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       # taz.de -- Übergriffe auf Frauen mit Behinderung: Gewalt in betreuter Wohngruppe
       
       > In einer Gruppe für Erwachsene mit Behinderungen in Bremen sollen
       > Mitarbeiter gewalttätig geworden sein. Opfer sind drei junge Frauen.
       
   IMG Bild: Hier sollen die Übergriffe stattgefunden haben: Gelände der Friedehorst an der Rotdornallee in Bremen-Lesum
       
       Hamburg taz | Ein Horst, ein Nest, das Geborgenheit gibt, will [1][die
       Stiftung Friedehorst in Bremen-Lesum] sein. Nun sollen Mitarbeitende des
       Trägers in einer intensivbetreuten Wohngruppe (IBW) für Erwachsene mit
       schwerer Behinderung gegenüber Bewohnerinnen übergriffig und gewalttätig
       geworden sein. Das teilte Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD) am
       Donnerstag mit. Grundlage der „schweren Verdachtsmomente“ seien im
       Wesentlichen Berichte von Beschäftigten.
       
       Alle drei jungen Frauen der Wohngruppe seien demnach körperlicher und
       verbaler sowie psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen. Die
       Einrichtungsleitung und mehrere Mitarbeiter der Wohngruppe seien nach
       Bekanntwerden der Vorwürfe vergangene Woche unverzüglich vorübergehend
       freigestellt worden. Friedehorst habe Strafanzeige erstattet und die Wohn-
       und Betreuungsaufsicht der Sozialbehörde unterrichtet.
       
       Der taz bestätigt Stiftungsvorsteher Pastor Manfred Meyer die Vorfälle. Was
       genau passiert ist, werde jetzt geprüft. Nachdem eine Mitarbeiterin auf
       mögliche Vorfälle hingewiesen habe, habe die Stiftung sofort die Polizei
       eingeschaltet. „Es geht nach dem, was wir wissen und wo wir begründeten
       Anlass haben, das anzunehmen, um körperliche und psychische Gewalt“, sagt
       Meyer. Es gehe dabei ausdrücklich nicht um sexualisierte Gewalt.
       
       Die Bewohner:innen würden nun psychologisch unterstützt, in Abstimmung
       mit der Wohn- und Betreuungsaufsicht des Landes Bremen sollten sie ärztlich
       untersucht werden. Der Stiftung sei es wichtig, „dass wir die Bewohnerinnen
       nach Bekanntwerden der Verdachtsmomente sofort schützen“, sagt Meyer. Auch
       weil es im Land Bremen kaum ein anderes Angebot gebe, diese Personengruppe
       zu versorgen.
       
       ## Wohngruppe befand sich im Aufbau
       
       Bei der Wohngruppe handelt es sich laut der [2][Leistungsvereinbarung
       zwischen der Sozialbehörde und der Stiftung] um ein „intensivpädagogisches
       Angebot in einer Besonderen Wohnform für erwachsene Menschen“ (IBW) mit
       geistiger oder mehrfacher Behinderung, „die massivste Selbst- und/oder
       Fremdgefährdung sowie massivste herausfordernde Verhaltensweisen zeigen und
       noch nicht in der Lage sind, in einer weniger strukturierten und intensiv
       begleiteten Wohnform zu leben.“
       
       Dort lebten auch Menschen, „deren gesellschaftliche Normfähigkeit
       beschränkt ist“ und die gegenüber sich selbst und anderen in bestimmten
       Situationen zur Gewalt neigen, so Meyer. In anderen Bundesländern würden
       diese Menschen in geschlossenen Einrichtungen untergebracht, betont die
       Sozialbehörde.
       
       Entstanden ist das Angebot im Rahmen der Reform des [3][2023 vollständig in
       Kraft getretenen Bundesteilhabegesetzes], bei der die Eingliederungshilfe
       aus der Sozialhilfe herausgenommen und zu einem [4][Leistungsrecht
       innerhalb des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) wird]. Das
       Gesetz soll die Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderungen stärken,
       Verbände kritisieren aber auch eine zu geringe finanzielle Ausstattung, zu
       hohe bürokratische Hürden und mangelnde Flexibilität, was eine
       [5][individuelle Gestaltung der Unterstützung erschwert].
       
       ## Vorgang soll aufgearbeitet werden
       
       Die Wohngruppe ist die dritte dieser Art bei der Friedehorst. Sie existiert
       erst seit dem 10. Juni dieses Jahres und befindet sich noch im Aufbau. Eine
       weitere [6][Wohngruppe] mit fünf Personen gebe es schon länger, in einem
       anderen Setting werde zudem ein Jugendlicher einzeln betreut. Zur
       personellen Ausstattung der Wohngruppen gehört ein Sicherheitsdienst, der
       rund um die Uhr im Einsatz ist.
       
       Die Friedehorst wurde als diakonische Stiftung des kirchlichen Rechts 1947
       auf dem Gelände einer ehemaligen Wehrmachtskaserne in der Rotdornallee in
       Bremen-Lesum gegründet. 1956 war sie die erste Einrichtung in
       Norddeutschland, die Ausbildungskurse für junge Menschen mit Behinderung
       anbot.
       
       Die Behörde kündigt an, den Vorgang „umfassend und mit externer Expertise“
       aufzuarbeiten. Am Donnerstag kommender Woche will die Sozialsenatorin der
       Fachdeputation für Soziales, Jugend und Integration in nichtöffentlicher
       Sitzung Bericht erstatten. Die Stiftung Friedehorst wolle zudem ihr
       pädagogisches Konzept für diese Wohngruppen prüfen, sagt Mayer.
       
       20 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /70-Jahre-Stiftung-Friedehorst/!5445447/
   DIR [2] https://www.transparenz.bremen.de/entgeltvereinbarung-sgb-ix-friedehorst-teilhabe-leben-ggmbh-intensivpaedagogisches-angebot-in-einer-besonderen-wohnform-fuer-erwachsene-menschen-mit-geistiger-und-oder-mehrfacher-behinderung-haus-18-rotdornallee-64-28717-bremen-ab-01-01-2024-230333?asl=bremen02.c.732.de
   DIR [3] /Bundesteilhabegesetz/!t5300646
   DIR [4] https://www.diefachverbaende.de/files/stellungnahmen/2016-03-08-BTHG-ArbE-Kommentar-Fachverbaende.pdf
   DIR [5] /Behinderten-Expertin-ueber-Teilhabe/!5855559
   DIR [6] /Behinderten-Expertin-ueber-Teilhabe/!5855559
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Matthies
       
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