kaufen.
       
       1 Oct 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Björn Weirup
       
       ## TAGS
       
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