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       # taz.de -- Die Wahrheit: Das Herz der Kotze
       
       > Eine sensationelle Überraschung bei der Vergabe des diesjährigen
       > Friedensnobelpreises bahnt sich an. Einblicke in das Innere des
       > Vergabe-Komitees.
       
   IMG Bild: Der metallene Traum aller Preisverliebten: Nobel-Medaille
       
       Total betrunken hängt er in den Seilen seiner Existenz. Die Lebensunlust
       hat ihn offenbar nach Berlin getrieben, ins feudale Hotel de Rome, wo er
       spätnachts am Tresen festklebt und seinen Weltekel mit Brandy
       hinunterzuspülen versucht. Schwede ist er, als „Peer“ stellt er sich vor
       und erzählt uns in dieser Nacht, in der draußen das Festival of Lights die
       touristischen Fixpunkte der deutschen Hauptstadt illuminiert, er sei vor
       einer sehr wichtigen Aufgabe geflohen. Fortan verdunkelt das Herz der
       Finsternis die gediegene Bar.
       
       Er könne nicht mehr, ruft „Peer“ mehrmals, und wir lassen ihn sich erst
       einmal austoben in einem putzigen Wutschwedisch, das wir hier nicht
       zitieren wollen, um ihn nicht zu einer lächerlichen Bühnenfigur zu machen,
       die niedliche Floskeln wie „hej“ und „jag“ im Mund führt.
       
       Dabei flucht und flucht er vor sich hin über all die Kriege und
       Katastrophen, über Not und Elend, Mord und Totschlag, mit denen er sich
       Berufes halber beschäftigen müsse. Nein, er wolle das nicht mehr, aber habe
       nichts anderes gelernt, denn, und nun kommt „Peer“ endlich zum Punkt, er
       sitze als Juror im Komitee, das alljährlich den Friedensnobelpreisträger
       auswähle. Und nächsten Freitag sei es wieder soweit. Dann werde der Sieger
       verkündet. Schönen Dank.
       
       Dann presst er das schöne und uns bislang unbekannte Wort „Skitstövel“
       hervor, das wir uns hier dann doch nicht verkneifen können, weil es all
       seinen Schmerz zusammenfasst an der Stelle, wo die Sonne nie scheint:
       „Arschloch“.
       
       So nennt „Peer“ manchen Kandidaten, der auf der Liste ganz oben steht, wie
       er uns nun lauthals mitteilt. Zum Beispiel könne er dieses ganze
       pazifistische Getue als Antwort auf die Morbidität unserer Zeit nicht mehr
       ertragen, aber die drei aussichtsreichsten Bewerber seien in diesem Jahr
       die Russische Bewegung der Kriegsdienstverweigerer, die Ukrainische
       Pazifistische Bewegung und die Belarussische Menschenrechtsbewegung „Unser
       Haus“. Haus der Scheiße – fasst er das Bewegungslager recht ungerecht
       zusammen.
       
       ## Routinierte Jury
       
       Ihm werde übel bei diesen ganzen Organisationen, die seine Jurykollegen
       routiniert als Gewinner einsetzen würden. Irgendwelche
       „banglakongodeshilesischen Vereine“, wie er wütend aufheult. Die immer nur
       Gutes tun, aber nie wirklich die Welt verändern. Sondern als Gegenspieler
       zum Bösen Teil des ganzen Spiels seien, wie „Peer“ resigniert feststellt.
       Und alle irgendwo Dreck am Stecken haben.
       
       Ein Trick sei immer: Frauen. Man müsse nur das Wort „Frauen“ fallen lassen,
       und schon erstarrten seine Mitjuroren. Von Schuld zerfressen. Denn in der
       Geschichte waren die Frauen immer unterrepräsentiert beim
       Friedensnobelpreis. Logisch – Männer machen Geschichte, wie „Peer“
       sarkastisch bemerkt. Und nach der „Weiberwelle“ der letzten Jahre sei zwar
       momentan eher Ruhe an der Geschlechterfront gewesen, aber man könne die
       langweiligen Organisationen gut auf die Art verhindern. Alter Trick, wie
       gesagt. Zieht immer. Frauen wollen geliebt werden, und wenn sie es nicht
       werden, dann wollen sie wenigstens, dass es eine von ihnen wird, mit der
       sie sich identifizieren können.
       
       Aber wen soll man da nehmen in diesen Zeiten? Kamala Harris? Seit Obama
       2009 wäre man ein gebranntes Kind. Bloß nicht in den amerikanischen
       Wahlkampf eingreifen. Da könne man ja gleich Taylor Swift nehmen.
       
       ## Grölender Swiftie
       
       Nach Dylan als Literaturnobelpreisträger würde sich darüber auch keiner
       mehr wundern. Winston Churchill habe man ja nach dem Zweiten Weltkrieg wenn
       schon nicht den Friedensnobelpreis, dann eben den für Literatur gegeben.
       Churchill! Literatur! Und Joyce bekam ihn nie! Prustet „Peer“ los und
       bekommt sich gar nicht mehr ein. Taylor Swift habe er ernsthaft
       vorgeschlagen. „Shake it off“, grölt er wie ein Swiftie und wirft sein
       Brandyglas um.
       
       Angela Merkel sei die Favoritin der Komiteefrauen gewesen. Bloß nicht.
       Keine Deutschen. Zu kompliziert. Und Merkel habe mit ihrer gescheiterten
       Einhegungsspolitik Putins Krieg erst möglich gemacht. Aber Merkel, bemüht
       er sich jetzt, nicht vom Barhocker zu fallen, sei noch nicht aus dem
       Rennen, da müssten wir uns noch auf etwas gefasst machen, er dürfe ja
       eigentlich nichts verraten, er schweige gewöhnlich wie ein Grab und
       selbiges werde er nun ansteuern, beziehungsweise sein Hotelzimmer.
       
       Wobei er, wie „Peer“ uns zum Abschied noch mit auf den Weg gibt, eigentlich
       dafür sei, dass „die Reinigungskraft oben“ ausgezeichnet werde, die heute
       Morgen seine Kotze in dem Saustall von Zimmer weggewischt habe. Die habe
       eine Medaille verdient – so groß wie das Herz eines Zimmermädchens.
       
       Spricht’s und wankt ab in den Aufzug. Und lässt uns, die wir so gar nicht
       gespannt sind, wer in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis 2024
       ausgezeichnet wird, ernüchtert zurück.
       
       8 Oct 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Asberg
       
       ## TAGS
       
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