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       # taz.de -- +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Tote nach weiterer Explosionswelle
       
       > Dieses Mal sollen Funkgeräte der Hisbollah-Miliz detoniert sein, in
       > mehreren Gebieten auch Solaranlagen. Die Extremisten kündigen Vergeltung
       > an.
       
   IMG Bild: Libanesische Soldaten versammeln sich vor einem Geschäft, in dem vermutlich ein Funkgerät explodiert ist
       
       Tel Aviv/Beirut dpa/rtr/afp | Im Libanon sind am Mittwoch erneut
       elektronische Geräte explodiert. Mindestens neun Menschen wurden dabei
       getötet und weitere 300 verletzt, wie das Gesundheitsministerium in Beirut
       mitteilte. Staatliche Medien berichteten, dieses Mal seien Funkgeräte und
       sogar Solaranlagen detoniert. Aus Kreisen der Hisbollah-Miliz verlautete,
       Funkgeräte der Gruppe seien betroffen.
       
       Journalisten der Nachrichtenagentur AP berichteten von mehreren Explosionen
       während einer Trauerfeier in Beirut für vier Todesopfer der Pager-Attacke
       vom Vortag. Ein AP-Fotograf in der Küstenstadt Sidon im Süden sah, wie ein
       Auto und ein Handy-Geschäft beschädigt wurden, nachdem im Inneren Geräte
       explodiert waren. Die staatliche Nachrichtenagentur berichtete, in mehreren
       Gebieten Beiruts und im Südlibanon seien Solaranlagen explodiert.
       Mindestens ein Mädchen habe dabei Verletzungen erlitten.
       
       [1][Durch die zeitgleiche Explosion hunderter sogenannter Pager waren am
       Dienstag rund 2.750 Menschen im Libanon verletzt worden, neun Menschen
       starben]. Unter den Verletzten sollen viele Hisbollah-Kämpfer sein,
       darunter Mitglieder der Elitetruppe Radwan.
       
       Die proiranische Schiitenmiliz machte Israel verantwortlich und kündigte
       Vergeltung an. Der mit der Hisbollah verbündete libanesische
       Parlamentsvorsitzende Nabih Berri sprach von einem „Massaker und
       Kriegsverbrechen Israels“. Im Gedenken an die Opfer der Vorfälle und aus
       Protest sollen Schulen und Universitäten im Libanon heute geschlossen
       bleiben.
       
       ## Angeblich mit Sprengstoff bestückt
       
       Die explodierten Funkempfänger waren Medienberichten zufolge vermutlich von
       israelischen Agenten mit Sprengstoff präpariert worden. Viele hätten aus
       einer Lieferung gestammt, die die Hisbollah in den vergangenen Tagen
       erhalten habe, meldete das Wall Street Journal unter Berufung auf
       informierte Kreise.
       
       Israelische Agenten hätten die in Taiwan hergestellten Geräte vor der
       Ankunft im Libanon abgefangen und mit jeweils etwa 25 bis 50 Gramm
       Sprengstoff bestückt, berichtete die New York Times unter Berufung auf
       amerikanische und andere Behördenvertreter, die über die Operation
       informiert worden seien.
       
       Nach Informationen des US-Nachrichtenportals Axios legten die Explosionen
       auch einen wesentlichen Teil des militärischen Kommando- und
       Kontrollsystems der Hisbollah lahm. Der von Israel ausgeführte Angriff habe
       darauf abgezielt, die mächtige Miliz zu verunsichern und in ihren Reihen
       das Gefühl zu erwecken, sie sei vollständig von israelischen Geheimdiensten
       durchdrungen, zitierte Axios eine nicht näher beschriebene Quelle. Die USA
       waren laut einem Sprecher des US-Außenministeriums nicht beteiligt und
       wussten demnach auch nicht im Voraus von einer solchen Aktion.
       
       Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi bezeichnete die Explosionen
       als „Terrorakt“ und machte Israel als Schuldigen aus. Die Islamische
       Republik Iran ist ein wichtiger Verbündeter der Hisbollah-Miliz, beide
       sprechen dem jüdischen Staat das Existenzrecht ab. Araghtschi sprach seinem
       libanesischen Kollegen Abdullah Bou Habib sein Beileid aus und bot die
       Unterstützung des Irans an.
       
