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       # taz.de -- Nationalversammlung in Frankreich: Barnier hält Antrittsrede
       
       > Frankreichs Regierungschef verordnet dem Land einen Sparkurs. Er ist mit
       > einer „extrem schlechten“ Finanzlage konfrontiert, die kaum Spielraum
       > lässt.
       
   IMG Bild: Noch bekommt er Applaus: Premierminister Michel Barnier am Dienstag in der Nationalversammlung in Paris
       
       Paris taz | In seiner Antrittsrede vor der Nationalversammlung hat
       [1][Michel Barnier] am Dienstag sein Vorbild, General Charles de Gaulle
       zitiert: „Mit wenig viel erreichen, ausgehend von fast nichts.“ Frankreichs
       neuer Premier ist sich der Schwierigkeit seiner Aufgabe bewusst, das sei
       eine „Gratwanderung“.
       
       Der Grund dafür ist einerseits die dramatisch verschlechterte Finanzlage.
       Die akkumulierte Verschuldung von 3228 Milliarden Euro sei ein
       „Damoklesschwert“, eine Bedrohung für die Nation. Das Haushaltsdefizit hat
       6 Prozent BIP-Anteil erreicht, das Barnier mit einer Sparpolitik im
       kommenden Jahr auf fünf und ab 2029 auf drei Prozent senken möchte.
       
       Niemand möchte mehr Steuern bezahlen. Barnier will und kann besonders die
       Einkommen aus Arbeit nicht höher belasten. Er erwägt dagegen eine
       Sonderabgabe für die Gewinne der Großunternehmen und die Vermögen der
       Reichsten im Land. Um das Defizit zu senken und es wieder auf den Kurs in
       Richtung der Maastricht-Kriterien zu bringen, wären laut Rechnungshof in
       den kommenden Jahren Einsparungen von jeweils 20 bis 30 Milliarden Euro
       nötig. Barnier verspricht, immer die „Wahrheit“ über die Staatsfinanzen und
       Wirtschaftslage zu sagen.
       
       Barnier ist sich auch bewusst, dass es eine schwierige Mission sein wird,
       [2][das Vertrauen der Franzosen und Französinnen in die Staatsführung
       wiederherzustellen.] Er bietet dazu einen Dialog an. Seine Methode bestehe
       im „Zuhören, Respektieren und Diskutieren“. Die vorgezogenen Wahlen haben
       indes anstatt der von Präsident Emmanuel Macron gewünschten Klärung eine
       politisch verfahrene Situation ohne regierungsfähige parlamentarische
       Mehrheit geschaffen.
       
       ## Abhängig von Duldung der Rechtspopulisten
       
       Zwar ist es Barnier [3][nach offenbar schwierigen Verhandlungen] gelungen,
       eine Regierungskoalition aus Macronisten und den Konservativen der Partei
       Les Républicains zu bilden. Doch diese verfügt in der Nationalversammlung
       nur über ungefähr 230 von 577 Abgeordneten. Das ist eine schwache
       parlamentarische Unterstützung, die jede Abstimmung zu einer Zitterpartie
       für die Regierung macht. Die linke Opposition will die Regierung so schnell
       wie möglich stürzen. Sie hängt nun von der Duldung der rechtspopulistischen
       Opposition ab. Marine Le Pens Rassemblement National will Barniers Politik
       eine Chance geben, solange diese nicht gewisse „rote Linien“ überschreite.
       
       Zu diesen Bedingungen gehört die Ausländerpolitik: „Wir werden die
       Einwanderung begrenzen und kontrollieren, weil sie oft unerträglich wird
       und dazu führt, dass wir jene nicht gut integrieren, die wir aufnehmen“,
       lautet Barniers Vorgabe. Eine neue Verschärfung hatte Barnier bereits
       angekündigt, nachdem kürzlich mehrere Kriminalfälle mit Ausländern ohne
       gültigen Aufenthaltsstatus als mutmaßliche Täter die Öffentlichkeit
       schockiert hatten. Im Zentrum der Debatte stehen Personen, die sich in
       administrativer Abschiebehaft befinden und Frankreich verlassen müssten,
       aber bleiben, weil ihre Herkunftsländer sie nicht zurücknehmen wollen.
       
       „Ordnung, Ordnung, Ordnung!“ hatte bei seinem Amtsantritt als Devise der
       neue Innenminister Bruno Retailleau genannt. Er verspricht, die
       „[4][Ordnung auf der Straße] und an den Grenzen“ zu sichern. Namentlich
       wolle er „keine tätlichen oder verbalen Angriffe auf die Ordnungskräfte
       tolerieren“. Um seine Entschlossenheit zu untermauern, sagte er, für ihn
       sei „der Rechtsstaat weder sakrosankt noch unantastbar“.
       
       Barnier hat sein Amt als Premierminister gerade angetreten und schon fragen
       französische Medien, wie lange er durchhalten könne und ob er sich nicht
       von Anfang an auf einem Schleudersitz befinde.
       
       1 Oct 2024
       
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