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       # taz.de -- Attacken im Libanon: Genial gezielt oder wahllos?
       
       > Mutmaßlich Mossad-Agenten haben mit einem gezielten Angriff das
       > Kommunikationssystem der Hisbollah lahmgelegt. Ist das legitim?
       
   IMG Bild: Angehörige von Opfern, die am Vortag durch explodierte Pager verletzt wurden, warten am Notfalleingang des Krankenhauses in Beirut
       
       Zeitgleich und massenhaft explodierten am Dienstag Pager der
       Hisbollah-Miliz im Libanon, deren Ziel die Zerstörung Israels ist.
       Mindestens zwölf Menschen wurden dabei getötet und bis zu 2.800 verletzt.
       War die den Israelis zugeschriebene Attacke legitim?
       
       ## Ja
       
       natürlich ist es legitim, in einem Krieg den Feind so anzugreifen, dass
       zivile Opfer auf ein Minimum beschränkt werden. Was denn sonst? Der Angriff
       mit in den Pagern der libanesisch-schiitischen Hisbollah verstecktem
       Sprengstoff leistet genau das.
       
       Allen Anzeichen nach steckt der Mossad, Israels legendärer
       Auslandsgeheimdienst, hinter dieser militärischen Glanzleistung.
       Ausgerechnet die neuen Pager, die die Terrororganisation eigens bestellt
       hatte, um sich gegen das Ausspioniertwerden zu schützen, mit Sprengsätzen
       zu versehen, ist einfach genial.
       
       ## Die Hisbollah zielt auf die Zerstörung Israels
       
       Nun ließe sich diskutieren, ob der Angriff auch strategisch schlau war.
       Dass er Israel seinem Ziel näher bringt, den Norden zu befrieden und die
       zigtausenden Binnenflüchtlinge sicher in ihre Wohnungen zurückkehren zu
       lassen, ist fraglich. Die Hisbollah, für die der Angriff eine schwere
       Demütigung bedeutet, [1][droht mit Vergeltung]. Letztendlich entscheidet
       Teheran über das militärische Vorgehen ihrer libanesischen Handlanger, und
       die Ajatollahs hielten sich bislang an die ungeschriebenen Regeln, um eine
       Ausweitung des Krieges zu verhindern. Dass sie das tun, ist auf die
       militärische Übermacht der Gegner zurückzuführen und die Tatsache, dass ein
       größerer [2][Krieg für alle Beteiligten eine Katastrophe] wäre.
       
       Ohne den iranischen Einfluss und ohne die Hisbollah hätten die beiden
       Nachbarstaaten längst Frieden miteinander schließen können. Israel hat
       seine Truppen vor knapp einem Vierteljahrhundert abgezogen. Es geht bei dem
       Konflikt weder um Gebietsansprüche noch um die Befreiung eines unter
       Besatzung lebenden Volkes. [3][Die Hisbollah] zielt auf die Zerstörung
       Israels oder – wie es in ihrem Programm heißt – das Ende des „kleinen
       Teufels“. Aus dem Kampf gegen die Zionisten ziehen die Terroristen ihre
       Raison d’être. Dass vorerst rund 4.000 Kämpfer außer Gefecht gesetzt sind,
       ändert an der Lage wenig. Man muss es aber auch nicht bedauern.
       
       Susanne Knaul 
       
       ## Nein
       
       die Explosion von tausenden Pagern im Libanon war ein wahlloser Angriff.
       Solche sind durch [4][das Völkerrecht] verboten. Ein wahlloser Angriff ist,
       wenn militärische Ziele und Zivilpersonen oder zivile Objekte ohne
       Unterschied getroffen werden. Die Angreifer konnten nicht abschätzen, wo
       sich die Geräte befinden. Sie explodierten in Privathäusern,
       Einkaufszentren, auf Straßen mit starkem Verkehr.
       
       Das sind keine Kampfgebiete, sondern unverteidigte Orte. Wen die
       Pager-Sprengfallen treffen, kann der israelische Geheimdienst nicht
       steuern: Hisbollah-Funktionäre, den iranischen Botschafter, den Sohn eines
       Hisbollah-Abgeordneten, einen Hisbollah-Kämpfer, der gestern die
       Raketen-Abschussanlage bedient hat, oder dessen Frau und Kind. Die
       Hisbollah ist nicht nur Miliz. Sie hat Abgeordnete, Minister, eigene
       Krankenhäuser, Rettungssanitäter. Welchem ihrer Mitglieder die Hisbollah
       einen Pager gab, können die Angreifer nicht wissen.
       
       ## Im Libanon macht sich Angst breit
       
       Hätte umgekehrt die Hisbollah Funkgeräte von israelischen Soldat*innen
       zur Explosion gebracht, während diese Äpfel einkaufen, wäre das als
       terroristischer Anschlag benannt und verurteilt worden. Die terroristischen
       Angriffe auf Pager richteten sich gegen unbewaffnete Menschen, die ihrem
       täglichen Leben nachgingen. Selbst wenn die Pager-Inhaber Hisbollah-Kämpfer
       sind, ist es ein Kriegsverbrechen, sie anzugreifen, wenn sie sich außer
       Gefecht befinden. Hier wurde die Arglosigkeit und Wehrlosigkeit der Opfer
       ausgenutzt.
       
       Hinzu kommt die psychologische Wirkung und das politische Ausmaß. Menschen
       trugen unwissentlich Bomben in Hosentaschen an öffentliche Plätze. Eine
       Explosion mitten im Supermarkt, blutende Menschen auf der Straße. Die Angst
       macht sich breit, ziviles Opfer eines israelischen Angriffs zu werden und
       dass der Krieg sich nun endgültig ausweitet, mit Libanon als
       Hauptschauplatz. Es ist eine willentliche massive Eskalation durch Israel.
       
       Julia Neumann
       
       18 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
   DIR Julia Neumann
       
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