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       # taz.de -- Rechtsextremer Anschlag: Trauma nach Hanau
       
       > Fast fünf Jahre nach dem rassistischen Attentat in Hanau kämpfen
       > Betroffene weiter um Unterstützung. Eine Studie zeigt nun, wie wichtig
       > Beratung ist.
       
   IMG Bild: Am Abend des 19. Februar 2020 erschoss ein Rassist in Hanauzehn Menschen mit Migrationsgeschichte
       
       Berlin taz | „Wenn ich nicht in Beratung wäre, wüsste ich nicht, ob und wie
       ich all diese Anträge ausfüllen würde“, sagte Said Etris Hashemi. Der
       Überlebende und Hinterbliebende des rassistischen Attentats am 19. Februar
       2020 in Hanau spricht am Freitag bei einer Podiumsdiskussion in Berlin. Das
       Thema: die Unterstützung für die Betroffenen des Anschlags.
       
       [1][Am Abend des 19. Februar 2020 erschoss ein Rassist in Hanau] zehn
       Menschen mit Migrationsgeschichte in und vor Shisha-Bar. Später tötete er
       seine Mutter und sich selbst. Eine bei der Veranstaltung am Freitag
       vorgestellte Studie kommt nun zu dem Schluss: Nach diesen
       schwertraumatischen Erlebnissen seien kontinuierliche und langfristige
       Beratung und Hilfsangebote nach wie vor wichtig für Betroffene. Diese
       litten unter [2][psychischen und physischen Folgen] und bräuchten
       Unterstützung bei der Verarbeitung des Anschlags.
       
       Die Studie des Instituts für Psychologische Forschung an der Sigmund Freud
       Universität Berlin hat das Beratungsangebot Tasbah untersucht. Dieses hat
       sich nach dem Anschlag von Hanau aus verschiedenen Initiativen gebildet um
       die Betroffenen zu unterstützen.
       
       Das reicht von Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen über Begleitung zu Ämtern
       bis zur gemeinsamen Erarbeitung von Zukunftsperspektiven. Tasbah steht für
       „Trauma-sensible aufsuchende sozialraumnahe Beratung für
       Attentatsbetroffene in Hanau“.
       
       ## Für Betroffene sind Kontinuität und Vertrauen am wichtigsten
       
       Die Studie ergab, dass Beratungsnehmende an Tasbah besonders die
       Kontinuität und das Vertrauensverhältnis schätzen. Außerdem sei das Angebot
       niedrigschwellig und ein wichtiger Stabilisierungsfaktor.
       
       „Ein Leitgedanke dabei war, die Opfer und ihre Angehörigen in das Zentrum
       unserer Bemühungen zu stellen“, sagt Claus Kaminsky, Oberbürgermeister der
       Stadt Hanau. „Wir haben beobachtet, dass bei anderen Anschlägen mehr über
       die Täter gesprochen wird und nicht darüber, welche Kämpfe die Betroffenen
       kämpfen müssen.“
       
       Wie diese Kämpfe aussehen, beschreibt Hashemi eindrücklich: „Wir haben nach
       dem Attentat die volle Power der deutschen Bürokratie gespürt.“ Teilweise
       seien die Menschen allein vom Ausfüllen der Anträge traumatisiert, sie alle
       hätten Konzentrationsschwierigkeiten.
       
       Ohne die Beratung hätte er es sicher nicht geschafft, sagt er. Aber es
       setze auch viel Vertrauen voraus – es sei nicht schön, sich einzugestehen,
       dass man Hilfe brauche. Deshalb sei es so wichtig, Kontinuität zu haben und
       nicht ständig wechselnde Ansprechpartner:innen.
       
       „Wir wissen als Betroffene häufig nicht einmal, welche Rechte wir haben“,
       sagt Hashemi. Er fordert eine Fortführung der Beratung und eine umfassende
       Hilfe- und Ansprechstelle, die sich um Betroffene rechtsextremistischer
       Gewalt und Anschläge kümmert.
       
       „Die Anträge von mir und meiner Frau Julia waren bei etwa sechs Beratern
       und zehn Ämtern und immer werden die gleichen Fragen gestellt“, berichtet
       auch Niculescu Păun, Hinterbliebener des Attentats in Hanau. Die
       Mitarbeiter seien kaum bis gar nicht informiert.
       
       Die Behörden hätten „das Allerschlimmste“ aus ihnen hervorgeholt, sagt
       Păun, der bei dem Anschlag seinen Sohn Vili Viorel Păun verloren hat. „Sie
       haben aus uns Monster voller Wut und Stress gemacht. Wir hatten keine Zeit
       um unsere Kinder zu trauern und unsere Nerven sind bis zum Äußersten
       strapaziert.“
       
       Păun berichtet von Schlaflosigkeit, Depressionen und Herzerkrankungen. Er
       und seine Frau könnten nicht mehr arbeiten, aber die Beantragung von
       Sozialleistungen sei schwierig und bürokratisch. Deshalb hätten sie große
       finanzielle Sorgen. Er fordert eine angemessene und würdevolle Grundrente
       für Betroffene rechtsterroristischer Anschläge.
       
       ## Betroffene und Berater:innen müssen entlastet werden
       
       „Dringend notwendig ist die [3][Entlastung Betroffener] bei der Beantragung
       von existenzsicherenden Leistungen, medizinischer und psychologischer
       Beratung und der Inanspruchnahme von Angeboten und Einrichtungen der
       Regelversorgung“, sagt auch Karin Mlodoch, die die Studie durchgeführt hat.
       
       Auch sie fordert, dass das Angebot weitergeführt wird und eine langfristige
       Förderung erhält. Personelle und finanzielle Ressourcen sollten aufgestockt
       werden. Auch die Berater:innen seien einem hohen Druck ausgesetzt,
       zudem brauche es mehr Mittel für Supervision.
       
       Von der Politik fordert Mlodoch koordinierende Ansprechpartner:innen
       in Behörden und Versorgungsämtern, längere Zeiträume zwischen den
       Begutachtungen der Betroffenen und die Sensibilisierung behördlicher
       Mitarbeiter:innen.
       
       20 Sep 2024
       
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