# taz.de -- Autorin über rechten Antifeminismus: „Vater Staat zeigt, wo es langgeht“
> Wie greifen rechte Ideologie und Antifeminismus ineinander? Sarah Kessler
> über Verunsicherung und Politikerinnen wie Alice Weidel oder Marine Le
> Pen.
IMG Bild: Antifeministen unter sich: Alice Weidel bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung am 31. August 2024 in Erfurt
taz: Frau Kessler, was verbindet antifeministische Rhetorik mit
rechtspopulistischer Ideologie?
Sarah Kessler: Das Bild dahinter ist das gleiche: Bei Rechtskonservativen,
Rechtspopulisten und vor allem bei Rechtsextremisten steht immer ein
starker Staat im Vordergrund. Vater Staat, der zeigt wo es langgeht; der
kriegerisch ist, sich verteidigen kann und das absolute Sagen hat. Der
Staat als Vaterfigur in einem sehr patriarchalen Rollenbild.
taz: Was ist mit prominenten rechtspopulistischen bis neofaschistischen
Politikerinnen wie [1][Alice Weidel], [2][Marine Le Pen], [3][Giorgia
Meloni]?
Kessler: Sie sind der beste Beweis, dass auch Frauen repressive
frauenfeindliche Politik machen können. Gerade auch, was das Thema
[4][Queerfeindlichkeit] angeht oder das Rollenbild, dass Frauen zu Hause an
den Herd gehören.
taz: Haben die Rechten einfach verstanden, dass es ohne Frauen nicht geht?
Kessler: Wichtig ist, nicht nur auf Geschlechter zu schauen, sondern auf
die Strukturen der Macht. Die zentrale Frage lautet: Wie wird Macht
ausgeübt? Wird sie genutzt, um benachteiligte Gruppen zu unterstützen, oder
dient sie dazu, traditionelle Rollenbilder zu zementieren? Frauen in
Machtpositionen garantieren keine feministische Politik. Wenn ich
Konkurrent*innen wegtreten kann, kann ich mich isoliert stark machen –
davon profitieren auch privilegierte Frauen.
taz: Lösen allzu emanzipierte Frauen Ängste aus?
Kessler: Es geht nicht primär um individuelle „zu emanzipierte“ Frauen,
sondern um systemische Veränderungen, die Ängste auslösen können.
[5][Rechtspopulismus] ist nicht mit der Idee der Gleichberechtigung
kompatibel und kann sich auch gegen einzelne Frauen in Machtpositionen
richten. Angela Merkel ist dafür ein interessantes Beispiel: Trotz ihrer
langen Amtszeit hat sie kaum feministische Politik betrieben, verkörperte
eher eine Anpassung an bestehende Strukturen. Daher hat sie bei vielen
Antifeministen weniger Widerstand ausgelöst.
taz: Wer trägt dann bei zum rechten Erstarken?
Kessel: Es ist die Angst vor Veränderung, Existenz und Machtverlust. Die
zunehmende Vielfalt an Lebensentwürfen und Identitäten verunsichert viele
Menschen in ihrem traditionellen Selbstverständnis. Die Frage „Wer bin
ich?“ wird komplexer, wenn plötzlich mehr Optionen zur Verfügung stehen.
Das kann zu Verunsicherung führen.
taz: Antifeminismus als Ergebnis einer Krise der Männlichkeit?
Kessler: Das kann man schon so sagen. Die Hinterfragung des Bildes vom
„starken, gefühllosen Mann“ führt bei manchen zu Irritationen, was eine
notwendige Debatte über Männlichkeit anstößt. Problematisch wird es, wenn
diese Verunsicherung in Radikalisierung umschlägt.
taz: Warum gewinnt der Populismus an Einfluss, während der Feminismus
verliert?
Kessler: Wir leben in einer Welt, in der die Krisen sich extrem schnell
abwechseln: Corona, der [6][Ukraine-Krieg], [7][Israel/Gaza], der
[8][Klimawandel]. Die Zukunft ist nicht mehr so gewiss, wie sie nach dem
Zweiten Weltkrieg für eine Weile schien, da sehnen sich viele Leute nach
einfachen Antworten.
taz: Gibt es eine einfache Lösung?
Kessler: Jeder Mensch hat einen Wirkungsrahmen. Es muss nicht immer der
ganz große Kampf sein, manchmal reicht ein wenig Aufmerksamkeit. Wenn man
in Gesprächen sexistische, rassistische, antisemitische oder homophobe
Bemerkungen hört, sollte man nicht aus Bequemlichkeit darüber hinwegsehen:
Hellhörig sein, Hilfe anbieten und betroffenen Personen Solidarität
aussprechen, das ist die Devise.
18 Sep 2024
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