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       # taz.de -- Antiziganismus bei Bestatter: Diskriminiert bis nach dem Tod
       
       > Keine Geschäfte mit Sinti und Roma, kein Sarg für die
       > Holocaustüberlebende. Der Ex-Abgeordnete Romeo Franz erhebt Vorwürfe
       > gegen einen Bestatter.
       
   IMG Bild: Romeo Franz setzt sich gegen Antiziganismus ein
       
       Berlin taz | Der Generalsekretär der Bundesvereinigung der Sinti und Roma,
       Romeo Franz, soll von einem Bestatter in Homburg heftig diskriminiert
       worden sein. Franz berichtete der taz, der Besitzer des
       Bestattungsunternehmens habe sich geweigert, ihm einen Sarg samt
       Bestattungsdienstleistung zu verkaufen. Als Begründung habe er gesagt, er
       mache keine Geschäfte mit Sinti und Roma. Franz nannte den Vorfall im
       Gespräch mit der taz „bestürzend“.
       
       Franz, der auch schon [1][für die Grünen im EU-Parlament saß], berichtete,
       wie der Bestatter sich selbst dann noch weigerte, als er explizit darauf
       hingewiesen wurde, dass er sich nach dem Gleichbehandlungsgesetz strafbar
       mache. „Ich wurde in Sippenhaft genommen, einfach aufgrund meiner Ethnie“,
       so Franz. Das habe der Mann auch ganz explizit so ausgesprochen.
       
       Der Beschuldigte stellt die Geschehnisse auf Anfrage der taz anders dar: Er
       verkaufe keine einzelnen Särge und habe deswegen mit Franz kein Geschäft
       abschließen können, da er nur „komplette Bestattungsdienstleistungen“
       anbiete. „Selbstverständlich wollte ich niemanden diskriminieren.“
       
       Franz weist diese Darstellung zurück. „Das ist eine faule Ausrede.“ Es sei
       ihm ja gerade nicht nur um einen Sarg, sondern um „das komplette Paket“
       gegangen. Besonders geschmerzt habe es, eine solche Erfahrung in einem
       Moment zu machen, in dem er um seine Tante trauerte. Über diese – eine
       Holocaustüberlebende – sagt Franz: „Sie wird im Tode noch weiter
       diskriminiert. Das ist wirklich extrem verletzend.“
       
       ## Antiziganismus nimmt insgesamt zu
       
       Die Geschehnisse erinnern an den Fall Kelly Laubinger. Die Co-Vorsitzende
       der Bundesvereinigung der Sinti und Roma hatte im Herbst 2023 in Neumünster
       versucht, ein Hotelzimmer für den Autor Max Czollek zu reservieren, der als
       Gast auf einer Veranstaltung lesen sollte. Der Hotelier verweigerte ihr
       dies, da er angeblich schlechte Erfahrungen mit Personen gemacht habe, die
       Laubinger heißen. Der Name ist unter Sinti weit verbreitet. Nachdem
       Laubinger geklagt hatte, verurteilte das Amtsgericht Neumünster den
       Hotelier im Juli dieses Jahres zu einer Geldstrafe.
       
       Auch Romeo Franz sieht eine Parallele zu dem, was Laubinger erlebte. Und er
       erkennt eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Zwar gebe es einzelne
       Fortschritte beim Kampf gegen Antiziganismus – etwa, dass es mit Mehmet
       Daimagüler einen Beauftragten der Bundesregierung für dieses Thema gibt und
       ein Meldesystem für antiziganistische Vorfälle eingerichtet wurde. Doch mit
       den Wahlerfolgen der AfD werde Antiziganismus wieder sichtbarer. „Die
       Hemmschwelle sinkt“, sagte Franz.
       
       Umfragen zeigen, dass Antiziganismus in der deutschen Gesellschaft
       weitverbreitet ist. Während offener Rassismus weitgehend tabuisiert ist,
       wird offener Antiziganismus oft toleriert. Melde- und Informationsstellen
       MIA verzeichneten 2023 [2][insgesamt 1.233 antiziganistische Vorfälle], das
       Dunkelfeld ist wohl riesig. Auch dass Nazi-Deutschland während des Zweiten
       Weltkriegs bis zu 500.000 Sinti*zze und Rom*nja in den
       Vernichtungslagern ermordete, [3][ist in der Mehrheitsgesellschaft kaum
       bekannt.]
       
       1 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Roma-in-der-EU-und-europaeischen-Politik/!6000392
   DIR [2] /Bericht-zu-antiziganistischen-Vorfaellen/!6014544
   DIR [3] /Erinnerung-an-ermordete-Sinti-und-Roma/!6039185
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
       
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