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       # taz.de -- Antisemitismus in Berlin: Notfalls bis zum Schulverweis
       
       > Ein SPD-Abgeordneter fordert ein ganzes Maßnahmenbündel zur verstärkten
       > Bekämpfung von Antisemitismus. Er macht sich damit nicht nur Freunde.
       
   IMG Bild: „Brennt Gaza, brennt Berlin“: Parole am Gymnasium Tiergarten im Juli parallel zu einem Brandanschlag auf die Schule
       
       Berlin taz | Beleidigungen, Bedrohungen, Gewalt: Seit dem Hamas-Massaker
       vom 7. Oktober vor einem Jahr und dem anschließenden Krieg in Nahost hat
       sich die Sicherheitslage für Jüdinnen und Juden in Berlin massiv
       verschlechtert. So erfasste die Polizei im 1. Halbjahr 2024 insgesamt
       [1][mehr als viermal so viele antisemitische Delikte wie im
       Vergleichszeitraum des Vorjahres – im Schnitt vier pro Tag].
       
       Der SPD-Politiker Alexander Freier-Winterwerb will es nicht mehr bei
       wohlfeilen [2][Worten der Entrüstung über einzelne Übergriffe] belassen.
       Seine Forderung: Das Land Berlin müsse nicht nur mehr Geld zum Schutz
       jüdischer Einrichtungen in die Hand nehmen, sondern insbesondere auch im
       Schul- und Jugendbereich wesentlich intensiver den Kampf gegen
       Antisemitismus aufnehmen.
       
       Der jugendpolitische Sprecher der SPD-Fraktion hat in der Sommerpause einen
       entsprechenden Antrag für das Abgeordnetenhaus mit einem ganzen Bündel an
       Maßnahmen erarbeitet. Das Papier liegt der taz vor. Geht es nach dem Willen
       Freier-Winterwerbs, soll es bei der nächsten Plenarsitzung in zwei Wochen
       ins Landesparlament eingebracht werden.
       
       „Die Zunahme der Straftaten gegen Jüdinnen und Juden wie die vielen Leute
       auf der Straße bei antisemitischen Demonstrationen machen mir Angst“, sagt
       Freier-Winterwerb zur taz. Er ist überzeugt, „dass sich der Zustand unserer
       Gesellschaft an der Lebenswirklichkeit von Jüdinnen und Juden ablesen
       lässt“. Und wenn er höre, dass sich immer mehr Jüdinnen und Juden darüber
       Gedanken machten, Deutschland zu verlassen, sei das in höchstem Maße
       erschreckend.
       
       ## Mehr Fortbildungen für Lehrer:innen
       
       Konkret fordert der SPD-Abgeordnete in dem Antrag unter anderem verstärkte
       [3][Fortbildungen für Lehrer:innen] „zum professionellen Umgang mit
       Israelfeindlichkeit und allen Erscheinungsformen des Antisemitismus im
       schulischen Kontext“. Auch [4][Mitarbeiter:innen von
       Jugendfreizeiteinrichtungen] müssten regelmäßig Schulungen zum Thema
       Antisemitismus erhalten.
       
       Darüber hinaus macht sich Freier-Winterwerb für schärfere Sanktionen gegen
       Schüler:innen stark, die wiederholt für antisemitische Vorfälle an den
       Schulen verantwortlich sind, dazu gehöre auch das Mittel des
       Schulverweises.
       
       Zugleich sollten Berliner Schüler:innen in ihrer Schulzeit neben Orten
       jüdischen Lebens auch mindestens einmal eine KZ-Gedenkstätte besuchen.
       Anstehende Sparrunden der schwarz-roten Koalition hin oder her: Das Land
       Berlin müsse hierfür ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.
       
       Nun ist das mit dem Geld so eine Sache. So sind [5][im aktuellen
       Doppelhaushalt für den Kampf gegen Antisemitismus] und die Unterstützung
       der jüdischen Gemeinde zusammen zwar 20 Millionen Euro zusätzlich
       eingestellt. Nur wurden die Mittel bislang kaum in Anspruch genommen.
       Anfang August waren erst 300.000 Euro verausgabt. Zur Begründung wurden
       Verwaltungsprobleme genannt.
       
       Inzwischen, so Freier-Winterwerb, seien „die Mittel für den
       gesellschaftlichen Zusammenhalt“ immerhin teilweise ausgegeben. Doch auch
       hier sei man noch „weit weg von den 10 Millionen“, die genau dafür zur
       Verfügung gestellt wurden. Das gehe so nicht an. In seinem Antrag fordert
       er dann auch, dass die Mittel für Projekte gegen Antisemitismus zum einen
       verstetigt und zum anderen „vollständig verausgabt werden sollen“.
       
       ## Antrag, Resolution – oder beides
       
       Nach taz-Informationen begegnet der Koalitionspartner CDU dem Vorstoß
       durchaus mit Sympathie. Offiziell äußern will sich aber niemand aus der
       Fraktion. Der Antrag liege schließlich noch bei der SPD. Nur eben hier hakt
       es wohl auch.
       
       Denn dem Vernehmen nach wollen Teile der SPD-Fraktion bei der nächsten
       Abgeordnetenhaussitzung statt eines gemeinsamen Maßnahmenkatalogs mit der
       CDU lieber eine eher unverbindliche Resolution gegen Antisemitismus
       verabschieden, hinter der sich auch Grüne und Linke versammeln können.
       Dagegen wiederum sträuben sich maßgebliche CDU-Abgeordnete, nicht zuletzt
       wegen des Einschlusses der Linken.
       
       Alexander Freier-Winterwerb will sich auch einer Resolution nicht
       verschließen – zusätzlich zu seinem Antrag. „Es wird gerade noch um den
       richtigen Weg gerungen“, übt sich der SPD-Politiker in Diplomatie. Aber
       aktuell liege gar kein Resolutionstext vor. „Und ich weiß auch nicht, ob da
       noch ein entsprechender Vorschlag kommt“, sagt der SPD-Politiker.
       
       Intern regt sich indes Unmut. Er sei generell „für alle Optionen offen“,
       sagt etwa Orkan Özdemir, der Sprecher für Antidiskriminierung der
       SPD-Fraktion, zur taz. Aber Freier-Winterwerbs Antrag sei noch in keinem
       Gremium diskutiert worden. Und, so Özdemir: „Ich finde es grundsätzlich
       falsch, konkrete Antragsentwürfe über die Medien zu spielen, ohne das
       vorher in der Fraktion besprochen zu haben.“ Spätestens auf der
       Fraktionssitzung am Dienstag in einer Woche soll das weitere Vorgehen
       beraten werden.
       
       3 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] /Nahost-Konflikt-und-Schulen/!5966174
   DIR [4] /Nahost-Konflikt-in-der-Jugendarbeit/!6007115
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       ## AUTOREN
       
   DIR Rainer Rutz
       
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