       ## Warnung vor Eskalation
       
       Die Vereinten Nationen warnen angesichts der jüngsten Geschehnisse mit
       Nachdruck vor einer Eskalation in Nahost. „Diese Entwicklungen sind äußerst
       besorgniserregend, insbesondere angesichts der Tatsache, dass dies in einem
       äußerst instabilen Kontext geschieht“, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric.
       
       Die Funkempfänger im Libanon waren nur Stunden nach einer Sitzung des
       israelischen Sicherheitskabinetts detoniert. Das Kabinett hatte dabei die
       Rückkehr der vor Gefechten der Armee mit der Hisbollah geflüchteten
       israelischen Bürger in ihre Wohnorte im Norden des Landes zu einem der
       Kriegsziele erklärt – neben der Befreiung der Geiseln aus dem umkämpften
       Gazastreifen und der Zerstörung der mit der Hisbollah verbündeten
       islamistischen Hamas.
       
       Der einzige Weg dahin sei „ein militärischer Einsatz“, hatte Israels
       Verteidigungsminister Joav Galant am Montag nach Angaben seines Büros bei
       einem Treffen mit US-Vermittler Amos Hochstein gesagt. Die Möglichkeit
       einer diplomatischen Lösung im Konflikt mit der Hisbollah rücke immer
       weiter in die Ferne, weil die Miliz ihr Schicksal mit dem der Hamas im
       Gazastreifen verbunden habe und sich weigere, den Konflikt zu beenden.
       
       Seit Beginn des Gazakriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet
       zwischen Israel und dem Libanon fast täglich zu Konfrontationen zwischen
       der Hisbollah und dem israelischen Militär. Auf beiden Seiten gab es
       infolge des gegenseitigen Beschusses Tote – die meisten von ihnen waren
       Mitglieder der Hisbollah. Rund 60.000 Israelis mussten ihre Häuser und
       Wohnungen im Norden Israels verlassen. Auch [2][aus dem südlichen Libanon]
       sind tausende Menschen in andere Landesteile geflohen.
       
       ## USA wollen Verhandlungen wiederbeleben
       
       Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass
       sich die Hisbollah-Miliz wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze
       entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es die UN-Resolution 1701
       vorsieht. Die Hisbollah will die Kämpfe jedoch erst bei Erreichen einer
       Waffenruhe in Gaza einstellen.
       
       US-Außenminister Antony Blinken will sich bis Donnerstag in Ägypten für
       eine Wiederbelebung der Gespräche zur Beendigung des Gazakriegs einsetzen.
       Ein Abkommen zwischen Israel und der Hamas scheint jedoch derzeit praktisch
       ausgeschlossen. Ägypten, Katar und die USA fungieren als Vermittler.
       
       Die Palästinenser appellieren an die UN-Vollversammlung der Vereinten
       Nationen, für eine Resolution zum Rückzug Israels aus besetzten Gebieten zu
       stimmen. „Bitte stehen Sie auf der richtigen Seite der Geschichte, mit
       internationalem Recht, mit Freiheit, mit Frieden. Die Alternative ist das,
       was Sie jeden Tag auf Ihren Fernsehbildschirmen sehen“, sagte der
       palästinensische Vertreter bei den Vereinten Nationen, Riad Mansur, in New
       York.
       
       Die Beschlussvorlage soll die Umsetzung eines Rechtsgutachtens des obersten
       UN-Gerichts zum Nahost-Konflikt durchsetzen, eine Abstimmung wird am
       heutigen Mittwoch erwartet. Im Falle einer Annahme der Beschlussvorlage
       wäre diese völkerrechtlich nicht bindend. Israels UN-Botschafter
       kritisierte den Vorstoß der Palästinenser scharf.
       
       Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem im
       Sechstagekrieg von 1967 erobert und besetzt. Die Palästinenser beanspruchen
       diese Gebiete für einen eigenen Staat, der an der Seite Israels entstehen
       sollte und den die meisten Länder, darunter Deutschland, befürworten.
       
       18 Sep 2024
       
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