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       # taz.de -- Cum-Ex-Bankier geht gegen Anklägerin vor: Verhandlungsunfähig und klagebereit
       
       > Der Prozess wegen Cum-Ex-Geschäften gegen den Hamburger Bankier Olearius
       > wurde eingestellt. Er sei zu krank. Jetzt klagt er gegen seine
       > Anklägerin.
       
   IMG Bild: Prozess eingestellt: Christian Olearius mit seinen Anwälten Klaus Landry und Peter Gauweiler (v.l.) im Juni im Bonner Landgericht
       
       Christian Olearius ist 82 und stand wegen Steuerbetrugs mit
       Cum-Ex-Geschäften seiner Hamburger Privatbank MM Warburg vor Gericht. Im
       Juni hat das Bonner Landgericht das Verfahren gegen ihn [1][wegen
       ernsthafter gesundheitlicher Probleme eingestellt] – ohne Frei- oder
       Schuldspruch. Doch beim Blutdruck des Bankiers, mit dem die
       Verhandlungsunfähigkeit begründet wurde, scheint noch Luft nach oben zu
       sein: Am Montag stellte er Strafanzeige gegen Anne Brorhilker, die damalige
       Staatsanwältin, die in ihn angeklagt hatte.
       
       Olearius, ehemals Sprecher der Gesellschafter der Warburg-Bank, [2][musste
       sich für Aktiengeschäfte verantworten], bei denen es allein darum ging,
       Geld aus der Staatskasse zu stehlen. Die Bank ließ sich bei diesen
       Cum-Ex-Geschäften um den Dividendenstichtag herum Kapitalertragssteuern
       erstatten, die sie nie bezahlt hatte. Der Gesamtschaden solcher Geschäfte,
       um die sich die Behörden lange Zeit nicht so recht kümmerten, wird allein
       in Deutschland auf 10 Milliarden Euro taxiert.
       
       Als sich das Hamburger Finanzamt 2016 anschickte, das Geld zurückzufordern,
       ließ sich Olearius einen Termin beim damaligen Ersten Bürgermeister Olaf
       Scholz (SPD) geben – den ersten von mehreren Terminen, die Scholz später
       den Ruf einbrachten, an Amnesie zu leiden. Denn der heutige Kanzler kann
       sich angeblich [3][nicht mehr an Details seiner Treffen mit dem Bankier
       erinnern]. So stellte er es jedenfalls im Untersuchungsausschuss der
       Hamburgischen Bürgerschaft dar. Dabei ging es um viel Geld und einen
       wichtigen Finanzier in der Stadt: allein 2016 um 47 Millionen Euro, die die
       offenbar klamme Bank dem Fiskus zurückerstatten sollte.
       
       Auf eine erste Anfrage der Linken hin hatte Scholzens Senatskanzlei sogar
       mitgeteilt, es habe gar keine Gespräche zwischen dem Bankier und dem
       Bürgermeister gegeben. Blöd nur, dass die Staatsanwaltschaft bei einer
       Razzia in der Bank [4][Olearius’ Tagebücher fanden], in denen er über die
       Treffen berichtete.
       
       ## Im Guten wie im Schlechten verbunden
       
       In seinem Strafprozess beteuerte Olearius seine Unschuld und berief sich
       auf seine Unwissenheit. „Ich habe weder wissentlich noch willentlich an
       strafbaren Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt“, sagte er vor dem Landgericht. Er
       sei vielmehr von legalen Aktienkaufverträgen ausgegangen. Manager der Bank
       sind [5][wegen der Geschäfte verurteilt] worden.
       
       Die Warburg-Bank ist der Stadt und ihrem Establishment im Guten wie im
       Schlechten verbunden. Olearius half dem SPD-Senat, Teile des ehemals
       gewerkschaftseigenen Wohnungsbaukonzerns Neue Heimat zu retten, ebenso wie
       die Stahlwerke. Zuletzt trug er 2008 dazu bei, einen Verkauf der Reederei
       Hapag Lloyd nach Asien zu verhindern und sie am Standort Hamburg zu halten,
       was sich für die Stadt als sehr gutes Geschäft erwies.
       
       Wie eng die Verbindungen sind, zeigt auch ein [6][Vorgang, der den
       ehemaligen Mitherausgeber der Zeit, Josef Joffe], 2022 dazu bewog, sein Amt
       bis zum Auslaufen seines Vertrages ruhen zu lassen. Ausweislich eines
       Briefwechsels mit dem Bankier Max Warburg hat Joffe versucht, einen Bericht
       über die Cum-Ex-Verstrickungen zu verzögern, und äußerte sich schockiert
       über „Verräter“ aus dem Hause Warburg.
       
       Olearius’ Anwälte werfen seiner ehemaligen Strafverfolgerin Brorhilker vor,
       „vorsätzlich und bewusst unvollständige und falsche Sachverhalte zur
       Grundlage ihrer Anklagen gemacht zu haben“. Insbesondere habe ein Kronzeuge
       Olearius zu Unrecht belastet., Brorhilker hat inzwischen den Staatsdienst
       verlassen und ist [7][zur Bürgerbewegung Finanzwende gewechselt].
       
       Wie sich die juristische Offensive mit Olearius’ Blutdruck verträgt, muss
       sein Arzt beurteilen.
       
       5 Oct 2024
       
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